KAPITEL ACHT
"When the time comes on the last day
When they start to come down will you just
Will you run away? Will you run away?
And let it all rain down from the blood stained clouds?"(daughter - shallows)
Sommer 2020
Die Kombination aus acht Stunden Arbeit und Wetter – schwül und warm, die Luft so schwer, als würde sie ihn ersticken wollen – ließ Tims Kopf dröhnen, als er endlich mit seiner Schicht fertig war. Er brauchte Schlaf. Oder Urlaub. Beides war nicht im Rahmen seiner Möglichkeiten, doch der Feierabend allein reichte bereits: Seine Kopfschmerzen ebbten ab, als er den Supermarkt verließ und sein Blick über den Parkplatz schweifte. Und zu dem Blondschopf, der mit verschränkten Armen gegen eine Straßenlaterne lehnte. In einer Hand hielt er eine Plastiktüte.
Obwohl die Sonne noch nicht untergegangen war – Es war später Abend, aber die Tage würden länger und länger; in den zwei Wochen seit dem Gespräch mit Oskar war der Sonnenuntergang um gefühlte Stunden nach hinten gerückt –, war die Laterne bereits angesprungen. Vielleicht, weil der Himmel mit dunklen Wolken verhangen war? Aber selbst unter diesen Umständen erschien es um unsinnig; es war hell genug. Das Licht sorgte jedoch dafür, dass Stegi auf dem ausgestorbenen Parkplatz herausstach, beleuchtet wie auf seiner eigenen Bühne.
Als er Tim sah, winkte er mit einem breiten Lächeln. „Endlich!", rief er ihm zu. „Ich hab schon angefangen, Staub anzusetzen!"
Tim warf einen kurzen Blick auf sein Handy – 21:04. „Es sind vier Minuten nach Schichtende", sagte er, „vier Minuten."
„Vier Minuten zu lange." Stegi küsste ihn, und es ließ die letzten Überreste von Tims Kopfschmerzen wegschmelzen. Er lehnte sich für einige Augenblicke länger als notwendig in den Kuss, aber sie standen immer noch auf dem Parkplatz seines Arbeitgebers, also unterbrach er ihn nach einigen Sekunden. „Wie war die Arbeit?", fragte Stegi.
Tim zuckte mit den Schultern. „Nix besonderes", sagte er. „Hauptsächlich will ich schlafen. Für die nächsten 72 Stunden oder so."
„Pech gehabt", entgegnete Stegi und hielt die Plastiktüte hoch. Auf die Seite war das Logo eines ihrer Lieblingsrestaurants gedruckt, das an den meisten Tagen außerhalb ihres Budgets lag. „Ich hab schon andere Pläne für uns."
„Darum wolltest du mich unbedingt von der Arbeit abholen?"
„Ganz recht", erwiderte Stegi und griff nach Tims Hand. „Wir gehen picknicken."
Tim warf einen Blick in die Tüte hinein. Sushi. „Es ist sehr spät für ein Picknick."
„Mitternachtspicknick. Es wird doch heute Nacht eh nicht kalt." Stegi zog an Tims Hand, um ihn zum Mitkommen zu bewegen, und Tim fügte sich seinem Schicksal und folgte ihm den Parkplatz hinab. „Ich dachte, wir können zu diesem Ort gehen, von dem du mir erzählt hast. Diesem Felsen? Am Stadtrand?"
„Dann läufst du aber in die ganz falsche Richtung."
Stegi ließ seine Hand los und breitete die Arme aus. Die Plastiktüte schaukelte bei dem Manöver gefährlich, aber nichts fiel heraus. „Dann führ mich."
Ohne ein weiteres Wort hielt Tim wieder Stegis Hand, nahm ihm die Plastiktüte ab, und machte kehrt, um in die entgegengesetzte Richtung zu gehen. Sie schritten Hand in Hand durch die schweigende Stadt. Die Gegend um den Supermarkt herum war sonst belebter; nur ein paar Blöcke weiter befanden sich einige Clubs, die die Jugend der Stadt anzogen wie Motten zum Licht. Jedenfalls in normalen Zeiten – Jetzt waren die Straßen ausgestorben.
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Punkt Nemo [Stexpert]
FanfictionTim und Stegis Fernbeziehung läuft den Umständen entsprechend gut - Und das seit mehr als drei Jahren. Aber mit dem Beginn der Pandemie muss Tim nicht nur das ewige Vermissen aushalten, sondern das Leben selbst ist darauf bedacht, ihm zu beweisen, w...