Es war ein stürmischer Sommerabend, als Quincy die Eisdiele, in der sie dreimal wöchentlich aushalf, verließ und den Rückweg zu ihrer WG antrat.
Die Wolken am Horizont färbten sich pechschwarz und verwandelten den Himmel in einen dunklen Abgrund. Regentropfen prasselten auf die Erde hinab, Blitze zerschnitten die Finsternis und der Wind heulte so laut wie ein verletzter Wolf.
Quincy schlang ihre Jacke enger um ihren Oberkörper und verschnellerte ihre Schritte.
Seit sie hier lebte, hasste sie das Wetter in New Heaven. In dem einen Moment schien noch die Sonne und nur eine Sekunde später ging plötzlich die Welt unter.
Quincy verfluchte sich selbst dafür, dass sie ihr Fahrrad noch nicht in die Werkstatt gebracht hatte, denn zu Fuß war sie mindestens eine halbe Stunde unterwegs. Manchmal wünschte sie sich, dass ihre WG nicht so weit von dem Stadtzentrum entfernt wäre, aber ändern konnte sie den Standort natürlich nicht.
Das Leben war nun mal kein Ponyhof, richtig?
Quincy seufzte. Kurz spielte sie mit dem Gedanken, sich ein Taxi zu rufen, doch nach nur einem einzigen Herzschlag verwarf sie diese Idee wieder.
Wenn sie die Miete am Monatsanfang bezahlen wollte, musste sie an allen Ecken und Kanten sparen, wo es nur möglich war.
Quincy wusste, dass ihr bester Freund sie finanziell unterstützen würde, aber sie weigerte sich, auf seine Hilfe zurückzugreifen. Sie wollte ihr Leben endlich selbst in die Hand nehmen, ohne sich dabei von anderen Menschen abhängig zu machen.
Alles wäre so viel einfacher gewesen, wenn sich ihre Eltern nicht in einem sechsstelligen Spinnennetz aus Geldschulden verfangen hätten. Leider konnte Quincy die Zeit aber nicht zurückdrehen, also musste sie versuchen, die Fehler ihrer Eltern in der Gegenwart wieder auszubügeln.
Quincy verließ gerade die Stadt und bog auf einen Feldweg ein, da erfüllte ihr schriller Handyklingelton die Luft. Im Handumdrehen fischte sie ihr Smartphone aus der Hosentasche und nahm dann den eingehenden Anruf ihres besten Freundes entgegen.
„Quinny? Wo bist du?" Miles klang besorgt. Bestimmt tigerte er unruhig durch die Wohnung und kaute alle drei Sekunden an seinen Fingernägeln. Das tat er nämlich immer, wenn er nervös war.
„Hey Miles", begrüßte Quincy ihren besten Freund. „Es ist alles in Ordnung. Ich bin in 20 Minuten zuhause. Du kannst mir also ruhig schonmal eine Tiefkühlpizza in den Ofen schieben."
Seit Quincy und Miles vor zwei Jahren ihr Studium an der Heaven University begonnen hatten, lebten sie gemeinsam mit Ana, der Ex-Ex-Ex-Freundin von Miles, in einer WG.
Zwischen Ana und Miles floss zum Glück kein böses Blut, schließlich waren sie damals auch nur für zwei Wochen ein Paar gewesen. Na ja, mit 13 Jahren konnte man eine Beziehung sowieso noch nicht ernst nehmen, oder?
„Ich wollte dich eigentlich fragen, ob ich dir entgegenkommen soll ..." In Miles' Stimme schwang ein verunsicherter Unterton mit. „Irgendwie traue ich dem Wetter nicht richtig."
Quincy musste lächeln. Sie fand es süß, dass ihr bester Freund so aufmerksam und fürsorglich war.
„Ach Quatsch!", winkte Quincy nach einem flüchtigen Blick zu den dunklen Wolken ab. Miles sollte lieber im Trockenen auf sie warten. „Das würde sich gar nicht lohnen. Ich bin eh gleich schon da."
„Sicher?"
„Ja, sicher!"
Zum Glück konnte Miles nicht sehen, wie Quincy in diesem Moment zusammenzuckte, denn sonst wäre er vermutlich sofort aus der Wohnung gestürmt und zu ihr geeilt.
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Schicksalsherzen
FantasyEin Taxi, das Menschen nicht dorthin bringt, wo sie hinmöchten, sondern wo sie hinmüssen? Seit ihrer Kindheit hat Quincy von dieser Legende gehört. Obwohl sie ein großer Fan von Fantasy-Romanen ist, glaubt sie nicht an das Taxi und seine Magie. Ihre...