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Der Atem der Sylphe stockt, als sie beobachtet, wie unzählige Wölfe mit furchterregendem Knurren näherkommen. Auf Rimurus Anweisung hin haben die Goblins noch vor Einbruch der Nacht einen provisorischen Wall errichtet, der jedoch alles andere als schützend war.
Erst als Rimuru begonnen hatte, seine Fäden vor diesem zu spannen, hatte sie den Sinn und Zweck verstanden. Doch das Bild, das sich ihr jetzt bietet, zwingt sie dazu, die Augen zusammenzukneifen.
Der Wald, der selbst am helllichten Tag Idylle und Frieden ausgestrahlt hatte, war nun vom Blut der Wölfe rot gefärbt. Auf den Befehl ihres Anführers stürmen sie in Richtung der Goblins hinter dem Wall, werden jedoch von Rimurus leicht zu übersehenden Stahlfäden mit tödlicher Wirkung zurückgehalten.
Die weißhaarige Frau zuckt zusammen, als sich kleine Hände um ihre eigenen schließen. Überrascht öffnet sie die Augen und blickt in den freundlichen Blick des Goblins mit dem roten Tuch. "Wenn du möchtest, kannst du auch im Dorf warten", erklärt er kurz.
Sie wirft einen flüchtigen Blick zu Rimuru, der als Einziger vor dem Wall aus Holz steht, und spielt tatsächlich mit dem Gedanken, das Angebot des kleinen Goblins anzunehmen. Doch schließlich schüttelt sie den Kopf. Sie legt ihre Hand auf das rote Tuch auf dem Kopf des Goblins und beginnt, ihn leicht zu tätscheln. "Das wird schon klappen", antwortet sie mit einem dankbaren Lächeln.
Wer wäre sie, sich in solchen Situationen als Rimurus Begleiter zurückzuziehen? Es wird sicher nicht das letzte Mal sein, dass sie diesem Anblick standhalten werden muss. Trotzdem dreht sich ihr Magen um, wenn sie auf die toten Überreste der Wölfe schaut.
Inzwischen ist sich auch der Anführer der Wölfe der Situation bewusst. Ein letztes Mal gibt er ein lautes Heulen von sich, bevor er selbst nach vorne sprintet und die Fäden, die die anderen Wölfe mit Leichtigkeit zurückgehalten haben, mit den Fängen in seinem Maul zerreißt.
Ein letztes Mal macht er einen großen Sprung, ganz klar mit dem Ziel, bei dem kleinen Schleim zu landen, doch bleibt letztendlich auch er, wie eine Fliege im Netz an Rimurus Fäden hängen. "Gefällt dir mein Skill Klebefaden?", enthüllt Rimuru auch noch eine weitere seiner Fähigkeiten, woraufhin der Wolf verärgert knurrt.
Schnell macht Rimuru dem ein Ende, als er mit seinem Skill Wasserschwert den Kopf des Wolfes in nur einem Augenblick von dem Rest des Körpers trennt und wendet sich dann an das verbleibende Rudel: "Hört zu, euer Anführer ist vernichtet. Flieht, oder euch wird es alle allesamt genauso ergehen", verkündet er selbstsicher, doch die Wölfe bleiben an Fleck und Stelle stehen und knurren noch immer bedrohlich.
Als das auch Rimuru bemerkt, verschlingt er mit seinem Skill den Körper des toten Wolfs und verwandelt sich nur einige Augenblicke in seine Form. Amaya erinnert sich, dass Rimuru ihr davon erzählt hatte, dass sobald er einen Gegner verschlingt, er Form und Skills beliebig einsetzen.
Ein ohrenbetäubender Schrei von Rimuru in seiner neuen Form durchdringt den Wald und erfüllt sowohl die Goblins als auch die Weißhaarige mit Angst und Schrecken. Doch die Wölfe bleiben standhaft und verharren in ihrer Position, halten dem einschüchternden Schrei von Rimuru tapfer stand.
Amayas Augen füllen sich mit Trauer bei dem Gedanken, dass die Wölfe lieber sterben als zu fliehen. Nein, nicht noch mehr Tote, geht es ihr immer und immer wieder durch den Kopf, als sie flink durch die hölzerne Barriere schreitet und an Rimuru vorbeigeht.
Einmal fahren ihre Finger durch das weiche Fell seiner neuen Form, als Rimuru ein angenehmer Schauer durchfährt. Die Geste gilt als stille Aufforderung, sie nicht aufzuhalten, und er versteht es. Sie kann sich vorstellen, dass nicht nur die Goblins hinter ihr bei ihrem leichtsinnigen Vorhaben scharf die Luft einziehen, doch der Gedanke, dass dieser Konflikt noch weitere Opfer fordert, zerreißt sie von innen.
In vorsichtigen Schritten schreitet sie auf direktem Weg auf einen der Wölfe zu. Er stand schon vorhin neben dem Anführer und auch das außergewöhnliche Muster seines Fells lässt darauf schließen, dass er der Nachfolger ist.
Das Gold ihrer Irden blickt zielbewusst in die Augen des Wolfes. Nur wenige Schritte entfernt bleibt sie vor den Wölfen stehen, als ihre knurrenden Geräusche beginnen zu verstummen. Kein Wunder, das Auftreten der Weißhaarigen ist immerhin alles andere als furchteinflößend. Auch sie ist sich dieser Tatsache bewusst und das würde sie sich zunutze machen.
Langsam streckt sie die Hand nach vorne und beobachtet die aufmerksamen Augen des Wolfs, der jede ihrer Bewegungen verfolgt. "Einen Platz im Jura Wald", beginnt sie zu reden, als ihre Hände sich immer weiter dem Fell des Wolfs nähern, "das ist es doch, wieso ihr hier seid, nicht wahr?"
Die Aufmerksamkeit der Wölfe ist geweckt und so streckt er neugierig den Kopf in die Richtung der Weißhaarigen, als sie im selben Moment ihre Hand auf diesem niederlässt. Kurz hält sie inne, blickt auf seine scharfen Reißzähne, die noch immer zu sehen waren und jeden Moment nach ihr schnappen können. Das innere Zögern wirft sie schnell ab und fasst ihren letzten Mut zusammen: "Dann lebt an unserer Seite. Dort werdet ihr unumstritten sein."
Nur als beiläufige Bemerkung hatte Rimuru vor einigen Stunden noch scherzhaft gesagt, dass das Beste wohl wäre, die Angreifer auf die eigene Seite zu bringen. Doch für Amaya waren diese Worte alles andere als beiläufig. Immer wieder waren ihr diese Bemerkungen durch den Kopf gegangen, und wenn sie damit helfen konnte, diese Idee in die Tat umzusetzen, würde sie alles daran setzen.
Wie auch schon bei Veldora, ist es für sie wie eine Art natürlicher Instinkt, abschätzen zu können, inwieweit der Gegenüber feindlich gesinnt ist und das Talent die Wesen dabei auf ihre eigene Seite zu bringen, spielt der Weißhaarigen nur allzu gut in die Karten. Das dient wohl als eine Art Schutz, um das eigene Fortbestehen zu sichern.
Noch einen weiteren Augenblick gibt sich der Wolf den zarten Berührungen der Hand auf seinem Fell hin, bevor er, gefolgt vom Rest des Rudels, an Amaya vorbei tritt und vor Rimuru demütig zu Boden geht: "Wir werden euch folgen."
Etwas überfordert verwandelt sich der Schleim zurück in seine ursprüngliche Form, als im selben Moment die Goblins anfangen zu jubeln. Der Kampf um den Platz im Wald war beendet, und das sogar mit einer friedlichen Lösung.
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TenSura - Charmed to Fail
FanfictionAls die Letzte deiner Art, ist der Ärger auf dieser Welt praktisch schon vorprogrammiert. Und so ziehst du schon von Anfang an die Blicke auf dich, sei es von Drachen, Menschen, Monstern oder Dämonen. Sie werden dich finden, sie werden dich holen...