četiri

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Elina hatte Kopfschmerzen. Aber ihre Momentane Situation bot ihr nicht den Luxus, auf das Pochen hinter ihrer Schläfe einzugehen.

Sie rieb sich mit der linken Hand die Augen, während sie mit der rechten gleichzeitig die Klinke der alten, hölzernen Türe hinunter drückte. Das Knarren, das beim Öffnen der Türe entstand, gab ihr einen kleinen Vorgeschmack darauf, wie alt diese Hütte wirklich sein könnte.

Silbergrau traf auf Gold und Elina hielt Inne.

Darian kniete auf dem dunklen Parkett in dem offenen Raum vor ihr und dank den nun anhaltenden Schmerzen in ihrem Schädel - oder wo auch immer - brauchte sie eine Sekunde länger, bis sie begriff, was er da tat.

Er realisierte die Situation schneller als sie, stempelte sie als unwichtig ab und fuhr mit dem feuchten Lumpen erneut über die angetrockneten Fußabdrücke, die er in der Nacht zuvor dort hinterlassen hatte.

Eine, zwei, drei weitere Sekunden ruhte der Goldblick des Mädchens noch auf dem Halbfremden am Boden, dann wandte sie sich ab. Nahm sich endlich die Zeit die ganze Hütte in Augenschein zu nehmen.

Es schien, als wäre die Außenwand nur aus soliden Baumstämmen gemacht, die danach dunkel lackiert worden waren und Elina fragte sich, wie warm es dort drinnen wohl im Winter bleiben würde. Schon jetzt lag eine gewisse Frische in der Luft, die nach einiger Zeit unangenehm werden konnte.

Geweihe hingen an einer Wand und an einer anderen sogar ein ganzer Hirschkopf. Zwei abgewetzte Ledersessel und ein kitschiges Sofa standen in einer Ecke vor einem verstaubten Kamin und in der anderen Ecke stand ein Fernseher, der älter als Elina selbest sein könnte.

Langsam machte sich die Kälte in dem schlanken Körper des Mädchens breit und eine Gänsehaut fuhr mit Geisterfingern über ihre Arme.

Ein Blick in Richtung des Ofens verriet ihr das Versteck eines alten Holzkorbes und mit einem prüfenden Blick aus dem Fenster konnte sie den Standort des Feuerholzes festlegen.

Darian war immer noch mit seinen Fußspuren beschäftigt, aber Elina war kalt! Also nahm sie die Sache selbst in die Hand. Zwei Schritte bis zum Holzkorb, fünf bis zu ihren Schuhen eineinhalb bis zur Türe.

"Hey! Wo gehst du hin?!", die Reaktion des Jungen war irgendwo berechtigt, aber trotzdem. Elina war noch nicht nach reden zu Mute – es war zu früh für sowas. Ohne ein weiteres Wort trat die Braunhaarige durch die offene Haustüre und zielte auf den kleinen Unterstand mit dem aufgestapelten Feuerholz keine fünf Meter weiter ab.

Der Schwarzhaarige hastete barfuß hinter ihr her, die Teile des Waldes, die seinen Fußboden verschmutzten waren längst vergessen.

Kurz wusch so etwas, wie Überraschung über ihr Gesicht, als sie die Schritte auf dem kalten Fußboden hörte.

Trotz der unerwarteten Reaktion ihres Partners in crime ließ das Mädchen dennoch nicht von ihrer originalen Idee ab. Und nach einigen weiteren, hektischen Sekunden schien das auch Damian klar zu werden.

Mit zusammen gepressten Lippen lehnte er im Türrahmen und beobachtete die Braunhaarige dabei, wie sie Holzscheit nach Holzscheit in den alten Korb stapelte. In seinem Kopf herrschte Chaos und letztendlich wandte er den Blick ab, drehte sich um und schritt auf leisen Sohlen zurück ins Haus.

Als Elina zurückkehrte, hatte der Junge seine Spuren der Nacht beseitigt. Doch genau wie der Dreck zu ihren Füßen war auch er nun verschwunden.

Sie stellte den Korb zurück neben den Ofen. So weit war alles gut... Elina hatte nur keine Ahnung, wie man einen Holzofen anfeuerte. Gab es da irgendwelche speziellen Streichhölzer, Anfeuerzeug für den Ofen, Stapelmöglichkeiten für das Holz?

Die Kälte kroch durch die Maschen ihrer Socken und tränkte ihre Fußsohlen wie kaltes Gift. Elina verschränkte die Arme vor der Brust, als sich das Gefühl weiter in ihrem Körper ausbreitete.

"... Alles gut bei dir...?", wenn Darian vorhin noch wie ein Trampeltier unterwegs gewesen sein mochte, schlich er nun wie eine Katze. Seine Frage klang unsicher - fast schüchtern - und vielleicht sogar etwas verwirrt.

Woher kam nur die Idee, dass dieser Junge nicht viele Freunde hatte?

"Wie funktioniert der Ofen? Es ist arschkalt!"

Seine Mundwinkel zuckten kurz nach oben, bevor er mit höchstens drei Schritten den Raum durchquerte. Spinnenweben rissen, als er die verruste Glastüre öffnete und bei dem Anblick fiel der leicht gehobene Mundwinkel wieder:

"Vorher müssen wir den erstmal sauber machen... Kannst du das machen? Dann kümmer ich mich um Frühstück."

Elina nickte stumm. Dankbar, dass er von der Regelung der letzten Nacht abließ. Ihr Unterkiefer bebte von der Kälte und sie fürchtete, dass ihre Stimme dem Beispiel folgen würde, wenn sie nur den Mund öffnete.

"Okay", der Schwarzhaarige nickte gedankenverloren und die grauen Augen schweiften ab, "du kannst den Besen dahinten erstmal für die Spinnweben benutzen. Die Kehrschaufel daneben kannst du danach für den Staub benutzen..."

Wieder nickte das Mädchen.

Für einige Sekunden wirkte Darian unschlüssig. Zerrissen zwischen Gehen und Bleiben. Fortfahren oder schweigen. Sein Körper pendelte zwei- dreimal hektisch hin und her, bevor er sich endlich abwandte.

Sie angelte sich den Strohbesen von seinem Platz seitlich am Kamin, bevor sie sich langsam der offenen Glastür näherte.

Bitte, bitte keine Spinnen!

Elina fuhr zusammen, als sie etwas am Hinterkopf traf und beinahe wäre sie vorwärts in den Ofen gefallen.

Für einige Sekunden konnte sie beinahe das schadenfrohe Lachen der Hexe hören, während sie wie Gretel vor dem Loch zurück stolperte. Dann war der Moment vorbei und das Mädchen drehte sich langsam um.

Der schwarzhaarige Junge stand mit verschlossener Miene ein paar Meter vor ihr. Für einige Sekunden trafen sich ihre Blicke, dann schweifte der Goldblick nach unten und auf einen dunkelgrünen Pullover.

Darian konnte sehen, wie sich die dunklen Augenbrauen des Mädchens für eine Millisekunde zusammenzogen, bevor sie die Situation komplett ergriff.

Sie hielt den Hoodie vor ihr Gesicht und musterte den Stoff für einige Sekunden. Er wurde ungeduldig. Graue Augen wanderten restlos durch den Raum.

"Für... dich... Es wird noch dauern, bis es warm wird", seine Ohren liefen rot an. Irgendwie sah es niedlich aus.

Auf einmal schien Elina den Blick gar nicht von dem Halbfremden abwenden zu können.

"D-Danke?"

Sie zog den Hoodie über ihr dünnes Sweatshirt und ihr kam ein schwall von Wald entgegen. Der Geruch von nassem Holz und Nadelbäumen. Es ging quasi nicht anders – der Geruch zwang sie einzuatmen.

Als die goldenen Augen wieder frei und ihr Sweatshirt unter dem Dunkelgrün verschwunden waren, war der Junge schon wieder verschwunden, doch dieses Mal glaubte sie Geräusche aus einem anliegenden Raum zu vernehmen.

Ihr Blick ruhte noch einige Sekunden auf dem offenen Durchgang, von dem sie glaubte, dass er zu einer Küche führte, bevor Elina sich mit einem letzten, tiefen Atemzug wieder dem Holzofen zuwandte.

VollmondaugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt