Kapitel 1

240 12 11
                                    

„Kathy ist das dein Ernst? Du kannst doch nicht einfach verschwinden.", brüllte mich die Stimme meines Verlegers an. Tom war nicht nur mein Verleger, sondern auch einer meiner besten Freunde. Aber wenn es um mein seelisches Wohl geht, war er oft ein kleines Arschloch. Im Nachhinein sah er seinen Fehler ein und entschuldigte sich. Doch dieses Mal brauchte ich Ruhe, um meine Gedanken zu ordnen, abzuschalten und meinen roten Faden wiederzufinden.

„Tom, ich brauche eine Pause. Wenn du möchtest, dass mein Buch fertig wird, muss ich einfach mal raus.", versuchte ich ihm zu erklären und hoffte das man mein genervter Unterton nicht so stark raus hörte. Ach was mach ich mir vor, er wusste ganz genau, dass ich tierisch angepisst war. Seit 2 Jahren arbeiten wir zusammen und ich hatte bereits auch schon ein Buch veröffentlicht. Es landete sogar auf Platz 3 der Bestseller. Ich wollte noch ein weiteres schreiben und die ersten 50 Seiten liefen auch gut. Doch dann kam die Blockade und nichts ging mehr.

„Pass auf ich melde mich, wenn ich am See angekommen bin.", entgegnete ich ihm und legte, ohne weiter zu warten auf. Entnervt warf ich mein Handy auf den Beifahrersitz und verfluchte ihn still vor mich hin. Aber nicht nur ihn, sondern auch dieses beschießende Wetter. Es regnete wie aus Eimern, wodurch meine Sicht fast gegen Null ging. Wie mein Anblick auf die leeren Seiten meines Notebooks, in meinem Arbeitszimmer. Es ist ein Segen und Fluch zugleich eine Autorin zu sein. So viele Ideen fanden in meinen Kopf Platz, aber genauso konnte absolute Leere herrschen. Was nicht dazu führte, entspannt zu bleiben. Und als meine Stimmung weiter in den Keller sank und der innerliche Druck zu groß wurde, zog ich die Bremse. Also suchte ich im Internet einen Ort der Ruhe und der Entspannung. Es dauerte eine Weile, bis ich fündig wurde. >Secret Place< bot ein wunderbares Haus am See an. Abgeschieden von allem. In den Wäldern Kanadas mit einem traumhaften Blick auf den Soul Lake. Einer der wohl geheimnisvollsten Seen in der Provinz, dessen Namen ich schon wieder vergessen hatte. Vergessen konnte ich auch, noch vor Anbruch der Dunkelheit dort anzukommen.

„Scheiße!", fluchte ich, als ich dicht ans Lenkrad rutschte, in der Hoffnung etwas besser durch die Frontscheibe zusehen. Hätte ich gewusst, dass ich nur in diesem Schneckentempo vorankomme, hätte ich einen anderen Tag gewählt. Das Navi meinte ich wäre in einer Stunde da, aber so würde es definitiv länger dauern. Ich spürte die Anspannung in mir und meine Wut, über mich selbst, die immer größer wurde. Um mich abzulenken, schaltete ich das Radio ein. Es dauerte, bis ich in dieser abgeschieden Provinz einen Radio Sender empfangen konnte, ohne dass ich vom weißen Rauschen umgeben war. Endlich hörte ich eine sanfte Stimme mit beruhigenden Gitarrenklängen. Minuten lang lauschte ich der Musik und dem harten Trommeln des Regens auf meinem Auto, bis eine weibliche Stimme ertönte.

„In 500m links einbiegen. Dann dem Straßenverlauf für 30km folgen!"

„Wenn du das sagst Süße!", meinte ich sarkastisch und zog eine Augenbraue hoch und versuchte durch den schnellen Takt meiner Scheibenwischer etwas von der Straße zur erkennen. Als hätte das nicht schon gereicht, spürte ich wie mein Auto immer wieder von heftigen Böen erfasst wurde. Teilweise fiel es mir schwer, das Auto in der Spur zu halten. Ein mulmiges Gefühl machte sich in meinem Magen breit. Normalerweise mochte ich es nicht bei so einem Wetter Auto zu fahren. Und schon gar nicht in einer Provinz am Arsch der Welt. Das regnerische Wetter kannte ich aus London, aber dieser Wind war untypisch und absurd stark. Nach den nächsten Böen sehnte ich mich plötzlich nach meiner kleinen Wohnung. Einen sicheren und geschützten Ort mit heißem Tee und einem warmen Karmin. Aber nein, ich wollte ja unbedingt hier her.

„Gott ich bin so eine Idiotin.", rief ich leicht wütend und hielt mich an mein Lenkrad fest. Im Augenwinkel konnte ich mein Handy erkennen, dessen Display hell aufleuchtete. Toms Name erschien, aber ich ignorierte es einfach. Mir war nicht nach endlosen Diskussionen und schon gar nicht, wenn ich mich konzentrieren musste, um nicht von der Straße abzukommen. Endlich konnte ich die Abbiegung sehen und bog in die Straße ein. „Ernsthaft? Das ist doch keine Straße! Fuck!", fluchte ich und brachte mein Auto zum Stehen. Das, was ich erkennen konnte, war nicht viel. Die Dämmerung hatte bereits eingesetzt und machte diese Straße mehr als gruselig. So begannen die meisten Horrorfilme. Fehlte nur noch ein Warnschild mit der Aufschrift: Betreten verboten!

Das Haus am See || H.S. [18+] || GermanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt