Langsam kam Nymeria wieder zu Bewusstsein.
Was sie als Erstes bemerkte war das leise Summen, doch von wem oder was es kam, konnte sie nicht ganz einschätzen.
Ihr Kopf fühlte sich immer noch so an, als würde er jeden Moment explodieren, weshalb das Mädchen ihre Augen geschlossen hielt.
Für einige Minuten lag sie einfach nur da und lauschte dem Summen, ehe sie etwas kaltes an ihrer Stirn fühlte, nun entschied Nymeria sich doch dazu, die Augen vorsichtig zu öffnen. Das Licht, auch wenn es gedimmt war, schmerzte in ihren Augen und verstärkte unter anderem die Kopfschmerzen. Das Summen verstummte und das kalte Gefühl auf ihrer Stirn verschwand.
„Du bist wach...Ich habe mir Sorgen gemacht." Die ruhige Stimme von Tsireya erfüllte den Raum, was Nymeria leicht zum Lächeln brachte.
„Du machst dir zuviele Sorgen...mir geht es gut.", erwiderte die Heilerin und öffnete ihre Augen erneut, diesmal schmerzte es nicht so sehr wie zuvor.
„Ach, ist das so?" Tsireya hob ihre Brauen etwas und musterte das Mädchen, das vor ihr lag. „Das sah vorhin aber ganz anders aus, da werden mir die anderen sicher auch zustimmen. Wir haben uns Sorgen gemacht, sogar Mutter." Für einen Moment schwieg sie und sah Nymeria einfach nur an.
„Du musst besser aufpassen und wenn es zu viel wird, musst du aufhören. Ich weiß, du willst alle retten aber...bring dich nicht zu dem Punkt, wo du dich selber umbringst, nur um anderen zu helfen."
Nymeria setzte sich nun mit einer leichten Gänsehaut, die sich über ihren Körper zog, auf, ihr Blick auf Tsireya fixiert, die jetzt auf den Boden schaute.
„Es tut mir leid.", war das einzige, was sie herausbrachte, ehe sie Tsireya in eine Umarmung zog, sich an sie klammernd, so als würde das Mädchen jeden Moment einfach verschwinden. „Es tut mir so...so leid!"Als die beiden Mädchen die Hütte verließen, ging die Sonne gerade wieder auf und das Dorf erwachte wieder zum Leben. Erst jetzt fiel Nymeria auf, wie lange sie ohnmächtig gewesen war, was ihr ein nur noch schlechteres Gewissen machte, als sie eh schon hatte.
„Mutter sagte, du sollst es die nächsten Tage etwas ruhiger angehen, das bedeutet: keine Heilungen!" Mit ernstem Blick sah Tsireya zu ihr rüber, Nymeria wich ihrem Blick aus, nickte jedoch leicht mit ihrem Kopf.
„Verstanden. Ich werde mich zurückhalten.", murmelte die Heilerin leise und ließ den Blick über den Strand gleiten. Ihre Gedanken jedoch kreisten wieder um das kleine Mädchen und erneut kamen Nymeria dieselben Fragen in den Kopf wie zuvor.
Lange konnte sie sich jedoch nicht darauf konzentrieren, als etwas oder eher jemand nach ihr rief.
Der Blick des Mädchens schnellte hoch und fiel direkt auf Tuk, die auf sie zulief. Das kleine Mädchen schlang ihre Arme um Nymeria und drückte sich fest an sie.
„W..Was ist denn los?", fragte diese nun verwundert und legte sanft ihre Hand auf den Kopf der jüngeren.
„Du hast uns echt nen Schrecken eingejagt. Wir sind schon vom Schlimmsten ausgegangen!"
Nymeria musste sich ein Lächeln verkneifen, als sie vorsichtig mit der Hand über Tuks Haare strich, um das Mädchen etwas zu beruhigen.
Kurz darauf kamen die anderen dazu und musterten das Mädchen, das gestern noch so aussah, als würde es sterben, nun jedoch vor ihnen stand, als wäre nichts gewesen.
„skxawng.", grummelte Ao'nung und verschränkte seine Arme vor der Brust, dennoch schwang Erleichterung in seiner Stimme mit, die Nymeria vermerkte, aber nicht weiter kommentierte. „Ich dich auch Ao'nung.", sagte sie provokant und streckte ihm die Zunge raus.
„Was ist überhaupt passiert?", fragte nun Kiri und legte den Kopf etwas schief.
„Es ist...", fing Nymeria an und sah kurz rüber zu Tsireya, die sie etwas unsicher ansah.
„Es ist etwas komplizierter. Ich werde es euch irgendwann mal erklären, aber nicht jetzt.", sprach sie ruhig und schob Tuk ein Stück von sich weg, um sie ansehen zu können. „Aber ihr müsst euch keine Sorgen mehr machen. Mir geht es gut.", fügte sie hinzu und lächelte in die Runde.
„Wie wäre es, wenn wir euch heute den Seelenbaum zeigen?", brachte sich nun Tsireya in das Gespräch ein, um vom Thema abzulenken, was überraschenderweise ziemlich schnell funktionierte: Vorallem Kiri schien sehr von dieser Idee begeistert zu sein.Gesagt, getan.
Zusammen machte sich die Gruppe auf den Weg zu den Ilus, um mit ihrer Hilfe zum Seelenbaum zu gelangen.
Nymeria ging weiter hinten und beobachtete die Anderen vor sich, die sich angeregt unterhielten, weshalb sie nicht wirklich bemerkte, wie Neteyam nun auch etwas langsamer ging, bis er neben ihr war.
„Ist wirklich alles okay bei dir? Du scheinst so abwesend zu sein.", fragte er und sah zu dem Mädchen neben sich, dessen Blick weiterhin nach vorne gerichtet war.
„Ja, alles gut.", antwortete Nymeria leise und nicht gerade überzeugend, dann sah sie zu ihm auf, ein leichtes Lächeln auf den Lippen.
Neteyam musterte sie skeptisch, entschied sich aber dazu, nicht weiter darauf einzugehen, wenn sie darüber reden wollte, würde sie es tun.
„Dann glaub ich dir mal.", sagte er und erwiderte das Lächeln. Er konnte die Erleichterung, dass er nicht weiter fragte und ihr Zeit gab, in ihrem Gesicht erkennen.Bei den Ilus angekommen gingen alle ihre Verbindungen ein. Tuk saß zusammen mit Kiri auf ihrem Ilu und Nymeria blieb für einen Moment unsicher stehen: Sollte sie ihren Ilu rufen, oder lieber jemanden fragen, ob sie bei ihm mitreiten konnte? Die Angst davor, vielleicht wieder ihr Bewusstsein zu verlieren, war zu groß.
Bevor Nymeria irgendwie reagieren konnte, hielt ihr Neteyam seine Hand entgegen. „Kommst du jetzt, oder willst du weiter so rumstehen?", fragte er grinsend und musterte das Mädchen von oben bis unten.
„Ich wollte gerade etwas sagen." Nymeria griff nach seiner Hand und kletterte auf seinen Ilu. Ihre Arme legte sie zögernd um seine Taille, nie war sie jemandem so nah gewesen wie in diesem Moment.
„Wer's glaubt.", sagte er und Nymeria konnte sich denken, dass er am Grinsen war, dafür musste sie ihn nicht einmal ansehen.
„Beeil dich lieber, sonst sind die anderen weg, bevor wir überhaupt los sind.", murmelte sie und lehnte ihren Kopf gegen seinen Rücken. Kurz darauf gab Neteyam das Kommando und der Ilu setzte sich in Bewegung.
Während sie durch das Wasser schwammen, wanderte Nymerias Blick umher, erst als sie einen leichten Druck an ihrem Oberschenkel spürte, sah sie zurück nach vorn, wo sie direkt in die Augen von Neteyam sah, der sich mit dem Kopf zu ihr gedreht hatte.
Verwirrt sah sie runter zu ihrem Oberschenkel, wo seine Hand lag, dann wieder zu ihm.
Er deutete nach vorne und als Nymeria in die Richtung sah, musste sie etwas schmunzeln: Es waren Tsireya und Lo'ak, die ein kleines Stück weiter vor ihnen auf ihrem Ilu schwammen.
Nymeria fand es schon niedlich, wie auffällig die beiden darin waren, zu zeigen, dass sie sich mochten, es selbst jedoch nicht mal zu merken schienen.Die Gruppe tauchte wieder auf und die Sullys sahen sich mit großen Augen um. Es war ein überwältigender Anblick von unterschiedlich hohen Steingebilden, die gen Himmel ragten. „Faszinierend nicht war?", fragte Nymeria und musterte Neteyam, dessen Aufmerksamkeit voll und ganz auf seine Umgebung gerichtet war. „Es ist...echt schön.", antwortete er und löste seinen Blick von den leicht gekrümmt aufragenden, steinernen Säulen und sah zu Nymeria hinüber.
„Warte ab, bis wir zum Seelenbaum kommen." Mit diesen Worten nahm sie die Hand des Jungen von ihrem Oberschenkel und stieg vom Ilu ab.
Neteyam beobachtete sie bei jeder Bewegung, dann trennte er die Verbindung zum Ilu, ehe er selbst abstieg.
„Auf geht's!", rief Tsirey und tauchte ab, gefolgt von den anderen.
Nymeria blieb relativ nah bei Neteyam. Sie wusste nicht, was genau es war, aber irgendwas in ihr fühlte sich zu ihm hingezogen. Es dauerte nicht lange und sie kamen am Baum an, das Leuchten des Baumes erhellte das Wasser.
„Verbindet euch. Wir passen auf, dass nichts schiefgeht. ", erklärte Tsireya in Zeichensprache und nickte den Sully Kindern zu. Neteyam sah rüber zu Nymeria, die ihm mit einem leichten Nicken signalisierte, dass es okay war und sie alles unter Kontrolle hatten.
Die Kinder gingen die Verbindung mit dem Seelenbaum ein und entspannten sich sofort. Ein leichtes Lächeln bildete sich auf Neteyams Lippen, was Nymeria direkt auffiel. Was er wohl grade sah?
Es verlief alles gut, bis Kiri ohne Vorwarnung anfing zu zucken. Schnell schwamm Nymeria hinüber zu ihr und kappte die Verbindung, während Tsireya die anderen so schnell es ging zurückholte.
Nymeria griff unter Kiris Arme und versuchte, diese an die Oberfläche zu ziehen, was nicht gerade einfach war.
Neteyam kam recht schnell zu den beiden Mädchen hinüber geschwommen und half, seine Schwester an die Oberfläche zu bringen. Dort angekommen, schob er sie auf den Ilu und fühlte ihren Puls. „Atmet sie?", fragte Tsireya besorgt, doch Neteyam gab keine Antwort.
„Atmet sie?", wiederholte Rotxo panisch die Frage, als Neteyam schon anfing, ihr Mund zu Mund Beatmung zu geben.
Tuk fing an zu weinen und Nymeria nahm sie in den Arm in der Hoffnung, sie etwas beruhigen zu können.
„Ich könnte..", fing Nymeria an, doch in diesem Moment hustete Kiri und Wasser lief aus ihrem Mund.
„Wir müssen zurück. Sofort!", wies Neteyam an und machte sich als Erster auf den Weg zurück. Tsireya stieg wieder bei Lo'ak auf, der bereits auf seinem Ilu saß und folgte den anderen.
Nymeria setzte Tuk vorsichtig zu Rotxo und stieg selbst hinter Ao'nung auf.
So war das alles nicht geplant gewesen...
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My little Healer || Neteyam
FanfictionSie ist eine Heilerin des Metkayina Clans und die Nichte der Tsahìk, und sie hat ihr Leben darauf ausgelegt, anderen zu helfen und Niemanden zu nahe an sich ranzulassen, um nicht verletzt zu werden. Er ist ein junger Krieger, der seine alte Heimat...