Der Weg zum Heli, der nicht weit von uns auf einer kleinen Lichtung gelandet war, fühlte sich an, als würde er Stunden dauern, obwohl es höchstens wenige Sekunden gewesen sein könnten. Araminta war mittlerweile ohnmächtig geworden. Tanner bleib bei seinen Leuten, dafür kamen zwei andere, schwarz angezogene und bewaffnete Männer und der Arzt mit. Ich ging zumindest davon aus, dass der Typ, der Araminta versorgt hatte, so etwas wie ein Arzt war.
Einer der beiden Männer, der sich als Maus vorgestellt hatte, hatte mir angeboten das Baby zu nehmen, ich lehnte allerdings ab. Ihm schien das zwar überhaupt nicht zu gefallen, aber das war mir egal. Mir war klar, dass es ein gewissen Risiko gab, bei diesen Männern mit zu gehen. Zum einen wusste ich nicht wer sie überhaupt waren und zum anderen wussten sie nicht wer ich war. Wenn sie letzteres allerdings herausfinden, gab eine Chance von gerade mal 30% dass sie mich nicht sofort umbrachten oder weg sperrten. Da war ein Baby als Druckmittel gar nicht so schlecht. Auch wenn es sich brutal anhörte. Ich würde immerhin nie einem Kind etwas antun, das wussten die allerdings nicht. Mir viel in diesem Moment auf, dass ich die meisten meiner Überlegungen drauf baute, dass meine Gegner nichts über mich wussten. Zum Teil stimmte das ja tatsächlich, allerdings hatte ich schon in der Vergangenheit des öfters gelernt, dass so etwas nicht immer gut ging. Wenn ich dieses Theater hier überleben würde, würde ich mir mal ernsthafte Gedanken über meine Pläne und Strategien machen, jetzt allerdings konzentrierte ich mich lieber darauf nicht zu stolpern und möglicherweise das Baby fallen zu lassen, während ich auf Luna gestützt zum Heli humpelte.
Im Nachhinein musste ich zugeben, dass Luna mich mehr trug, als dass ich selbst lief, allerdings versuchte ich mir das möglichst nicht anmerken zu lassen, was scheinbar auch gut funktionierte, denn der Arzt fragte mich nicht erneut wie es mir ging, sondern warf mir nur einem Blick zu den ich nicht ganz deuten konnte. Irgendetwas zwischen Skeptik und Erstaunen. Um in den Heli zu steigen brauchte ich allerdings Hilfe von Maus. Der bat mir erneut an, das Baby zu nehmen und ich lehnte erneut ab. Daraufhin hatte er für einen kurzen Augenblick einen Ausdruck in den Augen, der mir einen eiskalten Schauer über die Rücken jagte. Er hatte sich allerdings so schnell wieder im Griff, dass ich mir das auch gut hätte einbilden können.
Sobald wir alle im Hubschrauber saßen, hob dieser auch schon ab. Wir bekamen Headsets zum aufsetzen und ich drückte das winzige Baby, das erstaunlich kräftig strampelte, sanft an mich. „Ist sie auch verletzt?“, fragte der Arzt über Funk und deutete auf Luna. Die saß völlig entspannt, neben mir, auf ihrem Sitz. Immer noch von oben bis unten blutverschmiert und starrte verträumt vor sich hin, nichts von dem um sie herum mitbekommend. Ich schüttelte den Kopf und antwortete: „Nicht ihr Blut.“ „Tynni.“, sagte der Arzt plötzlich zu mir. Ich brauchte einen Augenblick um zu erkennen, dass das sein Name war. An dem aufmerksamen Blick mit dem er mich musterte, erkannte ich, dass er eine Unterhaltung mit mir führen wollte, um zu sehen ob ich möglicherweise unter Schock stand, oder ob es mir doch schlechter ging, als ich es behauptete. Nachdem ich selbst merkte, wie lange ich gebraucht hatte, um zu diesem Schluss zu kommen, wurde mir klar, dass es mir tatsächlich nicht so gut ging, wie ich vorgab. Das schien auch Tynni zu erkennen, er sagte aber nichts. Wahrscheinlich ahnte er, dass ich in solch einer Situation keine Schwäche zeigen wollte. Ich war ihm dankbar, dass er nicht sagte, wusste aber, dass er es bemerkt hatte.
„Sophie, das ist Luna.“, stellte ich mich und meine Freundin schließlich vor. „Wirklich alles okay mit Luna?“, fragte er. Diesmal antwortete ich gleich. War wohl doch nicht ganz so schlimm. „Ja, der Zustand ist bei ihr normal, wenn sie gerade jemanden getötet hatte. Ich erkläre es Ihnen später vielleicht.“, erklärte ich. Er nickte und sah betrachtete Luna kurz skeptisch. Dann wandte er sich Araminta zu, die verdächtig ruhig da lag.
Der Flug ging erstaunlich schnell. Es könnte allerdings auch daran liegen, dass ich kurzzeitig in einem Art Schockzustand war. Ob das nun wirklich ein Schock war, oder von dem Blutverlust und der Anstrengen der letzten Stunden kam, konnte ich nicht sagen.
Wir kamen schlussendlich auf einer Ranch, mitten im Nirgendwo an. In diesem Moment war mir klar, dass wir bei irgendeiner Art von Geheimorganisation gelandet waren. Ich wusste nicht woran genau es lag, aber ich wusste es einfach. Vielleicht war es weibliche Intuition oder einfach Erfahrung. Das steigerte zumindest die Chance, nicht gleich erschossen zu werden auf 50%.
Araminta wurde sofort in den OP gebracht. Ich wurde hingegen in ein normales Behandlungszimmer verfrachtet. Da ich darauf bestand, kam Luna und das Baby mit. Da mir allerdings niemand wirklich traute, stand Maus mit im Zimmer, direkt neben der Tür. Mich stört das in diesem Moment nicht wirklich, ich hatte sowieso nicht die Kraft irgendetwas anzustellen.
Es dauerte nicht Lage bis ein Arzt kam, der nicht Tynni war und dessen Name ich schon wieder vergessen hatte, bevor er damit fertig war, das Baby zu untersuchen. Ich beobachtete ihn natürlich wachsam dabei. Das Kind war schließlich mehr oder weniger meine Lebensversicherung.
Joseph fehlte tatsächlich nichts. Die Schusswunde an meinem Bein wurde gesäubert, mit ein paar Stichen genäht und dann frisch verbunden. Ich bekam noch eine Spritze mit Langzeitantibiotika, das wohl einige Tage halten sollte und eine Packung mit Schmerzmittel. Da ich mich weigerte einen Rollstuhl zu benutzen, verpasste er mir noch Krücken. Er bestand auch darauf Luna zu untersuchen, da diese immerhin völlig voller Blut war, aber wie ich es schon geahnt hatte, war sie bis auf ein paar blaue Flecken unverletzt. Schließlich wurden wir mit der Order, uns gut auszuruhen, entlassen. Da ich darauf bestand, bekamen Luna und ich ein gemeinsames Zimmer. Auf die Frage, wieso ich Luna nicht alleine lassen wollte, antwortete ich allerdings nicht. Es schien denen nicht so wirklich gut zu gefallen, dass wir zusammen bleiben, aber das war mir egal. Auch dass sie einen Soldaten vor der Zimmertüre platzierten war mir in diesem Moment egal. Ich wollte mich einfach nur hinlegen und ein paar Stunden schlafen. Wir bekamen tatsächlich auch noch saubere Kleidung, unsere alten wahren so ziemlich im Eimer.
Das Zimmer war sehr spartanisch eingerichtet. Ein kleiner Kleiderschrank an der Wand, der leer war, ein kleiner Tisch mit zwei Stühlen und ein Bett. Gegenüber der Tür war ein Fenster, vor dem graue Vorhänge hingen und das war es dann auch schon. Mit Luna und Baby war das Bett in dem Zimmer, dass wahrscheinlich nur für eine Person gedacht war, ein wenig eng, aber auch das störte mich recht wenig.
Nach meiner Armbanduhr, die seit unserer Flucht vorhin einen hässlichen Sprung in der Scheibe hatte, hatte ich etwa vier Stunden geschlafen, bevor wir geweckt wurden. Oder eher, bevor ich geweckt wurde. Luna und das Baby schliefen einfach friedlich weiter, während ich von dem Klopfen an der Türe aufwachte. Ich richtete mich gerade auf und setzte mich gerade auf und versuchte richtig wach zu werden, als Tynni herein kam. Ich schenkte ihm zur Begrüßung ein müdes Lächeln, schwang meine Beine über die Bettkante, blieb aber auf dem Bett sitzen. Tynni holte sich einen der beiden Stühle und setzte sich mir gegenüber. „Wie geht es Ihnen?“, fragte er leise. „Besser, danke. Wie geht es Araminta?“, fragte ich ihn. Immerhin hatte ich hier ihren Sohn, auf den ich aufpassen musste. „Sie ist noch im OP. Wird aber durchkommen.“, erklärte er. Trotz seines ruhigen Tons, wusste euch bereits, dass das hier ein Verhör werden sollte. Ich verübeln es ihm nicht, immerhin würde ich auch wissen wollen, wen ich mir da ins Haus geschleppt hatte. „Das ist gut.“ Ich nickte erleichtert. Wenn sie es nicht geschafft hätte, hätte ich ehrlich gesagt nicht gewusst, was ich mit dem Baby machen sollte. Ich wusste immerhin nicht wer der Vater war und ich selbst konnte definitiv kein Kind aufziehen.
„Wer seid ihr beide wirklich?“, kam Tynni abrupt auf den Punkt wieso er eigentlich hier war. Er war wohl der Meinung, er könnte mit mir gleich Klartext reden, ohne weiteres Vorgeplänkel.
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Im Fadenkreuz Der Mafia
AksiDie besten Geschichten beginnen mit einem Mord. Das dachte Sophie bisher zumindest. Auf diesem Mord, hätte sie allerdings getrost verzichten können. Sie muss auf die harte Tour lernen, was es bedeutet ausversehen den Sohn des wohl berüchtigtsten und...