Kapitel 1: Die Einladung

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Ah, hier bist du. Ich hab dich schon mindestens im halben Wald gesucht
Sagte eine Frauenstimme in meinem Kopf. Wer zum heiligen Fangzahn sind sie? Und vor allem wo sind sie? Fragte ich verwirrt. Schau nach oben kam es zur Antwort.

Über mir flatterte ein weiß rot schwarz gestreifter Vogel. Offenbar ein  Specht. Hätte ich doch nur verdammte Ohren gehabt. Aber ich konnte ja nur Vibrationen auf dem Boden spüren.

Der Specht landete vor mir auf dem Boden. Jetzt sah ich, dass er etwas im Schnabel trug. Es war ein Brief.  Ich bin Stefanie Rotkorn. Ich komme von der Grünwald Akademie. Einer Schule für Wandler. Bitte nimm den hier. Sagte er blitzschnell und ließ den Brief vor mir fallen. Ich hoffe, ich sehe dich bald in der Schule. Falls nicht wünsche ich dir viel Glück im Leben.

Ohne irgendwelche weitere Worte begann der Specht mit den Flügeln zu schlagen, schwang sich in die Lüfte und war nach kurzer Zeit verschwunden. Ich war zu perplex, um noch irgendwas zu Fragen oder zu Antworten. Diese Wandlerschule, von der sie angeblich kam, sollte dringend über die Informierung ihrer potenziell zukünftigen Schüler nachdenken.

Ich war in beiden Welten aufgewachsen was aber nicht hieß, dass man mir einfach nur einen Brief vor die Fresse legen konnte, erklärte woher der Brief kam, und dann einfach wegflog. Die schöne Atmosphäre war vergangen und es zog sowieso leichter Nebel auf. Also machte ich mich auf den Weg nach hause.

Konzentriert, damit ich den Brief nicht mit meinen Fangzähnen ruinierte, kroch ich den Weg, den ich schon oft gelaufen oder gekrochen war. Aus dem Nebel schälte sich  eine Silhouette heraus. Es war unser Haus. Ein Zweistöckiges Holzgebäude mit Flachdach und runden Fenstern, die mich an Vogeleier erinnerten.

Ich schob die, wie immer wenn ich als Schlange unterwegs war, geöffnete Tür nach hinten und schlängelte herein. Da erinnerte ich mich wieder an den Brief, den ich im Mund trug. Erst jetzt wurde mir bewusst, was dieser Brief wahrscheinlich für mich bedeutete. Ich würde lernen, meine Verwandlungen besser zu kontrollieren.

Meine Eltern gaben mir und meinem kleinen Bruder jeden Tag Privatunterricht, da sie Angst hatten, dass ich mich in einer Schule voller normaler Menschen ausversehen verwandelte, aber richtiger Unterricht in dem auch andere Wandler waren, würde mir helfen, so etwas besser hinzukriegen.

Meine Eltern wollten mich schon seit sie erfahren hatten das es solche Schulen gab auf eine schicken, doch sie hatten noch keine gefunden. Allerdings lebten wir auch erst seit einem Jahr in der Menschenwelt.

Der Geruch von Soße riss mich aus meinen Gedanken. Natürlich, es gab essen. Ich wandte meinen Kopf zu der niedrigen Komode, auf der ein Familienfoto von mir, meinen Eltern und meinem kleinen Bruder Milo stand. Ich konzentrierte mich auf den braunhaarigen großen Jungen mit leicht dunkler Haut und kupferfarbenen Augen, der meine Menschengestalt war.
Schon begann mein Schlangenkörper sich zu verformen und wenige Sekunden später stand ich als Mensch da.

Ich lief schnell die Treppe hoch und zog mich an. Der Brief wanderte dabei vom Mund in meine linke Hand. Sabber klebte glücklicherweise keiner dran. Ich ging die Treppe wieder runter und öffnete die mit Schnitzereien verzierte  Küchentür.

Mein Vater stand gerade am Herd und kochte die bereits erwähnte Soße. Als er aufblickte und mich sah, lächelte er herzlich. „Papa! Mama! Ich habe einen Brief bekommen. Angeblich kommt er von einer Wandlerschule. Zumindest hat ein sprechender Vogel ihn mir gegeben.“ Trotz dieser merkwürdigen Formulierung freute mein Vater sich, und meine Mutter kam auch herein. Sie lächelte ebenfalls, auch wenn es bei ihr ehrlichgesagt etwas bedrohlich aussah (sie war eine Würgeschlange).

„Das ist toll!“ Sagte mein Vater. Ich gab den beiden den Brief und las über ihre Schultern mit.

Sehr geehrte Herr und Frau Glanzschuppe. Wir laden ihren Sohn Jannis auf die Grünwald. Akademie ein. Eine Schule für Jugendliche mit einer 'besonderen' Verbindung zur Natur. Das Schulgeld beträgt 150 Euro pro Jahr, da wir eine Privatschule sind. Ein Fahrer lässt sich, falls nötig, beim Sekretariat beantragen. Nötige Anmeldungsformulare sind beigelegt. Wir hoffen, sie überzeugt zu haben und ihren Sohn bald auf unserer Schule begrüßen zu dürfen.
Unterzeichnet: Johann Grünwald, Schulleiter.

„Klingt doch ganz gut.“ Meinte meine Mutter. Unten im Brief standen noch die Nummer der Schule. Außerdem waren im Umschlag noch die bereits im Brief erwähnten Anmeldepapiere und ein Flyer für die Schule.

Ich sah die Bilder im Flyer durch. Das Schulgebäude war auf den Bildern ein riesiges, einladend wirkendes Haus. Außerdem sah man auf den anderen Bildern Jugendliche, die wahrscheinlich Schüler waren und verdächtig viele Tiere.  Es war definitiv eine Schule für Wandler.

„Währe es denn okay für dich, auf diese Schule zu gehen?“ Fragte mein Vater. Sofort nickte ich heftig. So eine Gelegenheit würde sich wahrscheinlich nicht noch mal bieten.

Die beiden begannen die vor- und Nachteile, die diese Schule mit sich bringen würde, zu diskutieren. Anscheinend war ein Internat, was hieß, dass ich meine Familie nur in den Ferien sehen würde. Mein kleiner Bruder Milo setzte sich zu mir in den Sessel aus Kunstleder, der eine Schuppe meines Vaters eingearbeitet hatte, und bat mich, ihm etwas vorzulesen. Das tat ich auch

Meine Eltern führten den ganzen restlichen Tag die Diskussion über die Schule. Ich hörte die beiden noch als ich spät am Abend im Bett lag und einschlief.

Als ich am nächsten Morgen ins Wohnzimmer ging, saß mein Vater mit einer Tasse Tee in der Hand bereits am Esstisch und verkündete: „Wenn du es in Ordnung findest, schicken wir dich auf die Schule.“ Natürlich nickte ich sofort.


In den Tiefen des Waldes-Woodwalkers FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt