Schon mal was von Unglücksbringern gehört?

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Das Tippen seiner Tastatur war das einzige Geräusch gewesen, was Theodor in den letzten Stunden zu hören bekam. Mit dem letzten Druck seines Fingers auf den Button, der dafür sorgte dass sein heißgelaufener Laptop sich nun zum Feierabend herunterfuhr, entstand eine für ihn in letzter Zeit eher selten erlebte Stille und er brauchte einen Moment um sich an sie zu gewöhnen. In letzter Zeit hatte er selten die Gelegenheit dazu gehabt sie bewusst und konzentriert wahrnehmen zu können. Um ihm herum war es unnormal lauter, stürmischer und um einiges chaotischer geworden, als er es eigentlich gewohnt war - und Schuld war eine gewisse nervtötende Frau, deren aufgekratzter Geist gepaart mit ihrer unüberwindbaren Sturheit dafür gesorgt hatte, dass Theodor sein ursprüngliches Territorium und somit seine Sicherheitszone verließ. 

Seit nun mehr als zwei Wochen hatte er das Gefühl, von Vanessa regelrecht verfolgt zu werden. Fast täglich wartete sie zum Feierabend am Eingang des Gebäudes seiner Kanzlei auf ihn oder zog ihn gar von seinem Arbeitsplatz weg und schleppte ihn in sämtliche Hipster-Bars, wo er es nie länger als eine Stunde aushielt, in einige Museen, wohingegen es Vanessa war, die schnellstmöglich das Weite suchte, und in verschiedene Bibliotheken. Es kam genau drei Mal vor, dass die beiden von den Sicherheitsleuten gebeten wurden die Räumlichkeiten zu verlassen. Der Grund dafür waren die lautstarken Diskussionen, die die beiden miteinander führten. Theodor war es überaus peinlich und unangenehm so negativ in der Öffentlichkeit aufzufallen. Herrje, hätte ihn einer seine Kunden dabei erwischt, wüsste er nicht wie er das hätte erklären sollen. Doch mit jeder Entführung ihrerseits wurde Vanessa immer ungeduldiger. Aussagen wie "scheiße, jetzt nimm doch mal den Stock ausm Arsch!" oder "kannst du so tun als wärst du kein gefühlsloser Roboter?" ließen Theodor nicht kalt, auch wenn er es am Anfang mit Würde über sich ergehen ließ. Doch als sie einer Dame mittleren Alters erzählte, dass er ein gestörtes Mutter-Sohn-Verhältnis hatte und dann behauptete, er wäre deswegen zu schüchtern um sich ihr vorzustellen, langte es ihm endgültig. 

 Es kam so gut wie nie vor, dass der Rechtsanwalt laut wurde, wieso auch? Er hatte niemals das Bedürfnis danach oder gar die Kontrolle über etwas verloren, was ihn somit in eine Stresssituation geführt hätte. Nein, einzig und allein Vanessa Klamm schaffte es, dass Theodor seine Geduld, seine Manieren und seine beinahe zwanghafte Kontrolle verlor - und aus irgendeinem Grund gab es da einen Teil in ihm, einen den er noch nie zuvor wahrgenommen hatte, der sich in dem Moment, wo er von der Stille seines Büros eingenommen wurde, genau danach sehnte. Der Gedanke brachte Theodor ein Stirnrunzeln ein, als er den schwarzen Bildschirm seines Laptops betrachtete, bevor er auf seine Armbanduhr sah. Die Furchen auf seiner Stirn wurden noch tiefer, als er bemerkte, wie spät es schon war und die Strahlen der allmählich untergehenden Sommersonne seiner Verwirrung zustimmten. Die Frau seiner Albträume hatte ihn heute noch nicht aufgesucht...

Theodor beschloss, dass er ihr Fehlen als Segen betrachten sollte und machte sich daran den Weg in seinen wohlverdienten Feierabend zu verfolgen. Mit dem Gefühl der wiedererlangten Kontrolle schloss er seinen Laptop, ordnete seine Unterlagen sorgfältig in seine Aktentasche ein, streifte sich sein Jackett über, richtete vor dem Hinausgehen seine moosgrüne Krawatte zurecht und verließ sein Büro. Mit einem letzte Blick hinein legte sich ein zufriedenes Lächeln über seine Lippen. Allerdings verlor er es gleich wieder, als er Markus Klamm sah, wie dieser gerade aus dem Bad der Mitarbeiter kam. Fast hätte er sich seine Augen reiben wollen, doch er widerstand dem Drang danach und starrte stattdessen dem Mann mit den vielen bunten Federn am Leibe einfach nur an. 

Der Begriff "gerupftes Huhn" schlich sich in seine Gedanken, als er seinen Assistenten dabei beobachtete, wie er sich das ebenso bunt gefiederte Stirnband um seinen Kopf anlegte und dabei eine gewisse Aufregung verspürte. Erst mit dem Blick zu seinem Chef entgleiste ihm seine Fröhlichkeit und so sorgsam er seiner Verkleidung den letzten Schliff verpassen wollte, so schnell hatte er die Feder wieder von seiner Stirn gerissen. Sichtlich unwohl verschränkte er seine Arme vor der Brust, was ein kläglicher Versuch war, seinen Aufzug zu verbergen. 

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