22 | Verlorene Stärke

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Ein Schrei durchdringt die Stille. Unmengen an Sand wurden von einer Druckwelle aufgewirbelt, langsam rieseln seine Körner wieder zurück auf den Boden. Doch der hellbraune Staub nimmt die Sicht. Irgendjemand hustet in der Ferne.

Ganz langsam werden die Schemen der Tribute sichtbar. Wade und Gray wurden von der Druckwelle zu Boden geschleudert und der Zehner ist der erste, der sich wieder aufrichtet. Mit zusammengekniffenen Augen wischt er sich den Staub aus dem Gesicht und drückt die ergatterte Wasserflasche an sich - bevor er davonläuft.

Auch Wade hat sich inzwischen wieder gefangen. Einen Moment lang blickt er auf die Stelle, von der die Explosion gekommen ist. Er scheint abzuwägen, ob noch etwas in die Luft fliegen könnte. Schließlich schnappt er sich sein neues Schwert und stürzt sich aus der Staubwolke hinaus fort vom Füllhorn.

Langsam wird eine weitere Gestalt sichtbar, die am Boden liegt - Yuvan. Mein Herz macht einen Aussetzer. Ist er tot? Der laute Knall war definitiv kein Schlag der Kanone, doch ... was, wenn gleichzeitig seine Kanone ertönt ist und man sie deshalb nicht gehört hat?

Doch zu unserer Erleichterung regt sich plötzlich Yuvans Arm und langsam hebt er seinen Kopf. Einige Sandkörner rieseln von seiner Stirn hinab. Mit zusammengekniffenen Augen blickt er sich um und richtet sich schließlich auf. „Jinia?", ruft er. „Jinia, wo bist du?"

Anstelle einer Antwort hört man nur ein leises Schluchzen. Nein. Liegt sie irgendwo schwer verletzt und wartet auf ihren Tod? Nein, nein, das darf einfach nicht sein! Erstarrt sehe ich dabei zu, wie die Kamera Yuvans Schritten folgt. Er nähert sich immer mehr der Stelle, an der Jinia vor wenigen Sekunden noch saß.

Und schließlich erkennt man eine Gestalt am Boden knien - Jinia. Mein Herz macht einen Sprung, als zu erkennen ist, dass sie nicht verletzt ist. Doch ihr Gesichtsausdruck verheißt nichts gutes. Fassungslos blickt sie auf ihre heftig zitternden Hände und eine einzelne Träne rinnt durch ihr sandüberzogenes Gesicht.

„Was habe ich getan..." flüstert sie kaum merklich und richtet ihren Blick in die Richtung, wo vor wenigen Sekunden noch ihre Kiste stand. Und ganz langsam realisiere ich, was geschehen ist. Und wer tot ist.

In dem Moment, in dem Jinia ihre Kiste geöffnet hat, hat sie gesehen, was sich dort drin befand - Minen. Und sogar noch bevor ihr hat Nate diese gesehen - er wusste genau, was Jinia bevorstand. Und deshalb hat er sich in allerletzter Sekunde auf sie gestürzt und sie aus der Gefahrenzone geschubst. Und dann gingen die Minen hoch und keine Sekunde später gibt es einen Schlag der Kanone. Seinen Schlag der Kanone.

Auch Yuvan scheint Eins und Eins zusammengezählt zu haben, denn seine Augen weiten sich. Er schluckt und dann erhebt er das Wort. „Es ist nicht deine Schuld." flüstert er und beugt sich vorsichtig zu Jinia hinunter. Sanft legt er ihr eine Hand auf die Schulter.

Doch von ihr hört man nur ein leises Wimmern. Den Kopf hat sie zwischen ihren Händen vergraben. „Ich hätte es wissen müssen.", bringt sie hervor. „War doch klar, dass das Zeug bei mir drin war, bei dem Siegerkind! Das größte Drama! Ich ... Ich hätte es wissen müssen! Warum bin ich nicht einfach weggelaufen oder was auch immer? Irgendetwas hätte ich tun können, anstatt einfach nur zu warten!"

Jetzt kullern die Tränen unkontrolliert ihre Hände hinab. „Hast du es nicht gehört? Wer flieht oder die Kiste nicht öffnet, wird umgebracht! Dann wärst du tot!" flößt Yuvan ihr ein.

Jinia hebt ihren Kopf. „Ja - dann wäre es eben so! Dann wär ich eben tot! Aber dann ... wäre Nate es nicht! Er ist für mich gestorben! Er hat mich gerettet, weil ich einfach erstarrt bin!"

Tribute von Panem | Flammendes MeerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt