Wie war Nethufia bloß auf die Idee gekommen, dass ausgerechnet er gegen den Vetis bestehen konnte?
Verzweifelt sah er auf Ngis Oberkörper, aus dem ab der Hüfte knisternde Kabel hingen und dessen Sprachmodul nur noch ein langgezogenes Kauderwelsch von sich gab. Baldor stürmte vorwärts und stolperte über etwas Weiches. Ein ... ein einzelnes Bein. Das hatte Sergej gehört.
"Klara? Klara!"
Keine Antwort. Entweder war auch sie tot oder versteckte sich. Hoffentlich tat sie das. Etwas zog sich in seiner Brust zusammen und er schluckte. Dann umfing Nebel seinen Kopf. Nethufia dämpfte den Schmerz seines Körpers und den in seinem Herzen.
Er gab sich dem Rausch der Schlacht hin. Er kümmerte sich nicht darum, wenn er einen Tentakel verlor, der wuchs nach. Und so schlug er auf das Monster ein, ohne Rücksicht auf sich selbst zu nehmen. Bis es keine Materie mehr gab, die aus den anderen Universen gezogen werden konnte. Das Letzte, das er sah, war die Pranke, die sich um sein Gesicht schloss. Es wurde dunkel und auch er fiel.
Dann begann alles von vorne. Wieder und wieder. Sergej ging den Vetis jedes Mal direkt an. Verließ sich auf seine Heilungskräfte und Robustheit. Bis der Vetis ihn zu packen bekam, musste er viel einstecken. Doch er erwischte ihn immer. Die Wunden, die Sergej ihm zugefügt hatte, heilten augenblicklich, wenn er ihn fraß.
Ngi war die meiste Zeit unsichtbar. Manchmal vergaß er, seine Scheinwerfer auszustellen, und das Monster war blitzschnell bei ihm und demontierte ihn. Baldor hatte diese Bauart bisher für äußerst stabil gehalten. Was für ein Irrtum. In zwei Versionen ihres Kampfes blieb er sogar enttarnt und feuerte auf das blaue Ungetüm. Baldor hatte beim ersten Mal noch gejubelt, als es durchsiebt zu Boden ging. Bereits im Sturz schaufelte es aber den Schutt der Umgebung in sein Maul, die vermeintlich tödlichen Verletzungen füllten sich mit blauer Masse und Ngi landete ebenfalls im Bauch des Monsters. Ob der Roboter manchmal entkam, konnte Baldor nicht sagen. Mit seinem eigenen Tod endete jede der Visionen, die unaufhörlich auf ihn einprasselten, als er dem Vetis in seiner eigenen Realität auswich.
Klaras Schicksal blieb genauso ungewiss. Vielleicht war sie ohnmächtig geworden, als sie von der Druckwelle fortgerissen wurde. Scheiterten sie deswegen? Brauchten sie Klara, um zu gewinnen? Immerhin wusste er dank Nethufias Visionen, dass ein frontaler Angriff kein gutes Ende nahm.
Wenn er es richtig verstanden hatte, sah Nethufia nur Dinge, die in den anderen Universen bereits geschehen waren, gerade geschahen oder in ein paar Sekunden geschehen würden, je nachdem, wie weit sie entfernt waren. Er konnte sich also nicht selbst, wie ein Schachspieler mögliche Varianten überlegen und überprüfen, welche davon Erfolg hatte. Irgendwann waren alle Möglichkeiten verbraucht, die er sehen konnte. Auf die konnte er sich nicht verlassen. Baldor brauchte einen eigenen Plan.
"Sergej, sieh nach Klara!", rief er. Zunächst mussten erst einmal alle Figuren anwesend und bei Bewusstsein sein. Dann würden sie Zeit brauchen, um wenigstens die ersten Ideen auszutauschen. Er wusste, dass er am längsten gegen das Monster durchhalten würde. "Ich halte ihn hin."
Sergej blieb auf seinem Kurs.
"Du stirbst, wenn du dich jetzt mit ihm anlegst!"
"Kannst du etwa in die Zukunft sehen?", brüllte er grimmig zurück, während er zum Schlag ausholte.
"Ja!", brüllte jetzt Baldor, auch, wenn es nicht ganz genau stimmte.
Mit den Pranken zu einer tödlichen Umarmung ausgestreckt, wandte der Vetis sich Sergej zu. Baldor ließ seine Tentakel vorschnellen. Mit zwei packte er die Beine des Monsters, mit dem Dritten stieß er Sergej in die Richtung, in der er Klara vermutete.
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Tobende Tentakel
Science FictionDas ist kein schöner Tag für Baldor, den einzigen Sohn des Präsidenten. Erst wird sein Heimatplanet von Weltenfressern verputzt, dann muss er sein privates Fluchtraumschiff mit einem Haufen anderer Emigranten teilen und wenn das nicht schon schlimm...