7 - Die Notlüge

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Seit dem Gespräch mit Dale waren mittlerweile schon zwei ganze Tage vergangen. Quincy und er hatten sich darauf geeinigt, sich per WhatsApp auszutauschen und sich so gegenseitig auf dem Laufenden zu halten.

Irgendwie war es merkwürdig, dass Quincy das magische Taxi zuletzt am Sonntag gesehen hatte.

Ob sie ihr Schicksal bereits unwissentlich erfüllt hatte? Leider konnte Quincy das nicht glauben.

Am Nachmittag schulterte Quincy ihren Rucksack und folgte dann der riesigen Menschenmenge aus dem Gebäude der Heaven University. Ihre Vorlesungen waren heute extrem langweilig gewesen, sodass sie mehr als nur einmal damit zu kämpfen gehabt hatte, nicht einfach den Kopf auf die Tischplatte zu legen und einen Powernap zu machen.

Am liebsten hätte sich Quincy nun auf den Weg zu ihrer WG gemacht, um dort etwas Schlaf nachzuholen, aber leider war das nicht möglich. Die Eisdiele und somit auch ihr Geld für die nächste Monatsmiete warteten auf sie.

Während Quincy in Richtung Stadtzentrum marschierte, hörte sie Musik.

Es war angenehm warm draußen und die kitzelnden Sonnenstrahlen begleiteten sie auf ihrem Weg. Eigentlich das perfekte Wetter, um an den See zu fahren, und nicht, um gefräßige Eisliebhaber zu bedienen.

Quincy zuckte erschrocken zusammen, als die Stimme von Ed Sheeran plötzlich verstummte und durch einen schrillen Alarmton ersetzt wurde. Ein Blick auf ihr Handydisplay genügte und schon stellte sie fest, dass sie einen eingehenden Anruf von Dale erhielt.

Ohne es verhindern zu können, schoss Quincys Herzschlag wie auf einer Achterbahnfahrt in die Höhe.

Sie hatte Angst, dass etwas Schlimmes passiert war.

Warum sonst sollte Dale sie auch anrufen? Sicherlich nicht, um sich über das schöne Wetter zu unterhalten.

Mit zittrigen Fingern und bebendem Körper nahm Quincy den Anruf schließlich entgegen.

„J-Ja?", krächzte sie in den Lautsprecher.

„Quincy? Wo bist du gerade?" Dale klang aufgeregt und ein bisschen außer Atem. „Kannst du zu mir nach Hause kommen?"

So sehr Quincy auch ihrer Neugierde nachgeben wollte, es ging nicht. Sie musste in die Eisdiele. Und zwar schnell. „Tut mir leid, aber ich muss arbeiten", murmelte Quincy zerknirscht. „Kann ich auch später vorbeikommen?"

„Nein!"

Es war nur ein einziges Wort, doch es besaß genug Macht, um Quincy erstarren zu lassen. Ihr Magen drehte sich einmal um und ihr wurde schwindelig.

Dales Stimme duldete keine Widerrede und das machte Quincy Angst.

„Wa-Was ist denn passiert?" Quincy war sich nicht sicher, ob sie die Antwort überhaupt hören wollte. Zum Glück zerfloss Dale nicht in Tränen, also konnte es sich zumindest um keinen Todesfall in seiner Familie handeln. Trotzdem blieben noch genug andere Möglichkeiten für eine Tragödie übrig.

„Isla sagt, sie sieht das Taxi", erklärte Dale aufgewühlt. „Ich kann es aber nicht sehen. Bitte komm zu uns, Quincy! Ich habe nämlich die Hoffnung, dass du das Taxi ebenfalls sehen kannst. Isla wird auf keinen Fall allein damit fahren!"

Quincy war hin und hergerissen. Normalerweise war sie sehr pflichtbewusst und mied die Arbeit nur, wenn sie mit mindestens 39 Grad Fieber an ihr Bett gefesselt war.

Da sie aber endlich ihr Schicksal erfüllen wollte, um den Fokus auf die anstehende Prüfungszeit in der Uni richten zu können, geriet sie in einen Zwiespalt.

Die Eisdiele oder die Edwards-Geschwister? Was hatte in jenem Moment Vorrang?

Quincy zögerte noch kurz, ehe sie entschlossen zu Dale sagte: „Bleibt, wo ihr seid! Ich bin in einer halben Stunde da!"

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