34. Flucht

27 7 17
                                    

Die Sonne war bereits seit Stunden untergegangen und die abertausend Sterne über ihnen aufgegangen, da erst hielt Evîher Mondschatten an und benannte eine kleine Lichtung inmitten eines dichten Waldstückes zum Nachtlager.

„Wir rasten hier. Auch morgen haben wir einen anstrengenden Tag vor uns." In Lhunîas Augen sah Jennifer Erleichterung, Ivars Miene hingegen war versteinert. Versteinert vor Anspannung. Was wohl gerade in seinem Kopf vorging?

„Iss' etwas, Ghenéwer. Du siehst blass aus", riss Lhunîa Jennifer aus ihren Gedanken und sie nickte und bemühte sich um ein Lächeln.

„Ich bin etwas aufgeregt, Lhunîa. Nur noch wenige Tage und wir werden das Schloss erreichen." Lhunîas Miene erhellte sich und ihre Lippen verzogen sich zu einem Lächeln.

„Ich kann dir versprechen, es wird dir gefallen. Es ist tausendmal schöner als die Schlösser in eurer Welt. Und es ist viele Male heller, prächtiger und größer als das Schloss der Dunkelelfen." Lhunîa seufzte tief und begann damit, ihr Lager zu umrunden und die magischen Formeln aufzusagen, die Jennifer bereits unzählige Male gehört hatte. Danach setzte sie sich auf den Boden und teilte mit Jennifer und Evîher die Vorräte, während dieser Ivar an einen Baum gefesselt hatte.

„Ich vermisse unser Zuhause", flüsterte Lhunîa. „Wie lange träume ich schon davon, in meinem warmen, bequemen Bett zu schlafen." Jennifer glaubte ihr nur zu gerne. Ein Bett frei von kratzigen Ästen, Waldtieren und Ungeziefer, fügte sie in den Gedanken hinzu. Frei, von Geräuschen, die sie nachts unter freiem Himmel aufschrecken ließen. Sie war immer heilfroh gewesen, wenn sie durch die Nacht geritten waren und sie am Tag schlafen konnte. So hatte sie immer jemanden um sich herum und war sicher auf ihrem Pferd. Doch hier war das anders. Hier waren die Geräusche noch seltsamer, noch fremder, noch bedrohlicher.

Dann war da auch noch dieser gefährliche Verfolger, der ihnen auflauerte. Ungesehen und ungehört.

Und Jennifer musste dafür sorgen, dass es dabei blieb. Nur so lange, bis sich für Ivar eine Fluchtmöglichkeit ergab. Sie musste versuchen, Lhunîa und Evîher abzulenken. Sie mit einem Thema beschäftigen, das sie sorglos werden ließ. Unaufmerksam. Sie selbst lauschte tief in die Nacht hinein, doch außer einem seltsamen Rauschen, das von den Bäumen zu kommen schien, hörte sie nichts Ungewöhnliches.

„Sie unterhalten sich wieder", sagte Evîher, ein seltenes Lächeln auf seinen Lippen. Ein Lächeln, dass sie nicht kannte. „Oh, wie habe ich das vermisst. Leise säuseln sie ins Ohr und du schläfst sanft ein." Jennifer blickte ihn verwirrt an.

„Wer unterhält sich wieder?"

„Na die Bäume. Hörst du ihr sanftes Flüstern und das gleichmäßige Säuseln nicht?" Jennifer lauschte erneut. Es war unheimlich. Sehr unheimlich sogar, jetzt, wo sie darauf achtete. Überall um sie herum knackten Äste und dieses unheimliche Säuseln schien in ihren Kopf einzudringen. Nein. In dieser Nacht würde sie nur schwer schlafen können.

„Lhunîa, übernimmst du die erste Wache?" Lhunîa nickte stumm. Evîher versorgte die Pferde, bereitete sich sein Nachtlager neben Ivar, dann wickelte er sich fest in seinen Elfenmantel und wurde still.

Eine Weile sprach niemand, dann begann Jennifer Lhunîa in kleinere Gespräche über das Leben am Hof zu verwickeln, die Lhunîa sichtlich gefielen. Zwar ließ sie sich nicht völlig von ihrer Wache ablenken, aber sie schenkte ihr zumindest einen Teil ihrer Aufmerksamkeit.

Während sie redeten, verlief die Nacht ruhig. Nur dann und wann hörte Jennifer einen Wolf in der Ferne heulen. Jedes Mal zuckte sie zusammen. Jennifers Ohren schienen hier in Weltenende viel mehr zu hören, als zuvor. Was hätte sie nur dafür gegeben, in dieser Nacht vorübergehend taub zu sein. Die Geräusche um sie herum machten ihr etwas Angst. Doch Lhunîa und Ivar schienen sie zu genießen. Sie waren beide hellwach und lauschten.

Weltenende: Die verlorene PrinzessinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt