Hecktisch schaue in alle Himmelsrichtungen, bis ich mir sicher bin, dass ich hier eine Weile ohne Gefahr ausruhen kann. Ich lehne mich gegen einen Baum und warte bis mein Atem ruhiger wird. Dann nehme ich meinen Bogen in die Hand und betrachte weiter die Umgebung, nach einem guten Ziel suchend. Ein paar Meter weiter entfernt finde ich es schließlich: ein etwas pummeliger Vogel, der auf dem Boden nach Nahrung sucht. Ich spanne die Sehne nach hinten, nehme mir einen Pfeil und ziele. Der Vogel gibt keinen Laut von sich als der Pfeil sich in seinen Körper bohrt. Gut.
Es wäre gefährlich jetzt noch zu bleiben, ein Feuer zu machen und den Vogel schließlich zu essen. Das würde zu lange dauern. Ich sollte mich lieber darauf konzentrieren meine Gruppe wiederzufinden. Zwar passiert das schon ziemlich oft, weil ich mich zum Jagen immer ziemlich weit von den anderen entferne... Da kann es schon mal passieren dass ich die Gruppe verliere, denn der Wald ist riesig. Ich kenne ihn bis heute noch nicht ganz. Natürlich könnte ich mit der Gruppe zusammen jagen, aber ich kann das einfach nicht, beim Jagen gibt es nur mich, den Bogen und das Ziel. Für mehr ist einfach kein Platz.
Ich laufe eine Weile, spitze meine Augen und Ohren. Haben sie vielleicht schon ein Feuer angemacht? Hoffe ich. Steigt irgendwo Rauch auf? Nein, ich sehe nichts. Sind irgendwo Stimmen oder Schritte zu vernehmen? Nein, selbst wenn sie nicht weit von mir entfernt vorbei gehen würden, könnte ich sie wahrscheinlich nicht hören, lautloses Gehen oder Rennen wurde uns schon früh von Craig beigebracht.
Besser wäre es gewesen ich wäre zurückgegangen und hätte versucht die Stelle wiederzufinden an der wir uns getrennt haben. Um besseren Überblick zu haben klettere ich auf einen Baum. Ganz weit in der Ferne erkenne ich die Häuser der Stadt, die bis in den Himmel emporragen.
Meistens halten wir uns mehr in der Nähe der Stadt auf. Es ist nur ein klitzekleiner Funken Hoffnung, der mich dazu bringt in Richtung Stadt weiter zu marschieren. Vielleicht sind sie ja wirklich da. Als ich einige Zeit gelaufen bin höre ich etwas. Schnell stelle ich mich hinter einen Baum. Schritte kommen auf mich zu. Sorglos und unaufmerksam. Ich höre das Knacken der Zweige, die unter dem Gewicht ihrer Füße zerbrechen. „...hast Recht. Wir brauchen eine neue Unterkunft. Irgendeinen Platz wo wir schlafen können. Aber wo denn bitte schön?" sagt die Stimme eines jüngeren Mannes. Ein anderer Clan. Die werden mit Sicherheit nur ein paar Tage überleben. Manchmal schließen sich ein paar junge, unerfahrene Leute zusammen und wollen einen eigenen Clan gründen, weil sie denken dass sie es besser können. Meistens bringt der Clan sie wieder zu Vernunft, aber es gibt ein paar ganz starrköpfige, die einfach nicht einsehen wollen, dass sie zusammen bessere Überlebenschancen haben.
„Ach, ich habe von Höhlen gehört, die östlich von der Stadt liegen sollen..." ruft eine Frauenstimme und ich zucke unwillkürlich zusammen. Selbst wenn ich mich todsicher fühlen würde, ich würde trotzdem niemals so rum brüllen. Der Mann bleibt stehen. Ich kann es an seinen Schrittgeräuschen hören, die abrupt enden. „Und wenn es nicht stimmt? Woher hast du das denn jetzt überhaupt wieder?" Die Frau geht weiter. „Na ich habe bei meinem morgendlichen Spaziergang einen anderen Clan getroffen, der schien ganz aufgeregt, sie wollten auch unbedingt weiter um noch rechtzeitig zu den Höhlen zu kommen." Ich kann mich gerade noch so beherrschen, fast wäre ich aus meinem Versteck gesprungen, hätte mir gegen die Stirn geschlagen und hätte „Wie doof bist du eigentlich?!" geschrien. Zwar gehen die Clans nicht aufeinander los oder so, wir leben eigentlich recht friedlich zusammen, noch mehr Kämpfe können wir nun wirklich nicht gebrauchen. Aber jeder macht mehr so sein eigenes Ding, solche Tipps gegenseitig austauschen macht man einfach nicht. Es ist sehr, sehr wahrscheinlich, eigentlich sogar unausschließbar, dass das einfach nur eine Lüge war, es kann gar nichts anderes gewesen sein. Auch die Stimme des Mannes klingt skeptisch. „Und woher willst du wissen dass das nicht gelogen ist?" Plötzlich ertönt eine andere genervte Stimme. „Man, das ist doch egal. Lasst uns das Risiko einfach eingehen und wenn sich herausstellt dass das wirklich ein kompletter Haufen Scheiße war, auch gut, dann wird's eben nix. Fangen wir halt noch mal von vorn an. Aber nur in der Gegend rum zu latschen bringt's auch nicht." Ein kurzes Schweigen. Ich kann es nicht ganz einordnen, aber ich glaube dass genickt wird. Dann ertönt gemurmeltes. „Ja kommt." „Haben ja keine andere Wahl." „Was anderes bleibt uns nicht übrig." „Scheiß doch drauf." Dann ertönt wieder die jetzt nicht mehr so genervte Stimme und sagt: „Ok, dann können wir ja losgehen, die Mehrheit ist dafür." Schritte stampfen über den Waldboden und ich kann nur fassungslos den Kopf schütteln. Die rennen in ihr Verderben, na ja Survival of the Cleverest. Kann man nichts machen.
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Lüge // On Hold
Science FictionEine Stadt der Zukunft. Perfekt, ohne Fehler, alles ist schon erfunden, die Menschen leben in Frieden und Einklang. Carlie Hill ist eine von ihnen, ein ganz normales Mädchen, das in der Einheit 048 lebt. Bis sie etwas erfährt, ein Geheimnis, das die...