Kapitel 20

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Der Anführer des Trupps ging auf das Fahrzeug von Konstantina und Angelos zu und durchbohrte die Zwei mit einem kritischen Blick durch das geöffnete Fenster.

»Euch zwei habe ich nicht gesehen, als wir diese Jagd gestartet haben. Woher kommt ihr?«, hinterfragte er.

»Wir waren hier in der Nähe auf Jagd und sind zu euch gekommen, als wir gesehen haben, dass Typhon euch Probleme bereitet hat«, schauspielerte Konstantina authentisch.

»Und wo ist der eigentliche Fahrer dieses Fahrzeugs?«, blieb er hartnäckig.

»Wegen Typhons Angriff stand er unter Schock und als er wieder zu sich kam, ist er in den Wald geflohen«, tischte sie dem Söldner eine weitere, überzeugende Lüge auf.

»Was macht ihr dann noch hier? Sucht diesen Feigling!«, schrie er.

Angelos schnappte nach Luft und öffnete seinen Mund, doch Konstantina ließ ihn nicht zu Wort kommen.

»Nein, Valon wird sehr erzürnt sein, wenn wir zu spät ins Lager kommen. Ein Arbeiter dagegen ist für ihn ersetzbar«, redete sie sich raus.

»Fahren wir jetzt ins Lager!«, forderte der Anführer des Trupps, woraufhin die Wilderer in ihre Fahrzeuge stiegen und die Fahrt zum Lager antraten.

Angelos saß am Steuer des Trucks, während Konstantina leise einen italienischen Lebensfreude-Song vor sich hinsang und nicht einen Ton traf. Doch dass sie und ihre Truppe die Besatzung des Trucks getötet hatten, blieb ihr kleines Geheimnis. Philipp Brown musste sich unterdessen in einer Holzkiste im Lagerraum des Trucks verstecken.
Nach einer Fahrt von eineinhalb Stunden erreichte der Wilderertrupp, in den sich Angelos und Konstantina als Spione eingeschlichen hatten, das Lager der Dinosaurierjäger. Die Söldner luden die Käfige mit den gefangenen Dinosauriern ab. Es waren mehrere Hadrosaurier der Arten Corythosaurus und Parasaurolophus, ein subadulter Stegosaurus und ein alter Triceratops. Konstantina und Angelos trugen Philipps Kiste an den Waldrand, wo sie ihn befreiten.

»Philipp, versteck dich hier im Waldrand und behalte die Situation im Auge. Konstantina und ich werden uns das Lager aus der Nähe ansehen«, erklärte Angelos.

»Wir müssen unsere Dinosaurier finden bevor Valon ihnen etwas Schlimmes antut«, trauerte Konstantina.

»Ich verstehe. Ein geliebtes Tier zu verlieren kann genauso schmerzhaft sein wie bei einem Menschen. Sucht sie also im Lager, doch hütet euch vor Valon, er ist hinterlistiger und gerissener als ihr denkt«, warnte Philipp die Beiden.

Konstantina und Angelos nickten und rannten zum Lager. Je näher sie dem Zentrum kamen, desto größer wurden die Saurier – Aus einem Ornitholestes wurde so mit der Zeit ein Baryonyx. Bemitleidend schaute sich Konstantina ein gefangenes Carnotaurus-Jungtier an, das orange gefärbt war und ein schwarzes Zickzackband am Rücken hatte. Eingesperrt in einem relativ großen Käfig bekam das Tier kaum Nahrung und war der bald drohenden Mittagssonne schutzlos ausgeliefert. Der junge Carnotaurus kreischte nach seinen Eltern und versuchte mithilfe von Duftstoffen sie zu rufen, doch in seinem ausgehungerten Zustand war er kaum dazu in der Lage.

Ein Söldner peitschte den Carnotaurus mit einem Elektroschock aus. »Deine Rabeneltern werden nicht kommen, dummes Reptil!«, spottete er.

Konstantina lief eine Träne über die Wange. »Ekelhaft«, flüsterte sie.

»Mach dir nichts draus, die Wilderer werden ihre gerechte Strafe erhalten«, sagte Angelos und schaute auf.

Er erblickte einen hellbraunen Tyrannosaurus mit braunen Streifen am Rumpf, der in einem sehr engen Käfig unnatürlich und in einer gezwungenen Position schlief. Er und Konstantina stürmten zu Kronos und schauten ihn sich aus der Nähe an. Sie atmeten erleichtert auf, als sie feststellten, dass er unversehrt war. Konstantina lächelte und griff durch die Gitterstäbe, um Kronos zu streicheln, der erwachte und sich an das Tor drängte.

»Kronos, halte noch einige Momente durch. Das alles ist bald vorbei.« Sie kraulte ihn am Unterkiefer.

Angelos fuhr sich durch seine schwarzen Haare. »Wenn wir jetzt nur die Raptoren...« Er wurde von einem charakteristischen Ruf unterbrochen.

Er und Konstantina drehten sich zur Quelle des Geräusches, wo rote Schwanzfedern aus Gitterstäben herausguckten. Sofort rannten die zwei Menschen zu Vita und fanden neben ihrem Käfig Lefki und Fengari, die von Vitas Ruf geweckt worden waren. Die Gefängniszellen waren nicht besonders eng, doch dafür bekamen die Utahraptoren überfahrene Stadttauben und verseuchte Kanalratten zum Fressen. Samuel hatte mit seiner Beschreibung absolut Recht gehabt, als er das Futter »den letzten Straßenabfall« genannt hatte. Konstantina und Angelos verzogen angewidert das Gesicht, als sie die kaum angerührte Nahrung bemerkten, die nur nach Bakterien und Keimen stank.

»Wir retten euch«, flüsterte Angelos zu Vita, die sich an die Gitterstäbe drängte.

»Da wir jetzt wissen, wo unsere Dinosaurier sind, können wir zu Philipp zurückkehren und planen, wie genau das ablaufen soll«, sagte Konstantina.

Angelos nickte, doch bevor er und seine Freundin losgehen konnten, war die aufgewühlte Stimme des stampfenden Valons zu hören. Langsam schlichen sich Konstantina und Angelos zur Stimme von Valon, die einen Söldner anschrie. Als sie nah genug kamen, konnten sie hören, was er sagte und versteckten sich hinter einem Stapel rucksackgroßer Holzkisten.

»Wir sind schon seit einem Tag hier und haben fast nichts gefangen. In Südafrika hätte ich mit solch einem Trupp im selben Zeitraum das Doppelte gefangen!«, schrie Valon seinen Bediensteten James an.

»Aber Meister, wir haben wenigstens Ihren Baryonyx, den Sie so sehr verehren«, entgegnete James.

»Mir ist immer noch ein Rätsel, wie ihr diese unvorstellbar mächtige Kreatur einfangen konntet. Sein Biss, wendig und schnell. Seine Zähne durchbohren jedes Getier und seine Klauen, messerscharf, sind eine tödliche Waffe für jeden Saurier«, sagte Valon stolz.

»Und wir haben auch eine Überraschung für Sie. Unser Außenposten hat etwas geliefert. Es ist gleich dort drüben«, entgegnete er und drehte sich um.

Valon ging auf einen Käfig zu, den James herangeschleppt hatte. Er zog die graue Decke vom etwa menschengroßen Käfig ab, den er erwartungsvoll mit seinen eisblauen Augen anstarrte. Genauso wie Konstantina und Angelos konnte er nicht glauben, was sich in ihm befand...

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