Auseinandersetzung

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Kapitel 8

Ashton

Er starrte seinem Bruder entgegen und fragte sich ehrlich, wie viele Gehirnzellen Wesley bei seinen Kämpfen im Ring verloren hatte, um zu glauben, sich so aufführen zu können. Sereny einfach so aus dem Bett zu zerren und hier hoch zu schleifen, wo sie vollkommen überfordert einfach nur dastehen konnte, war nichts, was Ashton je zulassen würde. Egal, was seine Schwester zuvor getan hatte, er würde sie beschützen. Selbst wenn es bedeutete, sich Wesley entgegenzustellen. Allerdings schien sein Bruder das immer noch nicht so wirklich verstanden zu haben.

"Was macht sie hier? Warum hast du mir nichts gesagt?", fragte Wesley ihn und Ashton zuckte mit den Schultern. Er war seinem Bruder keine Rechenschaft schuldig.

"Sie wird es erzählen, wenn sie so weit ist und auf deine letzte Frage gebe ich dir keine Antwort. Du hast bewiesen, warum es besser war, es dir zu verschweigen. Du benimmst dich wie ein wild gewordener Stier und ich lasse nicht zu, dass sie darunter leidet. Sie hat genug durchgemacht", meinte Ashton und war wieder dabei, sich an den Küchentresen zu setzen und weiter die Bestellliste für die kommende Woche durchzugehen, doch sein Bruder hatte nicht vor, das Thema so einfach fallen zu lassen.

Er war schon immer ein starrköpfiger Mensch gewesen. Als Junge und auch als Mann. Das würde sich jetzt definitiv nicht mehr ändern.

"Ich dachte, du weißt nicht, warum sie hier ist", meinte Wesley misstrauisch und Ashton stöhnte.

Er mochte seinen Bruder, sehr sogar, aber es gab Momente, wo er ihn an liebsten auf den Mond geschossen hätte.

"Weiß ich auch nicht, aber sie saß mitten in der Nacht bei der Familienbehörde, mit keinem anderen Besitz als einem kleinen Koffer. Ich tippe darauf, dass es schlimm war und jetzt braucht sie erst einmal jemanden, der sich um sie kümmert. Ich bin ihr vorübergehender Vormund. Sie bleibt erst einmal hier, bis ich alles geklärt habe!"

"Wir", korrigiert Wesley und Ashton legte sofort die Stirn in Falten, weil er ahnte, worauf sein Bruder hinaus wollte und er selbst hielt das für keine gute Idee.

"Nein. Ich, Wesley. Du hast den Anruf abgelehnt, ohne auch nur zu fragen, worum es ging. Sie hätte irgendwo im Graben liegen können und du hast drauf geschissen! Das disqualifiziert dich dafür, auch nur irgendeine Art von Verantwortung für sie zu tragen. Ich bin ihr Vormund und ich werde mich um sie kümmern! Ich diskutiere darüber nicht, schon gar nicht mit dir und schon gar nicht, solange du angetrunken bist. Geh nach Hause und nüchtere dich aus!", beschied Ashton und wollte dabei eigentlich weniger harsch klingen, denn er konnte sich nur zu gut vorstellen, welches Gefühlschaos gerade in seinem Bruder herrschte. Nach all dem, was er einmal für Sereny empfunden hatte und wohl auch noch immer noch empfand.

Nach all der Zeit hatte Ashton irgendwann geglaubt, Wesley wäre über sie hinweggekommen und benehme sich nur so selbstzerstörerisch, weil es schlicht in seiner Natur lag. Aber so einfach schien es nicht zu sein. Wesley kontrolliert kämpfen und trinken zu lassen hatte ihm nicht dabei geholfen, sie Vergangenheit hinter sich zu lassen. Er war weitaus kaputter als Ashton befürchtet hatte, dabei hatte er doch alles getan, damit sein jüngerer Bruder auf die Beine kam. Wesley verdiente genug Geld für eine eigene Wohnung und seinen Lebensunterhalt finanzieren zu können, blieb aber dennoch lieber in Ashtons Nähe, als fürchtete er selbst, was aus ihm werden würde, wenn sein großer Bruder kein Auge mehr auf ihn hätte.

"Klar doch, du edler Held. Deswegen steckst du sie auch gleich in der ersten Nacht in dein Bett", beschied Wesley bitter und Ashton spürte, wie sich sein Kiefer versteifte und sich seine Hände ballten.

Er hatte ja damit gerechnet, dass Wesley in irgendeiner Art eifersüchtig werden würde. Er hatte sich nie wirklich dafür entscheiden können, ob er Sereny jetzt nun hasste oder immer noch wollte. Aber das war etwas, mit dem er selbst klarkommen musste, mit seinen widersprüchlichen Gefühlen konnte man Wesley nicht helfen. Ashton hatte damit nichts zu tun und Sereny ebenso wenig.

"Eifersucht steht dir nicht, Wes, und ein Recht darauf hast du auch nicht. Im Gegensatz zu dir bin ich nämlich da gewesen, um unsere Schwester abzuholen, während du dich hast volllaufen und verprügeln lassen! Erspar mir und auch ihr einfach diese Doppelmoral und geh endlich ins Bett!", maulte Ashton und hätte seinen jüngeren Bruder nur zu gerne einfach aus seinem Apartment geschmissen, aber das hätte sowieso nicht funktioniert.

Wesley schluckte seinen offensichtlichen Zorn herunter und ging in das Gästezimmer, ohne auch nur scheinbar darüber nachzudenken, in seine eigene Wohnung zu verschwinden und knallte die Tür hinter sich zu.

Ashton stöhnte und drückte Daumen und Zeigefinger gegen seine Nasenwurzel.

War ja klar.

Einerseits war Wesley immer noch wütend auf Sereny und andererseits würde er sie nicht aus den Augen lassen. Wie eine Motte, die es nicht lassen konnte, in das offene Feuer zu fliegen.

Ashton hatte ehrlich gehofft, es vermeiden zu können, damit sein Bruder sich nicht erneut die Flügel an Sereny verbrannte. Aber Wesley war diesbezüglich einfach unverbesserlich.

Er stöhnte und beschloss, dass er eine Kopfschmerztablette und einen weiteren Kaffee brauchte, um das alles auszuhalten. Ashton musste seine Arbeit erledigen, sich dann mit dem beschäftigen, was auch immer Serenys für Probleme hatten, Wesley unter Kontrolle halten und versuchen bei dieser ganzen Scheiße nicht selbst durchzudrehen. Er wollte gar nicht erst wissen, welchen Aufstand Kaja machen würde, wenn sie erfuhr, dass er eine Frau bei sich wohnen ließ. Sie war alles andere als freundlich, was andere Frauen in seine Nähe betraf.

Warum Ashton trotz dieses Stresses irgendwie dennoch das Gefühl hatte, es würde alles nach jahrelangem Stillstand endlich wieder so laufen, wie es sein sollte, wusste er nicht. Aber Serenys Anwesenheit nahm ihm etwas einer Sorge, die sich im Laufe der Jahre immer in seinem Kopf befunden hatte, aber die er sich nicht gewagt hatte laut auszusprechen. So wenig, dass seine aktuelle Freundin nicht einmal wusste, dass er eine Schwester hatte, schon gar nicht eine, die so aussah wie Sereny und die er in seinem Bett schlafen ließ. Ashton wusste, dass er es Katja sofort gestehen sollte. Es war schwer eine Frau zu finden und zu halten und sie wäre weiß Gott nicht die Erste, die ihn verließ, weil er Geheimnisse hatte. Doch der Gedanke, dass sie die Beziehung beendete, war ihm gerade alles andere als unangenehm. Er hatte gerade so viel um die Ohren. Da käme es ihm glatt gelegen.

 Da käme es ihm glatt gelegen

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Sereny - A Woman's World Tale - LeseprobeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt