Fünf Minuten

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Die Überlebenszeit hier draußen liegt im Durchschnitt bei fünf Minuten. Die meisten haut es nach genau zwei um. Ich habe das Glück bisher vier zählen zu können. Sieben Minuten sollen schon mal vorkommen, aber drüber sehe ich rot. Eigentlich schafft es keiner.

Ich suche Schutz hinter einer alten, schweren Metalltüre und bete, dass sie Stand hält. Hinter mir höre ich Rufe, Schreie. Ich kann sie nicht einordnen, mein Blut pumpt in meinem Kopf. Ich muss einen kühlen Kopf bewahren, sonst bin ich schnell am Ende. Weitere dreißig Sekunden geschafft. Bald den Durchschnitt.

Ich halte mein Gewehr in den Händen, als würde mein Leben davon abhängen. Was es eigentlich auch tut. Eine Kugel rammt die eiserne Tür und ich sehe nicht einmal einen Kratzer. Wenigstens etwas. Ich überlege, was ich als nächstes als Deckung benutzen kann, ohne gesehen zu werden. Mir fällt ein Container auf, der sich ungefähr zwanzig Meter links von mir befindet. Darauf zuzurennen wäre riskant, leichtsinnig, wenn ich mir meine Situation vor Augen führe. Sehr schlechte Idee. Sonst stehen ein paar Bäume herum, nicht sehr dicht.

Ich überlege fieberhaft, während sich schnelle Schritte in meine Richtung bewegen. Vor mir kann ich niemanden sehen. Kurzerhand schieße ich an den Bäumen vorbei und hoffe inständig, dass sie mich nicht erreichen. Der Durchschnitt ist erreicht.

Mit einem weiten Sprung springe ich hinter den blauen, angerosteten Container, bereit zu schießen. Ich höre, wie Menschen sich Befehle zurufen. Sie suchen mich. Bloß keinen Laut von mir geben. Ich halte den Atem an und klammere meine Hände um das Gewehr. Das Metall, das von der Sonne erwärmt wurde, drückt sich in meine Hände. Ich wage es nicht nach hinten zu sehen. Ich steuere auf die sechs Minuten zu.

Eigentlich könnte ich meine Deckung aufgeben und den Mist zu Ende bringen. Sterben muss ich sowieso. Ich lasse diesem Gedanken keinen Platz und schüttle den Kopf. Nichts da, ich werde überleben, auch wenn die Chancen gleich null stehen. Irgendeinen Ausweg muss es doch aus diesem Irrsinn geben.

Ich höre jemanden, der sich verdächtig meinem Container nähert. Ich presse meinen Körper gegen die blaue Wand und warte ab. Sechs Minuten sind erreicht. Ich halte mein Gewehr bereit. Ohne Vorwarnung schnellt ein Mann um die Ecke, die Pistole auf mich gerichtet. Bevor er abdrücken kann, habe ich schon eine Kugel in seiner Brust versengt. Er klappt mit einem dumpfen Schlag auf den Boden. Weitere Männer nähern sich. Ich drehe mich um und laufe über das alte Fabrikgebäude auf ein paar alte Fahrzeuge zu.

Sechs Minuten und dreißig Sekunden. Wird doch immer besser. Ich kauere hinter einem großen Reifen eines großen Baustellenfahrzeugs und überlege, wie ich hier wegkomme. Aus der Richtung, aus der ich gekommen bin, höre ich sich nähernde, holprige Schritte. Rechts von mir sind ein würfelartiges Gebäude und ein steil abfallender Hang. Wahrscheinlich kostet es mich mein Leben, wenn ich mich den Hang hinunterwerfe, aber einen Versuch ist es wert. Was habe ich schon zu verlieren. Ich höre schnelles Getrampel hinter mir und lasse mich am Hang abrollen.

Sieben Minuten. Steine kratzen mein Gesicht auf und das Gewehr drückt sich in meinen Körper. Der Abfall scheint endlos und das letzte, was ich mitkriege, ist Wasser und ein Dutzend abgefeuerte Kugeln.

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