Kapitel 7

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Mein Körper fühlte sich warm an und die Decke auf mir, war merklich zu schwer. Ich schlug die Decke zur Seite und spürte die kühle Luft auf meiner Haut. Langsam öffnete ich meine Augen, blinzelte und sah mich um. Ich lag in meinem Bett und das Zimmer war in einen warmen Rotton gefärbt. Ich setzte mich auf und streckte mich. Draußen ging bereits die Sonne unter. Hatte ich tatsächlich so lange geschlafen? Schlafmütze. Harry schien recht gehabt zu haben. Mein Körper brauchte den Schlaf wohl dringend. Verschlafen krabbelte ich aus meinem Bett. Mit müden Beinen lief ich zu meiner Tür und trat nach draußen. Im Haus war es still. Ich rieb mir den Schlaf aus den Augen und sah mich um. Harry war nicht zu sehen. Ob er in seinem Zimmer war? Wie von selbst lief ich zu seiner Tür und klopfte. Aber was wollte ich ihm sagen? Es kam keine Reaktion, also ging ich die Treppe runter und setzte mich auf das Sofa. Der Stoff des Sofas war kalt. Hier hatte schon lange keiner mehr gesessen. Meine Hand strich über das Muster des Stoffes. Es fühlte sich weich und vertraut an. Wie das Sofa bei mir zu Hause. Mein Blick wandte sich zum Kamin. Dieser war aus. Nicht einmal ein Glutfunken war zu sehen. Hatte er ihn aus gemacht? Seltsam! Ohne das Feuer wirkt das ganze Haus so kalt und dunkel. Die einzige Lichtquelle war gerade das Abendrot, was an der Fensterfront in den Innenraum drang. Ich stand auf und lief zum Bücherregal und blieb beim Sessel stehen. Gebannt sah ich nach draußen, durch die Bäume auf den See. Nichts war mehr von den verschiedenen Farben zu sehen. Die Abendsonne tauchte das Wasser des Sees komplett rot. Beeindruckend. Ich fühlte mich wohl bei diesen Anblick. Meine Hand griff nach der Schiebetür und ich schob sie weit auf. Die kühle Abendluft drang in das Haus. Der Wind streifte meine Haut und ich bekam Gänsehaut. Mit nackten Füßen trat ich nach draußen und konnte die kalten Steinplatten unter mir spüren. Doch es störte mich nicht. Meine Augen blieben starr auf den See gerichtet. Wie an einem Faden gebunden, zog es mich zum See runter. Alles um mich herum, leuchtete in einen warmen Rot. Obwohl ich die Kälte spüren konnte, habe ich trotzdem das Gefühl mich in einer warmen Sommernacht zu befinden. Schritt um Schritt kam ich dem See immer näher. Der wind rauschte durch die Äste der Bäume und durch mein Haar. Einige meiner Strähnen wehten mir vor dem Gesicht und verhinderten mir die Sicht auf den See. Durch mein Haar konnte ich sehen wie sich etwas vor mir bewegte. Eilige streifte ich meine Haare weg um genau zu sehen, was dort vor mir war. Aber dort war nichts Ungewöhnliches. Mein Kopf spielte mir wohl erneut einen Streich.  Je näher ich dem Wasser kam, desto stärker wurde wieder der Druck in meinen Kopf. Es war unangenehm, aber es hielt mich nicht auf weiterzugehen. Doch was erwartete mich, wenn ich dort ankomme?
>>Kathy<<, hörte ich eine Stimme meinen Namen flüstern. Aber von wo sie kam, konnte ich nicht sagen. Es schien, als würde es der Wind sein, der meinen Namen umhertrug. Mal in einer männlichen Stimmfarbe und dann wieder in einer weiblichen. Ich drehte mich um meine eigene Achse. Und versuchte zu lauschen von wo es herkam. Ich hörte es vor mir, hinter mir, dann mal wieder links und rechts. Bis ich beide Stimmfarben so laut neben meinem Ohr hörte, das ich mich erschrocken zum Wasser drehte.
>>Komm nach Hause<<, hörte ich beiden Stimmen gleichzeitig. Es war beängstigend und dennoch irgendwie vertraut. Meine Füße trugen mich gegen meinen Willen weiter zum Wasser. Erst landete mein linker Fuß im eisigen Nass und dann mein rechter. Es fühlte sich wie tausend Nadelstiche an, die von meinen Beinen aufwärts wanderten. Der Druck wurde fast unerträglich und ich griff mit meinen Händen an meinen Kopf.
>>Komm<<, hauchten die Stimmen immer mehr. Ich Schloss die Augen und beugte mich etwas nach unten. Ich spürte einen kalten Griff an meinem Knöchel und riss die Augen auf. Mein Herz blieb fast stehen. Im Wasser spiegelte sich eine Frau, mit langen braunen Haaren und blutverschmiertem Gesicht. Sie bewegte sich wie ich. Ich winkte mit der Hand und sie tat es auch.
>>Kathy<<, hörte ich wieder meinen Namen. Dunkle Augen starrten mich aus dem Wasser an. War das die Frau aus dem See?
>Kathy<, kam es lauter und wieder zweistimmig. Ich beugte mich noch ein stück näher. Was tat ich hier? Alles schrie in mir das ich verschwinden sollte, doch mein Körper bewegte sich einfach nicht. Wie gefesselt stand ich im Wasser und starrte auf das Spiegelbild. Plötzlich erstarrte die Spiegelung, auch wenn ich mich noch leicht bewegte. Zwei Arme schnellten aus den Wasser und griffen nach mir. Ich schrie wie am Spieß.
„NEIN LASS MICH LOS!“, brüllte ich, aber die Arme zogen mich nach unten ins Wasser.
„Kathy“, vernahm ich wieder meinen Namen. Ich fühlte, wie die Luft aus meinen Lungen wich und ich nicht mehr atmen konnte. Die Finger krallten sich in meine Arme und zehrten an mir. Ich versuchte zu schreien, doch nur Luft entwich.

„Kathy wach auf!“, hörte ich seine Stimme. Mit einem Ruck holte ich tief Luft und begann zu husten. Mein Herz raste und Schweißtropften liefen meine Stirn hinab.
„Kathy ganz ruhig“, sprach er zu mir und strich mit seine Hand über meinen Rücken. Meine Finger krallten sich in der Bettdecke fest, während ich versuchte meinen Husten unter Kontrolle zu bekommen. Panisch sah ich mich um und begann um mich zu schlagen als ich die Hände an meinen Arm spürte.
„Hey Kathy, ich bin es. Ich tue dir nichts.“, sprach er nun lauter und brachte mich dazu ihn anzusehen.  Harry.  Es war ein Traum. Ein fucking Albtraum.  Ich rang nach Atem und spürte, wie sich die Tränen in meinen Augen sammelten. Die Angst und Anspannung lösten sich und ich ließ meinen Tränen frei lauf. Ich sprang auf und fiel Harry in die Arme. Mein Gesicht versteckte ich in seiner Halsbeuge, damit er mich nicht weinen sah.
„Alles wird wieder gut Kathy. Es war nur ein Traum.“, versuchte er mich zu beruhigen. Er legte einen Arm auf meinen Rücken und die andere auf meinen Hinterkopf. Harry hielt mich nur fest, während ich bitterlich weinte. Beruhigend strich er mir über mein Haar und drückte mich leicht an sich. Ich schluchzte heftig.
„Beruhigt dich Kathy.“, bat er mich, doch es ging nicht. Ich war so aufgewühlt. Das was ich dort im See sah war beängstigend. Ich wusste das ich diese Person kannte. Mein griff um ihn wurde noch fester. Ich wollte nicht das er geht. Die Angst, jetzt Dinge zu sehen, war zu groß.
„Versuch es! Einatmen und ausatmen!“, leitete er mich vorsichtig an und legte seinen Kopf gegen meinen.
„Versuch es mir nachzumachen.“, forderte er mich ruhig auf. An meinen Brustkorb konnte ich spüren, wie sich seine Lungen mit Luft füllten. Und dann ließ er die Luft wieder langsam entweichen. Je mehr ich mich auf seinen Atmung konzentrierte, desto weniger wurde mein Schluchzen. Es war beruhigend und ich begann im gleichen Takt wie Harry ein- und auszuatmen. Es war beruhigend ihn hier zu haben. Seit meiner Kindheit hatte ich keine Albträume mehr gehabt. Durch das Schreiben von Geschichten, konnte ich immer alles gut verarbeiten und musst das nicht in die Träume mitnehmen. Doch das war einfach zu viel für mich.
„Ist es etwas besser?“, wollte er wissen und strich sanft mit seiner Hand über meinen Rücken und versuchte mir ins Gesicht zu sehen. Ich nahm etwas Abstand von ihm und hielt meinen Blick gesenkt. Mir fehlten die Worte um ihm zu antworten.
„Okay dann werde ich dich…“, begann er und war dabei aufzustehen. Doch ich packte ihn am Oberarm und hielt ihn fest.
„Bitte… bleib. Ich… ich will nicht alleine sein.“, bat ich ihn mit zitternder Stimme und verweinten Augen. Er beugte sich zu mir und strich mir eine Haarsträhne hinter mein Ohr. Er nickte sanft und lächelte.
„Okay. Ich gehe nur schnell etwas holen, ja? Ich bin gleich wieder da. Versprochen.“, meinte er, strich mir über meinen Handrücken und  ich ließ ihn los. Sofort zog ich meine Decke zu mir heran und sah mich unsicher in meinen Zimmer um. Es war bereits Dunkel. Hatte ich tatsächlich so lange geschlafen? Es klapperte, Klirrte und polterte etwas draußen vor der Tür. Harry log nicht. Nach wenigen Minuten war er wieder zurück und außer Atem. Er hatte ein paar Dinge mitgebracht. Zwei kleine Gläser und eine Wasserflasche. Die stellte er auf den Nachttisch neben sich. Aus der linken und rechten Hosentasche holte er zwei Kerzen im Glasgefäß und ein Feuerzeug. Er zündete eine Kerze an, lief um mein Bett und stellte sie neben mir auf den Nachtisch. Das gleiche tat er auch mit der anderen Kerze und stellte sie auf den Nachttisch mit dem Wasser. Anschließend öffnete er die Flasche und goss etwas Wasser in ein Glass und reichte es mir.
„Vielen Dank.“ Mit eine hieb trank ich es aus und reichte ihm das Glas. Sanft lächelnd stellte er es zur Seite und kam wieder auf mein Bett. Er war sehr fürsorglich. Obwohl wir uns nicht kannten, versuchte er alles damit es mir gut ging oder ich mich wohlfühlte.
„So, nun rutsch mal ein Stück rüber.“, bat er mich grinsend und krabbelte auf allen Vieren zu mir ins Bett. Er legte sich auf die Decke und lehnte sich gegen das hölzerne Kopfende.
„Willst du mir erzählen, was du geträumt hast?“, fragte er mich vorsichtig und klopfte mit der Hand neben sich aufs Kissen. Ohne weiter drüber nachzudenken, legte ich mein Kopf direkt neben ihn ab. Mit seiner linken strich er ein paar Harre aus dem Gesicht und mit der rechten griff er nach meine Hand. Er nahm sie in seine und streichelte mit seinem Daumen über meinen Handrücken.  Ein sehr angenehmes Gefühl. Eigentlich mochte ich nicht darüber reden, aber er gibt mir das Gefühl, das es Okay sei, wenn ich darüber sprach.
„Es war seltsam und gleichzeitig so real. Ich bin aufgewacht in meinem Bett und bin dann im Haus umhergewandert. Du warst nicht da.“, begann ich mit meiner Erzählung.
„Oh was? Du stellst dich mich nackt vor, aber ich komme nicht in deinem Traum vor?“, scherzte er. Prompt kassiert er einen Schlag mit der Handrückseite gegen seinem Oberschenkel.
„Sorry, erzähl weiter Kathy!“ Ich wusste das er mich damit nur ablenken und die Stimmung etwas aufhellen wollte. Deswegen sagte ich auch nichts weiter dazu.
„Ich hielt mich eine Weile beim Kamin auf. Bis ich am Bücherregalstand und ein blick auf den See werfen konnte. Augenblicklich zog mich der See in seinen Bann und ich ging nach draußen.“, fuhr ich fort. Ich atmete tief durch und sah zu ihm auf. Beruhigend strich er mir über meinen Kopf.
„Ich war wie ferngesteuert. Ich hörte und spürte alles, aber ich konnte mich nicht dagegen wehren. Immer wieder tauchten Stimmen auf. Eine männliche und eine weibliche. Aber ich konnte nicht herausfinden, von wo diese Stimmen kamen.“, erklärte ich ihm.
„Haben diese Stimmen etwas zu dir gesagt?“, wollte er wissen und sah mich mit einen traurigen Blick an.
„Nur meinen Namen und das ich nach Hause kommen soll!“, gab ich wieder, woran  ich mich erinnern konnte.
„Dann lief ich ungewollt in das Wasser. Ich fühlte, wie der Druck in meinen Kopf anstieg. Es zwang mich fast in die Knie.“, meinte ich und spürte wie sich erneut Tränen in meinen Augen sammelten.
„Und… und dann… Dann sah ich diese blutverschmierte Frau mit langem dunklem Haar.“ Mein Atem stockte und ich rang um Fassung. Mein Körper begann zu zittern als ich versuchte die letzten Worte zu erzählen. Harry rutschte runter und zog mich zu sich in die Arme, so das mein Kopf auf seinem Brustkorb lag.
„Ganz ruhig. Dir kann nichts mehr passieren.“, versuchte er mit sanfter Stimme mir Mut zu zusprechen.
„Sie packte mich an den Armen und zog mich unter Wasser. Ich konnte fühlen, wie die Luft aus meinen Lungen wich und das Wasser eindrang… ich konnte spüren, wie ich starb, Harry!“
Ich verlor die Fassung und begann erneut zu weinen. Aber nicht so intensiv, wie vor einigen Minuten.
„Kathy, ein- und ausatmen.“, rief er mir in Erinnerung und legte unsere Hände auf seinen Brustkorb. Mit meiner Handinnenfläche konnte ich nicht nur spüren, wie seine Brust sich hob und senkte. Ich konnte auch sein Herzschlag fühlen. Langsam und entspannt. Ich atmete wieder mit und auch mein Herz begann im gleichen Takt, wie seines zu schlagen.
„Denk daran Kathy. Es war nur ein Albtraum. Hier kann dir nichts passieren. Du bist hier sicher. Hörst du?“, verdeutlichte er mir.
„Ich wünschte ich hätte dir nichts von dieser dämlichen Legende erzählt. Dann hättest du wenigstens einen ruhigen Schlaf gehabt.“, ärgerte er sich über sich selbst, drückte mich an sich und gab mir einen kurzen Kuss auf meinen Scheitel. Mir wurde ganz warm und ich fühlte mich auf einmal so beschützt.

Das Haus am See || H.S. [18+] || GermanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt