Geduscht, mit ihrer Jeans und immer noch einen von Kierons Pullovern ausgestattet, saß sie nun wartend am Fußende der Treppe. Kieron hatte mehrfach versucht, sie zu überreden, noch mit ihm in sein Zimmer zu gehen und dort auf Nathalia zu warten, aber wie nett seine Gastfreundschaft auch bisher gewesen sein mag, sie mochte ihn nicht und das würde sich wahrscheinlich auch nicht mehr ändern. Nachdem sie sich geduscht hatte, beziehungsweise versucht hatte, sich irgendwie lebendig zumachen, hatte sie sich nur ihr Handy geschnappt und sich nach unten gesetzt. Ihr T-Shirt konnte sie sowieso wegschmeißen, selbst wenn sie es waschen würde, würde ihr der Geruch des Erbrochenen wahrscheinlich niemals aus der Nase gehen. Das brauchte sie also gar nicht erst mitnehmen. Mehr hatte sie auch gar nicht bei sich, weshalb sie einfach darauf hoffte, dass ihre Handtasche, die alle ihre Wertgegenstände, wie Portmonee, Schlüssel und anderes beinhaltete, gut bei Nathalia aufgehoben war. Erneut sah sie angespannt auf ihr Handy. Nathalias Anruf war nun fast eineinhalb Stunden her und sie hoffte einfach, dass ihre beste Freundin in wenigen Minuten hier aufkreuzen würde, sie mit zu ihrem Stamm-Café nehmen würde, wo bestimmt rauskommen würde, dass alles halb so dramatisch war wie Kieron und Nathalia es darstellten.
Wie der Zufall es so wollte, klingelte es an der Tür, als Aza genau diesen Gedankengang verfolgte, während der Kloß in ihrem Hals anstieg. Die Panik, dass es eben doch so dramatisch war, wie es wirkte, war zurückgekehrt. Sie wusste, sobald sie ins Auto stieg, würde es ernst werden. Mühsam, da ihr gesamter Körper sich immer noch gerädert anfühlte, stand sie von der Treppe auf, um die Tür zu öffnen. Sie war sich nicht sicher ob sie hoch rufen sollte, dass sie gehen würde, entschied sich aber dagegen. Kieron würde schon merken, dass sie gegangen war, außerdem wollte sie so schnell wie möglich raus aus diesem Haus, an das sie so schreckliche Erinnerungen hatte.
Also riss sie die Tür auf, setzte ihre Füße sofortig nach draußen und schloss die Tür genauso schnell, wie sie sie geöffnet hatte. Dann erst sah sie ihre Freundin an, welche genauso perfekt aussah wie immer. Man könnte meinen, es war ein Tag wie immer, wenn man sie so ansah. Ihre langen blonden Haaren, lagen perfekt glatt und strahlend auf ihren Schultern, ihre Haut war fast genauso strahlend und rein, kein einziger Pickel war zu sehen. Auch ihre Augenringe waren nur zu erahnen und ein unwissender würde niemals darauf kommen, dass dieses Mädchen genauso gefeiert hatte, wie sie selbst. Nathalia presste sie unverzüglich an sich, als sie Aza ansah und drückte ihre Lippen auf ihren Haaransatz, den sie ohne Probleme erreichen konnte, da sie gut 10cm größer war, als die schwarz Haarige. Alleine durch diese kleine Geste, schossen Aza Tränen in die Augen und es fühlte sich als würde ihre gesamten Staudämme auseinander brechen. Sie fing zu heulen wie ein Schlosshund. „Bitte, sag mir was passiert ist, ich halte es nicht mehr aus", versuchte sie, aus sich heraus zupressen, während Schluchzer ihren Mund verließen. Mit einem Blick nach oben in Nathalias bemitleidenden Augen fügte sie hinzu, „Wirklich, ich ertrage jetzt diese Spannung nicht. So schlimm wird es schon nicht sein" Sie versuchte sich an einem leichten Lächeln, um die Atmosphäre aufzuheitern, obwohl sie spürte, dass es doch genauso schlimm sein wird. Die Blonde berichtete, dass Azas Mutter ihr bereits geschrieben hatte, dass sie bei ihrem Freund sein würde, weshalb sie vorhatte, zu Aza nach Hause zu fahren. Nathalia, legte ihren Arm um ihre Schulter und zwang sie somit, ihrem Schritt zu folgen, zu ihrem nagelneuen BMW. „Wie immer.", antwortete Aza nur kraftlos, sie hatte keine Energie, um sich jetzt mal wieder darüber aufzuregen, dass ihre Mutter sich nicht auch nur einen Funken um sie sorgte.
Jedes Mal, wenn sie sich in Nathalias Auto setzte, fühlte sie sich, wie fast in jedem Moment ihres Lebens, fehl am Platz. Ihre langen schwarzen Haare, ihre Klamotten. Nichts davon passte zu den neuen weißen Lederpolstern. Nathalia war genau das Gegenteil von ihr. Sie hatte perfekte Eltern, zwar sehr streng, aber genau so wunderschön wie ihre beste Freundin, hatte ein perfektes Haus und ja selbst einen perfekten Bruder. Die Familie war als Nathalia noch klein war, aus Russland ausgewandert, da ihr Vater, Artjom, ein ziemlich hohes Tier in einer IT-Firma war, welche damals expandieren wollte. Dadurch hatten sie auch ziemlich viel Kohle und einen ziemlich hohen Anspruch an ihre beiden Kinder, Nathalia und Andrej. Die beiden konnten aber augenscheinlich den Ansprüchen gerecht werden, bis auf, dass Nathalia sich die meisten Abende heimlich rausschlich, um feiern zugehen. Ihre Intelligenz war aber so hoch, dass nicht mal ihre außerordentlichen Schulnoten, davon zu spüren bekamen, womit ihr Geheimnis auch eins blieb.
DU LIEST GERADE
Kiss me hard before you go
RomanceDie schüchterne Aza, auf den Boden der Tatsachen gerissen und von ihrem Freund verlassen, streift mit ihrer besten Freundin, mit Alkohol in den Adern, durch die Straßen, dem Versuch hinterherjagend, den Schmerz für einige Minuten zu verdrängen. Bis...