Schon mal was von Teamgeist gehört?

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Rum, Wodka, Gin und Whiskey. Vanessa konnte sich nicht entscheiden, mit welchem dieser vier Wundermittel sie am liebsten arbeitete. Der aromatisch süße Cuba Libre ist der Drink, der gerade an diesem Abend sehr beliebt zu sein schien und sie musste zugeben, dass sie ihn sehr gerne zubereitete. Einmal gab es einen Gast, der jeden Tag zur selben Uhrzeit im Ken's auftauchte und zu Vanessas großem Vergnügen bestellter er jedes Mal einen Irish Coffee. In dieser Zeit hatte sie den Geruch von Whiskey lieben gelernt, was nicht zuletzt an dem erfreuten Blick des älteren Herrn lag, der den heißen und sahnigen Drink sichtlich genoss. Der Cocktail, den sie allerdings als ihr persönliches Highlight empfand und ihres Erachtens nach viel zu wenig Aufmerksamkeit genoss, war der Bloody Mary. Nur hartgesonnene Gäste bestellten dieses rote, würzige Gesöff und setzen damit ihren Geschmacksknospen herrlich belebenden Aromen aus. Doch der Renner schlechthin und das Getränk, das sie mit Abstand am meisten über die Theke schob, war der Gin Tonic. Auch wenn Vanessa Gin nie richtig was abgewinnen konnte, war es DER Verkaufsschlager und sie fügte sich ihrem Schicksal und wurde mit der Zeit zu einem richtigen Gin Tonic Mixprofi. 

Die Atmosphäre des Ken's ist, wenn man von den Metallschildern an den Wänden und der Decke absah, welche schlechte aber passende Anekdoten an das Leben aufzeigten, nicht sonderlich aufputschend, wieso auch? Ken hatte es sich zur Aufgabe gemacht, seinen Gästen nicht die Realität des Alltags zu nehmen und ihnen mit vorgegaukelten Verschönerungen das Leben zu erleichtern. Der Besitzer dieser Kneipe wollte einfach nur, dass sich jeder, der durch die klingende Tür ging, wohl fühlte, was er durch die dunkle aber gemütliche und einladende Atmosphäre auch hinbekam. Vanessa konnte sich noch an den Moment erinnern, als sie das erste Mal einen Fuß in diese charmante Kneipe gesetzt hatte. Es gab keine Spielautomaten, so wie sie es aus anderen Kneipen kannte oder gar einen riesigen Fernseher, wo die aktuellen Fußballspiele liefen. Sie liebte den Anblick der glänzenden Holzbar und das Bild, das sie mit den Möbeln abgab, von denen man meinen konnte, sie seien alle wild durcheinander geworfen oder auf dem Flohmarkt erbeutet. Der Geruch von einer leicht-fruchtig süßen Nuance ließ sie sich auf der Stelle entspannen, obwohl sie Vorstellungsgespräche hasste. Die gut besuchte Kneipe, die sich darauf spezialisiert hatte, den Gästen nicht nur die angesagtesten Drinks, sondern auch unbekannten aber stets musikalischen Hochgenuss zu servieren, entwickelte sich für Vanessa zum schönsten Ort in dieser viel zu lauten und großen Stadt. Hier konnte sie abschalten, hier konnte sie vergessen und einfach sein.

"Ken sagt, du sollst das hier essen, damit du nicht vom Fleisch fällst."

Karla war Vanessas Kollegin, dessen afrikanische Wurzeln zum einem nicht in ihrem Namen und zum anderen auch nicht in ihrem Aussehen zu erkennen waren. Ihre normalerweise dunklen Haare hatte sie sich platinblond gefärbt und fühlte sich damit pudelwohl, während sie Vanessa das Sandwich unter die Nase hielt und diese eher angewidert als dankbar antwortete: "Sag Daddy Ken, dass ich schon auf mich selbst aufpassen kann und selber weiß, wann ich Hunger habe." In diesem Moment ertönte das Klingeln der Tür und Vanessa ergriff die vom Himmel gesandte Rettungsleine: "Kundschaft!" Sie ließ ihre Kollegin mit den lilafarbenen Kontaktlinsen schulterzuckend hinter dem Tresen stehen und stolzierte erleichtert in die Richtung in der die neuen Gäste gerade eintraten. 

Dass ihr Chef ihr mit solchen Angeboten mittlerweile zu Verstehen gab, dass sie nicht gut aussah, ließ Vanessa die Zähne aufeinander beißen. Sie wusste, dass ihr nicht mehr viel Zeit blieb und war ehrlich gesagt erstaunt, wie lange sie doch das falsche Spiel aufrechterhalten konnte. "Ha!", dachte sie sich, "Von wegen nur ein paar Monate! In your face, Dr. Arschloch!" Als sie sah, wer sich gerade seines schicken Mantels entledigte, verrauchten ihre Gedanken. Anders, als es sonst für sie üblich war, stand sie mit offenem Mund vor ihrem Bruder und sah, wem er im Schlepptau hatte: "Du hast den Oberspießer mitgebracht? Was musstest du dafür opfern? Deine Seele?"

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