Nach der Ankunft von Typhon bereitete sich ein Trupp aus fünf Jägern unter der Führung von Alberto auf eine ruhmreiche Jagd mit ihm vor. Der Tyrannovenator war jedoch nicht an diesen Plänen von Reichtümern interessiert und leckte mit seiner Zunge andauernd am Tor seines Käfigs, während eine aufgeregte Miene sich in seinen Augen widerspiegelte.
Was den ahnungslosen Söldnern schon die ganze Zeit entgangen war, war der juvenile Utahraptor, der sich am Waldrand versteckte und zwischen dichten Adlerfarnen hervorspähte. Im Gegensatz zu Fengari und Lefki war sein Farbton nicht grau geprägt, sondern braun mit blauen Schmuckfedern. Schon von Anbeginn der Zeit hatte sein Rudel den Außenposten rund um die Uhr ausspioniert, wobei es alles andere als unprovokativ war, dass er mitten in ihrem Revier stand. Dem juvenilen Exemplar fiel der neu dazugekommene Typhon sofort ins Auge, der mit seinen dunkelroten Schuppen und seiner schwarzen Rückenfärbung unübersehbar war. Noch einige Sekunden musterte er das Lager mit seinen goldorangenen Augen und rannte danach durch den lichten Laubmischwald, der größtenteils von Eichen und Buchen bewachsen war.
Wendig schnellte er hervor, wich in Windeseile einigen Bäumen aus und steuerte die Richtung des Quartiers seines Rudels an. Dabei wurde seine Aufmerksamkeit von einem starken Plätschern in einem nahegelegenen Weiher aufgefangen. Die blaue Federkrone des Utahraptor stellte sich ein wenig auf, während er zur Quelle des Geräusches spähte. Sein Blick durchbohrte die Ufervegetation des Weihers und fixierte einen Baryonyx in der Ferne, der mit seinem vernarbten Kiefer einen Fisch gefangen hatte und diesen verschlang. Der Utahraptor legte vor Furcht sein Gefieder enger an seinen Körper, rannte weiter und sprang schlussendlich über eine große, blühende Weißdornhecke. Hinter dieser verbarg sich der Fuß eines Berges mitsamt einer kleinen Höhle. Das juvenile Tier traf dort auf einige seiner Rudelmitglieder, die mit den Jungtieren spielten, ihre Gefieder pflegten oder in eines ihrer Nester schliefen. Er durchmusterte die Umgebung und erspähte seine Anführerin, die ihm geradezu aus der Höhle zusprang. Unterwürfig wich er zurück und senkte seine Körperhaltung, wobei sich seine Federkrone komplett zurückzog. Angeführt wurde sein Rudel von der erfahrenen und gefürchteten Lilith, wie sie von Konstantina genannt wurde. Lilith gehörte zu den direkten Nachfahren der Raptoren, die damals das Jurassic Island Project zum Scheitern gebracht hatten. Zudem soll sie nach dem Tod ihrer Eltern und Geschwister mehrere Jahre alleine in der Wildnis von Nissivros gelebt haben, bis sie ihr eigenes Rudel gegründet hatte.Das junge Männchen gab Kunde von seinem Spionagebericht, wobei es vor einem gewaltigen Carnotaurus, den die Wilderer als Jagdwaffe verwendeten, warnte. Das Lager musste demnach anders als geplant vor Anbruch der Dunkelheit zerstört werden. Kritisch betrachtete Lilith ihren Gegenüber und fauchte, da sie eigentlich auf ihren Plan beharren wollte. Sie entschied sich schlussendlich dazu, die Menschen unverzüglich dem Erdboden gleichzumachen. Sofort riefen die neun anwesenden Raptoren mit ihrem markanten Ruf den Rest des Rudels.
Nach wenigen Minuten fand das 14-köpfige Rudel zusammen, was das größte Raptorenrudel auf ganz Nissivros war. Es beherrschte ein gigantisches Revier, dessen Größe selbst das Territorium von den zwei stärksten Tyrannosauriern der Insel in den Schatten stellte.
Gehorsam folgten alle Lilith, bis auf zwei Utahraptoren, die das Quartier und die Jungtiere beschützen sollten. Die zahlenstarke Gruppe schlich sich durch den Laubwald und überquerte einen langsam fließenden Waldbach, während sie sich ihrem Ziel näherte. Die Mittagssonne kämpfte sich durch die Baumkronen und strahlte auf Liliths schwarzes Gefieder, während die hohen Waldkräuter ihre graue, schuppige Unterseite streiften. Die territorialen Fleischfresser erreichten einen Vorort des Außenpostens.
Dort war am anderen Ende einer Lichtung ein Zelt, während in der Nähe von diesem ein Parasaurolophus angekettet war. Lilith befahl ihrem Spion mit einem exotischen Zwitschern, die menschliche Konstruktion zu besichtigen und auseinander zunehmen. Der Utahraptor stürmte euphorisch auf das Zelt zu und sprang in es hinein. Er konnte die darin befindlichen Menschen lokalisieren und attackierte sie mit seinen tödlichen, von der Genetik verliehenen Waffen. Nach den schnell verstummenden Schreien der zwei Menschen brach er die Stangen ein und zerfetzte das restliche Zelt mit seinen Krallen. Der Raptor kroch aus den Fetzen hervor und kehrte zu seinem Rudel zurück.
Lilith wandte sich dem Parasaurolophus zu, der von hohem Gras umgeben war und am Hals mit einer Kette gefesselt war. Er hatte mehrere Verletzungen an der Flanke, aus denen Blut heraus tropfte. Vom Blutdurst angelockt wollte das juvenile Tier angreifen, wurde jedoch im letzten Moment von Lilith zur Seite geschubst, die kreischte. Sie schleuderte einen tennisballgroßen Stein in das hohe Gras, der zwischen den Gräsern rollte und ein Rascheln erzeugte. Eine Netzfalle aus Ketten schnappte wie eine fleischfressende Pflanze zu und gab einen Elektroschock ab. Weitere Raptoren warfen Äste und Steine zu den Fallen, womit alle nach wenigen Minuten entschärft waren.
Die Wilderer hielten die Utahraptoren offensichtlich für so blöd, auf diese List reinzufallen. Immerhin gab es in der Natur niemals eine geschenkte Beute mit allen Füßen auf dem Boden. Den Parasaurolophus würde das Rudel erst nach dem Triumph beim Außenposten als Festmahl verspeisen. Lilith und ihr Partner führten die Truppe weiter zum Zweitlager der Dinosaurierjäger und kamen immer näher. Sie versteckten sich an einer Front im dichten Gebüsch und warteten auf den Befehl der Anführerin, die noch zögerte.
Ein ahnungsloser Jäger genoss mit dem Rücken zu den hohen Sträuchern eine Raucherpause, woraufhin Lilith ihre roten Kopffedern ausspreizte und leise fauchte. Wie eine Pistolenkugel schoss ihr Partner aus dem Dickicht hervor, biss den Mann in den Kopf und zehrte ihn mit seinen Krallen in das Gebüsch. Der Mann schrie, versuchte sich zu wehren und presste seine brennende Zigarette gegen den Saurier. Seine Schreie blieben bei seinen Kollegen unbemerkt und die Zigarette machte dem Raptoren nichts aus. Dieser dagegen durchstach dem Mann die Halsschlagader, aus der das Blut nur noch in Strömen floss. Lilith gab ein lauteres Fauchen ab, was den Beginn des Untergangs der Söldner markierte.In schieren Mengen stürmten die Raptoren aus ihren Verstecken hervor und rannten in den Außenposten hinein. Dort würden sie etwa zwei Dutzend ahnungslose Dinosaurierjäger überraschen, für die es schnell geschehen sein würde. Angriffslustig stürmten sie durch die Zelte, von denen nichts mehr als Fetzen übrig blieben, und verletzten die darin befindlichen Menschen tödlich. Zwei Söldner kamen ihnen entgegen und versuchten, auf die wendigen Dinosaurier zu schießen. Was ihnen komplett entgangen war, war die mächtige Lilith, die von der Seite auf beide Menschen sprang und sie zu Boden warf. Sie biss den einen Söldner ins Gesicht und bohrte zeitgleich ihre Sichelkralle in den Hals des Anderen. Schreckliche Schreie erklangen, nicht nur von Liliths zwei Opfern, sondern aus jeder Ecke. Es machte sich ein Sturm aus Angst, Blut und Tod im Lager breit. Die Raubsaurier stürmten durch das Gebiet, jagten alles in ihrem Weg befindliche und überrannten dieses förmlich. Krallen schlitzen Fleisch auf, Zähne bohrten tödliche Wunde in Hälse und es spritzte nur noch von Blut. Viele Wilderer gaben die Hoffnung auf und flohen aus dem Lager heraus, wurden jedoch von den Utahraptoren gehetzt und abgefangen.
»Haltet sie auf!«, befahl Alberto und machte sich mit seinem olivgrünen Motorrad aus dem Staub.
Zwei Raptoren folgten ihm durch den Wald und drohten davor, ihn einzuholen. Alberto war davon kaum eingeschüchtert und zuckte gleichgültig mit seinen breiten Schultern. Er nutzte die Geheimfunktion seines Motorrades, welche die Abgase des Fahrzeugs entzündete und zum Explodieren brachte. Die zwei Raubsaurier kreischten und flohen davon.
Lilith brach währenddessen in das einzige Feldlazarett ein, wo ein Arzt einen liegenden Patienten am Arm behandelte. Erschrocken wich der Mediziner zurück, suchte in seiner Schublade nach irgendetwas und warf schlussendlich ein Skalpell auf Lilith, die wendig auswich. Es traf einen Söldner hinter ihr, der das Zelt betreten wollte, jedoch kampfunfähig zu Boden fiel. Der schutzlose Arzt kauerte sich in die Ecke des Zeltes und zitterte am ganzen Körper. Er wollte schreien, doch aus seinem weit geöffneten Mund kam kein Ton raus. Mit ihren scharfen Krallen warf Lilith den Mediziner zu Boden, der auf sein Gesicht fiel, sich jedoch schnell umdrehte und von ihrem Fuß am Boden festgehalten wurde. Sie stach zweimal in seinen Bauch und riss ihm ein Stück Fleisch aus dem Hals.
Kritisch wandte sich Lilith dem regungslosen Patienten zu, dessen panischen Herzschlag sie hören konnte. Ihre Kralle näherte sich dem nun zitternden Söldner, bis sie von hinten überrascht wurde. Es betrat der vor kurzem bewusstlos gewesene Fallensteller das Feldlazarett und erblickte den toten Arzt.»Das war unser letzter Mediziner!« Er schrie und bemerkte Lilith nicht.
Die Raptorin wollte den Wilderer attackieren, doch das juvenile Exemplar war schneller und schnappte sich von hinten den Jäger. Der unaufhaltsame Sturm zog sich brutal weiter und es war mehr Flucht als Kampf, um sich als Dinosaurierjäger Überlebenschancen auszurechnen.
Mitten in diesem Gefecht nutzte Typhon die Ablenkung, um einen Weg zu finden, aus seinem Käfig zu entkommen. Er hatte schon die ganze Zeit am Tor des Käfigs geleckt, was mittlerweile Spuren hinterlassen hatte. Ein Großteil der Gitterstäbe war brüchig geworden, weshalb er den Käfig mit nur einem Kopfstoß aufbrach. Er floh aus der Gefängniszelle und tötete einen griffbereiten Wilderer. Das Chaos im Lager stach ihm ins Auge und er bemerkte, dass seine kleineren Verwandten es bereits fast zerstört hatten. Typhon verließ triumphierend das Schlachtfeld, während die Raptoren kurzen Prozess mit den letzten Menschen machten. Nach dem Kampf würden sie ein glorreiches Festmahl mit dem Parasaurolophus als Hauptspeise feiern.
Der Patient, den der Arzt behandelt hatte, hatte sich lediglich tot gestellt und schaffte es im ganzen Chaos zu entkommen.
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Jurassic Island
Science FictionDie Insel Nissivros wird von Wilderern bedroht und ihre Dinosauriervielfalt steht kurz vor dem erneuten Aussterben. Sofort brechen Konstantina und Angelos auf, um die Jäger zu stoppen. Doch wie werden die Saurier von Nissivros auf die Menschen reagi...