一
Leicht benebelt reibt sich das junge Mädchen den letzten Schlaf aus den Augen. Bis eben war sie tief und fest in ihrer Traumwelt versunken und das obwohl ihr Körper unbequem auf hartem Boden lag. Ihr ganzer Körper, ausgenommen von ihrem Kopf.
Bei diesem Gedanken drehte sie ihren Blick zu der Stelle, an der ihr Kopf gelegen hatte. Verblüfft sah sie zu einer kleinen, schleimigen Kreatur herunter, auf der sie wohl genächtigt hatte. So weit man das beurteilen konnte, sah dieser kleine blaue Schleim interessiert zu ihr herauf.
Sollten Schleime nicht eigentlich stumpfe, willenlose Wesen sein? Wieso war er dann unter Ihrem Kopf gewesen und hat ihr so eine Möglichkeit zum Komfort geboten?
"Hallo, wie bist du hierher gekommen?" Die plötzlichen Worte des Schleimes ließ sie für einen kurzen Moment zusammenzucken. Damit hatte sie ganz sicher nicht gerechnet.Nachdenklich, hatte das Mädchen den Kopf zur Seite geneigt und begann über die Worte des Schleims nachzudenken. Es war eine berechtigte Frage, doch wenn sie ehrlich war, kannte sie die Antwort nicht.
"Nunja..." Sie begann zu sprechen, schreckte aber kurz danach vor ihrer eigenen Stimme zurück. Zwar fehlten ihr jegliche Erinnerungen, doch, dass selbst ihre eigene Stimme so fremd klingen würde, war äußerst befremdlich. "Ich denke, das weiß ich nicht.", gab sie unsicher zu.
Sie war verblüfft vom Klang ihrer eigenen Stimme. Sie hatte etwas angenehmes, zartes, wenn auch sehr zerbrechliches.
Flüchtig gelangt ihr Blick durch die dunkle Höhle, in der sie aufgewacht ist. In dem gebrochenen Licht, gespendet durch hell leuchtende Kristalle, die an einigen Ecken der Höhle zu gedeihen schienen, erkannte sie nur einige weitere Abzweigungen, die diesen kleinen Raum verbinden und zugleich dazu verleiten, sich in einem Gewirr aus Gängen zu verlieren.
Ihr Blick findet zurück zu dem kleinen Schleim, der sie bisher nur beobachtet hatte. Es wäre wohl eine dumme Idee, die Gegenfrage zu stellen, wie er selbst hierher gekommen war. Es könnte sein, dass er bewusst hierher gekommen war, oder sogar hier aufwuchs. Es kann immerhin nicht jeder ohne jegliche Erinnerungen in einer dunklen Höhle aufwachen.
Währenddessen ging der Schleim seinen ganz eigenen Gedanken nach. Er hatte schon einige Tage in diesen Höhlen verbracht und war an dieser Stelle schon des Öfteren vorbei gekommen. Doch vor einigen Stunden tauchte dieses Mädchen aus dem Nichts auf. Ihren hilflosen Blicken nach zu urteilen war sie nicht von allein, oder zumindest bewusst hierher gekommen, noch weiß sie, wie man diesen Höhlen entkommen kann.
Seine Gedanken kommen zu der Idee, dass auch sie, genau wie er vor einigen Tagen, in diese Welt wiedergeboren wurde, doch er würde nicht leichtsinnig fragen, sonst würde sie ihn noch für verrückt halten. Sie war die erste Person, die er seit seiner Wiedergeburt zu Gesicht bekam und dann auch noch ein Mensch. Nunja, mit einem flüchtigen Blick zu ihren Ohren, könnte man diesen Gedanken wohl korrigieren. Jedenfalls wollte er es sich mit diesem Mädchen nicht bereits beim ersten Treffen verscherzen.
Erneut zog der Schleim ihre Aufmerksamkeit auf sich: "Würdest du mir deinen Namen verraten?" Dabei verzog das Mädchen erneut für einen kurzen Moment das Gesicht, als würde sie ernsthaft über die Antwort nachdenken. Doch sie war ehrlich, auch diese Antwort konnte sie nicht geben.
Niedergeschlagen sah sie zu Boden und presste ihre Lippen zu einem Strich zusammen. Dem Schleim genügte das als Antwort, als er ein verstehendes Summen von sich gab. "Du kannst dich also an nichts erinnern." Sprach er die unausgesprochenen Worte laut aus.
Das Mädchen nickte nur in einer leichten Bewegung, als ihr einige ihrer Strähnen ins Gesicht fielen, was an sich nichts besonderes war, wäre da nicht diese wahrlich außergewöhnliche Farbe. Nunja, wenn man es dann eine Farbe nennen könnte. Ehrfürchtig nahm sie einige Ihrer Strähnen zwischen die Finger und beobachtete ihre weißen Haare, die in leichten Wellen über ihre Schulter fielen. In ihrer noch immer sitzenden Position streiften ihre Haare sogar beinahe den Boden.
Die verwirrten Blicke den Schleims ignorierend, richtet sich das Mädchen auf und eilt in vorsichtigen Schritten zu einem der nahegelegenen Erze, in der sie sogleich ihr Spiegelbild betrachten konnte.
Ehrfürchtig fuhr die Weißhaarige in einer zarten Bewegung über das eigene Gesicht, das ihr zugleich doch so fremd vorkam. Ihre Haut war makellos und so hell, dass man sie nur in wenigen Kulturen als Schönheitsideal betrachten könnte. Ihr weißes Haar, das selbst bei nur diesem wenigen Licht beinahe wie flüssiges Silber wirkt, umrahmen im Zentrum ihres Gesichts hervorstechend goldene Irden. Sie wirkte beinahe wie eine Puppe.
Doch als wären diese auffälligen Merkmale nicht genug, gab es eine Sache, die noch um einiges mehr ins Auge stach. Es waren diese überaus auffälligen und alles andere als dezenten spitzen Ohren.
Auch an ihnen fuhren ihre Finger entlang, als könnten sie angeklebt sein. Der Schauer, der sie bei der Berührung erfasste, verriet ihr jedoch das Gegenteil. Nicht nur, dass sie diese Berührung ganz deutlich spüren konnte, dazu schien sie an ihren Ohren besonders sensibel zu reagieren.
Durch ein Räuspern dreht sich die Weißhaarige wieder zum Schleim um. Wie es aussah, hatte er ihre Bewegungen genauestens beobachtet. Was er sich bei ihren komischen Handlungen denken muss, möchte die Weißhaarige gar nicht so genau wissen. Kann ein Schleim überhaupt so weit denken? Nunja, generell scheint sich dieser Schleim sehr von anderen zu unterscheiden. Nicht, dass sie in Erinnerung hatte, schon mal einem begegnet zu sein.
"Sagen Sie Mr. Schleim, kennen Sie den Ausgang dieser Höhlen?" Sie kam sich bei dieser Anrede etwas dämlich vor, aber lieber würde sie diesen Schleim zu höflich, statt unhöflich ansprechen.
Sie konnte beobachten, wie der Angesprochene unbeholfen auf seiner aktuellen Position umher rutscht. Sie fand diesen Anblick hinreißend.
"Nunja.. Das ist ein Problem, mit dem ich aktuell selbst noch zu kämpfen habe.", gibt er kleinlaut zu. Das war zwar keine gute Nachricht, aber sie konnte sich zumindest darüber freuen, dass auch er einen Weg aus diesen Höhlen suchte.
Ganz so, als hätte er ihre Gedanken lesen können, begann er erneut zu sprechen: "Aber wenn du möchtest, können wir uns gemeinsam auf die Suche begeben." Diese Worte wirken für das Mädchen wie Balsam für die eigene Seele und so atmet sie erleichtert aus. "Sehr gerne"...'', antwortet sie, ohne zu zögern.Als würde vor ihr ihr Lebensretter höchstpersönlich stehen, schenkt die Weißhaarige den Schleim das wärmste Lächeln, das ihr möglich ist. Und das hatte offensichtlich seine Wirkung, denn auch wenn sie es nicht für möglich gehalten hatte, begann sich auf dem blauen Schleim eine kaum sichtbare Röte auf den Wangen zu bilden.
*
Ich kann dich spüren, kleine Sylphe.
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TenSura - Charmed to Fail
FanfictionAls die Letzte deiner Art, ist der Ärger auf dieser Welt praktisch schon vorprogrammiert. Und so ziehst du schon von Anfang an die Blicke auf dich, sei es von Drachen, Menschen, Monstern oder Dämonen. Sie werden dich finden, sie werden dich holen...