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Geschockt weite ich meine Augen und bekomme meinen Mund nicht mehr zu. Während meine Augen jedes einzelne Detail versuchen aufzusaugen, versucht mein Gehirn zu realisieren, ob das überhaupt möglich ist.

So etwas kann es nicht geben.
Ich träume. Definitiv.

Vor mir erschreckt sich eine riesengroße Halle, die durch die hellen Sonnenstrahlen, die durch die großen Fenster und den zerrissenen Vorhängen strahlen, erhellt wird. Doch das ist nicht das, was mich sprachlos machen lässt, sondern was sich in dieser Halle befindet.

Mehrere Zelte sind aufgebaut worden und es liegen verstreut Klamotten, volle Säcke und Gegenstände herum. Ein paar Kinder fahren mit ihren alten Fahrrädern umher oder spielen mit irgendeinem Ball und ihr Gelache schallt in der Halle wieder, während andere sich zu unterhalten scheinen. An den Wänden sind Leiter aufgebaut worden und führen wahrscheinlich hoch zu anderen Räumen oder Treppen. Man könnte meinen, dass es vielleicht ein Campingplatz ist, jedoch ist dies weit entfernt davon. Die Zelte sind nämlich nicht sehr ordentlich aufgebaut und auch sind die Bettlaken, die sie benutzt haben, nicht sehr sauber.

Ich fühle mich in eine andere Zeit zurückversetzt und frage mich wie das sein kann. Wie kann es so etwas in unserer jetzigen Zeit geben? Wieviele Mensch leben hier so wohl? Und vorallem warum?
Weiß mein Vater davon?

So viele Fragen schwirren in meinem Kopf herum, doch ich traue mich nicht den Lockenkopf zu fragen, der mich grob mit sich, durch die Halle, zieht. Als wir in der Menge ankommen, sehen mich die Kinder mit großen Augen an. Ich versuche ein Lächeln, scheitere jedoch kläglich. Ein paar der Älteren, die sich unterhalten erkenne ich an ihren Haaren wieder. Sie waren auch damals auf dem Markt. Dieser Tag scheint mir so weit zurück, obwohl es gar nicht so lange her ist.

Der Locki hat, glaube ich, ein bestimmtes Ziel vor Augen, da er sich nicht beirren lässt und stumm mich mit sich zieht. Die Blasen an meinen Füßen schmerzen höllisch und ich glaube, wenn das so weitergeht, breche ich gleich zusammen. Dass ich keine Schuhe anhabe, erschwert die Sache nur. Ich erhasche einen kurzen Blick in die offenen Zelte, nur um zu sehen, wie ein paar Bettdecken und Kissen auf dem Boden verstreut herumliegen.

Wir halten vor einem Zelt, in den er mich hineinschubst. Gerade kann ich noch mein Gleichgewicht halten, sodass ich nicht wieder hinfalle und mir die Knie aufschürfe. Ich fahre mir einmal durch meine langen Haare, um schnell die Knoten zu lösen, da ich sie ja wie jeden Morgen nicht kämmen konnte und blicke mich schnell um. Es ist klein und neben der auf dem Boden liegenden Matratze ist ein kleiner Tisch und ein Schaukelstuhl, auf dem eine alte Frau sitzt und strickt. Durch das Loch, im Zelt, strahlen die Sonnenstrahlen auf sie herab und lassen ihre Haare, die zu einem strengen Dutt gebunden sind, grau glänzen.

Dank den Sonnenstrahlen kann ich ihr Gesicht nicht ganz genau erkennen, nur schmückt eine auffällig rote Brille ihre Nase. Sie blickt auf und nicht ihr prüfender Blick, den sie mir durch ihre blauen Augen zuwirft, lässt mich die Luft anhalten, sondern eine Narbe, die über ihre linke Wange verläuft und trotz den Falten gut erkennbar ist. Was wohl passiert ist?

Irgendetwas sagt mir, dass sie nicht eine Bilderbuchoma ist, die ihre Enkelkinder mit Keksen füttert und ihnen zu Weihnachten einen neuen roten Pullover strickt. Nein, sie scheint etwas ganz anderes erlebt zu haben. So eine Narbe kann nicht durch ein Unfall entstanden sein.

Bevor ich mir weitere Gedanken über ihre Narbe machen kann, kommt mein Peiniger herein.

"Harry, mein Lieber!"

Sie rennt auf den Lockenkopf zu und umarmt ihn stürmisch, was er erwiedert und seine Gesichtszüge weicher werden lässt.

"Ihr seid zurück. Zum Glück."

Sie murmelt ihm in die Schulter hinein, da sie viel kleiner als er ist, während er ihr über den Rücken streicht. Es scheint, als hätten sie eine enge Beziehung zueinander.

Harry, also.
Gut zu erfahren.
Also muss dieser Louis wohl jemand anderes sein.

Sie lösen sich und dieser Harry kommt auf mich zu, so dass ich immer weiter nach hinten weiche, bis zur Wand. Er steht nur wenige Zentimeter von mir entfernt und ich lege meinen Kopf in den Nacken um ihn überhaupt ansehen zu können. Sein Blick ist wieder so finster wie noch nie und seine Stimme nicht mehr als ein Zischen.

"Du tust jetzt schön, was man von dir verlangt, verstanden? Wage es nicht abzuhauen, denn entkommen kannst du UND wirst du auch so oder so nicht. Ich finde dich."

Mit jedem Wort werde ich immer kleiner und mein Herz zieht sich noch mehr zusammen. Was werden sie mit mir machen? Wann darf ich gehen? Werde ich jemals wieder Jane sehen?

"Nana, ich soll sie zu dir bringen."

Er wendet sich kurz zu der Frau und nickt in meine Richtung, bevor er dann selbstsicher das Zelt verlässt und mich mit ihr alleine lässt.

Nana.

Hatte das Mädchen von heute Morgen nicht auch so etwas ähnliches erwähnt?

"Du bist also Liviana."

Nana lächelt mich warm an und auch wenn es nur einen kleinen Moment andauert, lächele ich zurück. Irgendwie kommt sie mir bekannt vor.
Aber woher sollte ich sie auch kennen?

Als sie immernoch nichts sagt, traue ich mich endlich zu sprechen.

"Was mache ich hier? Was wollen sie von mir? Wo sind wir?"

Ich stelle einfach die ersten Fragen, die schon die ganze Zeit in meinem Kopf herumspuken und meine Stimme ist nicht mehr als ein Flüstern.

"Weißt du, das kann ich dir leider auch nicht beantworten. Nur Louis."

"Wer ist Louis?", platzt es mir heraus und sie lächelt mich einfach weiter an.

"Ihn wirst du noch früh genug kennenlernen. Es war schon lange fällig, dass du hier erscheinst."

Fragend und ratlos sehe ich sie an, während sie ihre Hand an meinen Rücken platziert und mich hinausführt.

"Lass mich dir erstmal dein neues Zuhause zeigen."

So sorry für die Verspätung, aber die letzten Tage war viel los!

Hoffe ihr seid zufrieden! 😀

Schönen Mittwoch noch! ;*

Awaked || l.t ( ON HOLD )Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt