Kapitel 3

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Kat

Jemand tippt mich vorsichtig an. Schon wieder. Stöhnend drehe ich mich auf die andere Seite. Ich bin noch so müde ...

Das Antippen verschwindet nicht, stattdessen fühle ich den Finger erneut auf meiner Schulter. Ich schlage danach und höre im nächsten Augenblick ein erstauntes Raunen. Widerwillig öffne ich meine Augen und die Holzwand materialisiert sich vor mir. Mein Schädel brummt und ich glaube, etwas Pelziges ist auf meiner Zunge gestorben.

„Es ist schon zehn Uhr, wann willst du denn endlich mal aufstehen?"

Ich blinzle. Nash. Sofort bin ich wach und setze mich auf. Er steht neben dem Bett und sieht lachend auf mich herunter. Im Spiegel, der neben meinem Bett hängt, muss ich feststellen, dass meine Haare wie ein Vogelnest aussehen. Meine Augen sind verquollen und rot und allgemein sehe ich nicht gerade hübsch aus.

Vielleicht verschwindet Nash, wenn ich meine Augen lang genug zukneife. Doch nach zehn Sekunden ist er immer noch da und grinst mich an.

„Was?", knurre ich und rolle schwerfällig aus dem Bett.

„Du verträgst ja gar nichts", sagt er und lacht mich aus.

Ohne ihn eines Kommentars zu würdigen, laufe ich an ihm vorbei, schließe die Klotür mit einem lauten Knall und versuche meine Haare zu ordnen. Dann putze ich meine Zähne und wasche mich mit dem bereits abgestandenen Wasser, das ich gestern Morgen vom Brunnen geholt habe. Nachdem ich wieder einigermaßen erträglich aussehe, verlasse ich das kleine Zimmer und beobachte, wie Nash frisch duftende Brötchen isst.

„Woher hast du die?" Ich setze mich neben ihn und greife nach dem noch warmen Teig. Hmmm ...

Er schüttelt seine rechte Hand. Verständnislos sehe ich ihn an. „Magie", erwidert er und verdreht die Augen.

„Nicht schlecht. Was kannst du sonst noch?"

Daraufhin wedelt er dramatisch mit der Hand und eine Kanne voll gekühltem Apfelsaft steht auf dem Tisch. Entzückt probiere ich einen Schluck und seufze.

„Lecker", sage ich und schenke ihm ebenfalls ein. „Was wirst du heute machen?"

Nash trinkt einen Schluck Apfelsaft, bevor er antwortet. „Ich suche nach jemandem." Seine Augen verdunkeln sich und sein Mund bildet einen grimmigen Strich. Interessiert beuge ich mich zu ihm.

„Wen denn?"

„Meine Großmutter", er starrt den Becher in seiner Hand an. „Sie ist eine dieser Alten, die abgeholt und weggebracht wurden – wohin auch immer." Ich tätschle seine Hand, in der Hoffnung ihm etwas Trost spenden zu können. „Sie hat meine Geschwister und mich erzogen, nachdem unsere Eltern gestorben sind. Großmutter ist die einzige Familie, die wir noch haben."

„Wie viele Geschwister hast du?"

Er reibt seinen Finger über die Rillen im Becher. „Vier. Sie sind alle jünger als ich. Der Jüngste ist gerade mal drei Jahre alt."

„Oh", sage ich, weil mir nichts Besseres einfällt. Ich weiß nicht, wie es ist, Geschwister zu haben.

Aber ich kenne das Gefühl, wenn die Eltern sterben. Meine sind vor fast sieben Jahren von Aufständischen ermordet worden und seitdem bin ich meine einzige Familie. Eigentlich gibt es da noch meinen Onkel, aber seit er mich vor sechs Jahren auf die Straße setzte, sehe ich ihn nicht mehr als Familie an. Darum weiß nicht einmal Juri von meiner Verwandtschaft zu ihm.

„Ich bin auf der Suche nach ihr." Nash räuspert sich. „Es gibt ein paar Hinweise, die ich aufschnappen konnte. Sie wurden angeblich durch dein Land gebracht und dann auf ein Schiff getrieben. Wohin sie dann fuhren, weiß ich allerdings nicht."

Kateryna - Die Reise des Protektors Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt