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Thisbe hatte Schläfen, auf denen Sternenbahnen verliefen, die sich kräuselten, wenn sie blinzelte oder sich hoben, wenn sie den Mund im Staunen öffnete und ebendies passierte oft, denn Thisbe war eine Staunerin. Und nicht weniger brachte sie mich immerwieder zum Einhalten, mit all den funkelnden Lichtern, mit denen sie genäht war, so vertraut wie die unterstrichenen Passagen meiner Lieblingsbücher, aus denen ich ihr hin und wieder vorlas.

Es war nicht lange, nachdem ich Thisbe zum ersten Mal gesehen hatte, dass ich sie erneut antraf. Wieder saß sie unter dem Maulbeerbaum mit den weißen Früchten, eingehüllt in silbernen Schimmer: eine Gestalt irgendwo zwischen Geist, Wind und Mädchen.

Diesmal war ihr Gesicht dem meinen zugewandt, ihre dunklen Augen funkelnd, als sie auf die meinen trafen und der zarte Mund in Überraschung geöffnet.

»Wie oft habe ich durch diesen Spalt geblickt und mir gewünscht, mir sähe jemand entgegen«, rief sie und ihre Stimme war schäumend wie die See, wenn sie am Morgen rundgeschliffene Kiesel an die Küste schwemmte: zart und doch bestimmt in fester Sicherheit. Thisbes Worte bebten und sie wuschen mich mit sich fort.

Ich schwieg nur überrascht, Thisbe lächelte und dann trat sie näher an den Spalt heran: gerade groß genug, um ihr Gesicht zu offenbaren und ich tat es ihr gleich, bis wir uns gegenüberstanden: Stille nur durchbrochen von dem späten Summen der Hummeln an den Wiesenblumen und dem heimlichen Knistern der wachsenden Sträucher in unseren Gärten.

Anfangs sollte ich vor Thisbes Wesen scheu zurückschrecken, auf ihre Fragen und Gedanken nur schüchterne Worte entgegnen, doch später sollte ich erkennen, dass sich das andere Mädchen las wie ein Lied, dessen Noten ich auswendig kannte: eine Melodie, die mich gänzlich in sich aufnahm.

glühwürmchen in gläsern Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt