Kapitel 4- Krims und Krams

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Es gab kaum einen anderen Ort im Dorf, an welchem sich Mathilde so gerne aufhielt wie im Krimskrams Laden von Jonathan. So hatte sie zumindest diesen Laden liebevoll getauft und sie war davon überzeugt, dass es sich um eine recht zutreffende Namensgebung handelte. Doch das hörte der Besitzer gar nicht gerne. Jonathan bestand darauf, das Mathilde ihn bei seinem korrekten Namen nannte: Krämerladen. Ihm zur Liebe (und zur Vermeidung allgemeiner Konflikten) tat sie dies auch. Aber hinter seinem Ricken war es immer der Krimskrams Laden. Insgeheim freute sie sich immer wenn Kai und sie losgeschickt wurden um kleinere Einkaufe zu tätigen. Denn sie liebte das stöbern durch Jonathans nun ja Krimskrams. Denn der Laden hatte kein klares Verkaufsprinzip. Obwohl das wäre gelogen es gab ein Einziges, sehr simples Prinzip. Welches daraus bestand den fahrenden Händlern als Erster, und zwar vor den restlichen Dorfbewohnern, Alles abzukaufen um die Ware dann später gewinnbringend weiter zu verkaufen. Dieser Plan hatte nur einen Haken: Jonathan war auf die Waren der fahrenden Händlern angewiesen. Und so hatte sich ,über die Jahre hinweg, in seinem Laden eine große Auswahl an vor sich hin staubenden Kuriositäten angehäuft. Das Auge konnte sich hier unmöglich satt sehen. Und während Kai ,zusammen mit Jonathan, die Gegenstande zusammenklaubte für die sie überhaupt erst losgeschickt wurden strich Mathilde durch den Laden und stellte alles auf den Kopf was sie zu fassen bekam.

Heute fand sie ein Glockenspiel, bei welchem jedoch aus jeder einzelnen Glocke der Klöppel entfernt wurde, diverse Schlüssel ohne dazu gehöriges Schloss, einen ausgestopften Wildschweinkopf und eine überdimensional große Krebsschere. Doch der Fund des Tages war eindeutig eine alte Waage. Früher wurde sie bestimmt einmal dazu verwendet  das Gewicht von verschiedenen Münzen zu bestimmen. Die Waage an sich funktionierte einwandfrei. Die wirkliche Kuriosität bestand aus den dazu gehörigen Gewichten. Sie schienen allesamt zu keinem einheitlichen metrischen System zu gehören. Die Beschriftung unterschied sich auf allen Plaketten. Auch die Große und Form der eigentlichen Gewichte war vollkommen irreführend. Mathilde machte sich einen Spaß daraus die Gewichte nach ihrem tatsächlichen Gewicht zu sortieren.

Ein lautes Räuspern von Jonathan holte sie wieder zurück in die Wirklichkeit und Mathilde sah überrascht von der Waage auf. ''Was hältst du davon Mathilde?'' Verlegen kratzt sie sich am Hinterkopf und schenkte Ihrem Bruder ein honigsüßes Lächeln. ''Ich war leider etwas abgelenkt. Worüber habt ihr euch unterhalten?'' Kai schüttelte den Kopf als und blickte verlegen auf den
Boden. Fast so als wurde er sich für seine Schwester schämen. Doch Jonathan nickte ihr aufmunternd vom Tresen aus zu. ''Kein Grund zur Bestürzung mein Kind. Ich freue mich zu sehen, das dich mein Sortiment so sehr fasziniert. Ich hatte dich und deinen Bruder darum gebeten bei Ronny vorbei zu schauen.'' Mathilde warf ihm einen entgeistert Blick zu und kam gleichzeitig ins Zweifeln ob sie ihn wirklich richtig verstanden hatte. ''Versteh mich jetzt bitte nicht falsch Jonathan. Aber wieso in aller Welt sollten wir das tun? Vielleicht ist es dir in deiner jahrelangen Freundschaft zu Ronny noch nicht aufgefallen. Aber er glänzt nicht gerade durch seine Gastfreundschaft.'' Glänzte er überhaupt durch irgendetwas? ''Wie es der Zufall so will'' Mathilde wurde sie streng von Kai unterbrochen noch bevor sie ihren letzten Gedankengang mitteilen konnte ''ist Ronny krank.''

Angesichts dieser guten Nachrichten stieß Mathilde einen kleinen Freudenschrei aus. ''Oh das geschieht ihm ja so Recht!'' Kai starrte seine Schwester schockiert an. ''Wie kannst du nur etwas so gemeines sagen?'' fragte er gleichermaßen bestürzt und aufgebracht. ''Nein Kai das ist überhaupt nicht gemein! Und weißt du auch warum? Hierbei handelt es sich um ausgleichende Gerechtigkeit. Das letzte Mal als ich eine Magenverstimmung hatte, denkst du Ronny hatte da Mitleid mit mir? Oder war auch nur annähernd behilflich? Nein.'' Jonathan gab ein amüsiertes Hüsteln von sich. ''Und diese 'Magenverstimmung' hing aber nicht rein zufällig mit der Feier ,anlässlich der bestandenen Gesellenprüfungen, der Stoffhändler Gilde zusammen?'' Mathilde warf Jonathan einen abschätzigen Blick entgegen. ''Nicht das ich wüsste'' ''Oh das wundert mich keineswegs Mathilde. Denn soweit ich mich an den Abend erinnern konnte warst du nicht einmal mehr in der Lage geradeaus zu laufen'' Mathilde entschied sich dazu sich nicht auf das Niveau von Jonathan herab zu lassen. ''Wenn du dir so viele Sorgen um Ronny machst, dann geh doch einfach selbst nachgucken.'' Kai beobachtet den Schlagabtausch zwischen seiner Schwester und seinem ehemaligen Lehrer, unsicher ob er eingreifen oder sich besser zurückhalten sollte. ''Ich kann den Laden hier ja schlecht alleine lassen'' Mathilde schnaubte verächtlich durch die Nase ''Stimmt es besteht quasi andauern die Gefahr, dass du von Kunden überrannt wirst. Trotzdem werden Kai und ich dir den Gefallen tun. Aber bilde dir bloß nicht ein wir würden es aus Liebe zu dir tun. Ich möchte mir einfach nur diesen Anblick nicht entgehen lassen.'' Und sie stellte das Gewicht, welches sie die ganze Zeit zwischen ihren Händen hin und her gerollt hatte, ein bisschen zu energisch auf dem Tisch ab. ''Komm mit Kai. Wir machen jetzt einen Hausbesuch.''

Kai klopfte behutsam an Ronnys Haustür, trat ein paar Schritte zurück und wartete einige Momente. Keine Reaktion. ''So kann das ja gar Nichts werden Kai. Hier ich zeig dir Mal wie das funktioniert.'' Und Mathilde begann mit beiden Händen gleichzeitig pausenlos gegen die Tür zu trommeln. Aus dem Inneren hörte man einen erbosten Aufschrei und Kai konnte Mathilde gerade noch rechtzeitig aus der der aktiven Gefahrenzone ziehen bevor Ronny die Tür mit aller Gewalt nach außen aufschlug. Es grenzte schon fast an ein Wunder, dass diese dabei nicht direkt aus den Angeln geflogen war. ''Was fällt euch eigentlich ein? Werde ich euch Plagen denn niemals los?'' ''Es tut mir wirklich schrecklich Leid Ronny. Wir wurde von Jonathan geschickt, da er sich Sorgen um dich macht aber seinen Laden leider nicht verlassen kann und...'' ''So weit kommt es noch das mich irgendjemand gesund pflegen will. Ich brauche einfach nur Ruhe. Versteht ihr was das heißt?''
''Keine Sorge Ronny, niemand ist hier um dich gesund zu päppeln. Wir wollten nur gucken wie sehr du wohl schon im Streben liegst. Wo wir gerade schon vom sterben reden. Wer wird eigentlich in deinem Nachlass begünstigt?''

Ronny atmete tief aus und begann sich seine Schläfen zu massieren ''Mathilde, wovon in aller Welt redest du?'' ''Das war vermutlich zu schnell für dich. Wer erbt nach deinem Tod?'' ''Verschwinde einfach!'' Mathilde nahm ihn genauer in Augenschein. Etwas bleicher als sonst war er schon und er atmete auch schwerer als sonst. Um sein Gleichgewichtig zu
bewahren hatte er sich mit dem gesamten Oberkörper im Türrahmen abgestützt. Die Schweißperlen standen ihm auf der Stirn und sein Bart wirkte untypisch vernachlässigt. Normalerweise legte er sehr viel Wert darauf, das dieser ordentlich aussah, auch wenn er das natürlich niemals zugeben würde. Ronnys Pupillen wirkten aus dieser Perspektive auch leicht vergrößert. Es gab seinem Gesicht das gewisse Etwas. War es Hunger oder doch eher etwas animalisch?

''Die beruhigende Diagnose lautet: kein Syphilis.''
''Was in aller Welt ist Syphilis?'' Mathilde hatte schon fast vergessen, dass die beiden ja zusammen aus dem Krimskrams Laden aufgebrochen waren. ''Falsche Frage Kai. Nicht was sondern woher? Woher in aller Welt weiß deine Schwester über so etwas Bescheid. Obwohl nein. Es ist mir wirklich völlig egal. Ich will es nicht wissen!'' ''Vielleicht'' schlug Kai, gut gemeint, vor ''braucht Ronny einfach nur etwas Ruhe.'' ''Das versuche ich euch Beiden doch schon die ganze Zeit klar zu machen.'' presste er
entmutigt hervor. Bald würde ihm sein, sowieso schon sehr ausgereizter, Geduldsfaden mit Sicherheit reißen. ''Bitte geht einfach. Alle ihr zwei.'' und er wies mit dem Finger zwischen Kai und Mathilde hin und her. ''Du solltest weniger Schnaps und mehr Kräuter-tränke zu dir nehmen.'' Auf Ronnys Gesicht schlich sich ein schwaches Lächeln ''Mein Kräutertrank
enthält aber schon 56 verschiedene Kräuter du kleine Besserwisserin.'' Mathilde verdrehte ihre Augen und versuchte sich mit allen Kräften die Ausführungen ,von Schwester Aquina , über die Klostermedizin zurück ins Gedächtnis zu rufen.

''Falls du Nachts nicht zur Ruhe kommen kannst; Baldrian. Bei Bauchschmerzen würde ich dir Fenchel empfehlen. Oh und einen Haufen Johanniskraut. Das hat nämlich stimmungsaufhellende Wirkungen und deine dauernde schlechte Laune ist ja wirklich kaum zu ertragen.''

''Niemand zwingt euch zu bleiben'' fiel Ronny ihr ins Wort. Doch Mathilde überging den Seitenhieb und fuhr unbeirrt fort. ''Und falls du Nichts von alle dem finden solltest nimm Salbei zu dir. Das Kraut ist irgendwie für alles gut. Aber frag mich nicht wieso.'' Kai warf Mathilde einen stolzen Seitenblick zu, welcher Ronny nicht entging. ''Weißt du Mathilde, vor ein paar Jahrhunderten hatte man dich für so eine Aussage noch als Hexe auf dem Scheiterhaufen verbrannt.'' ''Ich kann mir gut vorstellen, dass du dir diese gute alte Zeit gerade wirklich sehr sehnlich zurück wünscht. Aber weißt du was Ronny? Ich mache dir ein Angebot. Wenn du es jetzt auch noch schaffst ganz lieb Bitte sagst könnte ich mir sogar vorstellen dir bei der Zubereitung der Kräuter zu helfen.''

Schweigend schloss Ronny die Tür vor ihrer Nase.

''Mathilde du warst wirklich so kurz davor ein einziges Mal einfach nur freundlich zu einem deiner  Mitmenschen zu sein. Wieso musstest du alles zum Schluss wieder ruinieren?'' Seine Schwester  legte ihren Kopf etwas schief und grinste ihn an ''Sieh das ganze doch mal aus meiner Perspektive. Ich muss Ronny nicht wirklich helfen und ihm geht es gar nicht so schlecht. Ich meine ihm kann es wirklich allzu schlecht gehen wenn er sich nicht einmal dazu überwindet um Hilfe zu bitten oder die ihm angebotene Hilfe anzunehmen'' ''Ich bitte dich Mathilde. Wann hast du denn bitte das letzte mal um Hilfe gebeten'' und er
stieß ihr seinen Zeigefinger gegen den Brustkorb. ''Wenn du einmal wirklich ehrlich zu dir wärst würdest du sehen was alle andern auch schon erkannt haben. Nämlich das ihr Beiden ,und damit meine ich dich und Ronny, euch ja so unglaublich ähnlich seid.'' Mathilde schüttelte bestimmt den Kopf. ''Oh doch'' lachte Kai ''Leugne es ruhig weiter mein Schwesterherz. Aber irgendwann musst du es ja einsehen. Ihr seid euch wirklich ähnlich, zumindest in allen wesentlichen Dingen!''

Bauer Ronny x Mathilde D&D FanfichtionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt