was könnte herauskommen?

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Kapitel 10

Sereny

"Nein danke, ich muss mich fertig machen", brachte sie mit belegter Stimme hervor und sofort wurden Ashtons Augen schmal. Doch für seine Skepsis hatte sie ebenso wenig Zeit, wie für ihr eigenes Bedauern.

Sie musste in einer halben Stunde im Studio sein.

Sie musste Geld verdienen und dabei war es den Leuten, die sie bezahlten, absolut egal, welche Probleme sie gerade in ihrem Leben hatte. Wenn sie da ankam, musste sie frisch, fröhlich und in bester Form sein. Das verlangte die Professionalität.

"Fertig machen? Es ist mitten in der Nacht, wo willst du hin?", fragte ihr ältester Bruder misstrauisch und als Sereny ihren Koffer umfasste, der direkt neben seinem Stuhl stand, wollte sie seinem Blick ausweichen, aber es war unmöglich.

Seine Augen bohrten sich in ihre und sofort spürte Sereny, wie ihr ein Schauer über den Rücken lief, so intensiv musterte Ashton sie. Sie ahnte, was er glaubte, und beeilte sich damit, den Kopf zu schütteln und sich zu erklären.

"Ich habe einen Job. Ich gehe nicht zu ihr zurück!", bemerkte sie ernst und seine Augen verloren nun etwas von seinem Misstrauen. Genauso, wie sie es sich gedacht hatte. Er hatte geglaubt, sie würde wieder schwach werden und zu ihrer Mutter rennen. Weil er sie für schwach, und vielleicht sogar unzurechnungsfähig, hielt. Sereny sollte sich beleidigt fühlen, wenn sie nicht wüsste, dass all das irgendwie genauso zutraf.

"Es ist immer noch mitten in der Nacht, Sereny. Und nach allem, was gestern Abend passiert ist ..."

"Niemanden kümmert es, was passiert ist, Ashton! Ich brauche das Geld. Jetzt mehr denn je und ich habe keine Zeit mich dafür zu rechtfertigen. Ich habe schon größere Jobs nach kürzeren Erholungsphasen gemeistert. Ich werde auch diese meistern!", gab sie entschlossen zurück, griff nach dem Koffer und rollte ihn in Richtung Bad, wo sie sich schnell umziehen und zumindest das Gesicht waschen konnte.

Dabei spürte genau, wie sich Ashtons Blick in ihren Rücken bohrte, aber sie hatte nicht übertrieben. Sie hatte keine Zeit dafür, doch leicht machte Ashton es ihr mit seinen Verhalten nicht.

Sereny war gerade im Bad angekommen und hatte sich in Rekordzeit ihr dünnes Nachtzeug vom Körper geschält, bevor sie sich mit einer Hand die Zähne putzte und mit der anderen ihr letztes paar frische Unterwäsche hervorzog, die sich noch in ihrem Koffer befunden hatte. Sie musste heute nach diesem Job dringend waschen, oder irgendwie an ihre Sachen im Haus ihrer Mutter herankommen.

Doch da hörte sie auch schon Ashtons tiefe und betont, ruhige Stimme vor der Tür. Er würde nicht so einfach klein beigeben. War ja klar.

"Du solltest schlafen, Sereny und zumindest warten, bis ich das Nötigste geklärt habe oder mir zumindest einen Überblick darüber gemacht habe, was jetzt auf dich zukommt. Die Konten sind gesperrt oder laufen auf den Namen unserer Mutter, deine Verträge wahrscheinlich auch. Bevor du auch nur einen Finger rührst, sollten wir sicher gehen, dass du überhaupt etwas von dem Geld siehst, was du heute zu verdienen beabsichtigst!", meinte er und kurz hielt Sereny inne.

Daran hatte sie noch gar nicht gedacht.

Konnte das sein? Würde das Geld dieses Jobs in die Kasse ihrer Mutter fließen?

Vielleicht, aber wenn, ließe sich das sicher klären.

Sofort Überweisungen an Models war nichts Unübliches und sie könnte die Leute bitten, es ihr sogar bar auszuzahlen.

Dennoch spuckte sie die Zahnpasta aus, schloss gerade ihren BH und riss die Tür auf, um Ashton ins Gesicht zu sehen.

"Ich könnte es mir doch auszahlen lassen!", sagte sie dann aufgeregt und erwischte ihren entgeisterten Bruder dabei, wie er ihr kurz unbeabsichtigt auf die Brüste starrte und seinen Blick dann sofort nach oben zur Decke richtete.

Kurz wunderte sich Sereny über dieses Verhalten, sie war es gewohnt, sich halb nackt vor Männern zu präsentieren und hatte da wenig Schamgefühl. An- und ausziehen zwischen dutzenden Leuten war ihr nur so unangenehm, weil sie große Teile ihres Körpers nicht mochte. Aber verdrängte sie diese Selbstzweifel und fand in ihre Rolle als selbstbewusste Frau erst hinein, konnte sie sogar das abstellen.

"Hast du das schon mal gemacht?", fragte Ashton und bewunderte weiter die hohen Decken seines Appartments.

Sereny schüttelte den Kopf und beschloss, sich schnell das Shirt anzuziehen, dass sie sich herausgesucht hatte. Doch erst, als der Reißverschluss ihrer Jeans ertönte, sah sie, wie Ashton es sich wieder wagte, ihr entgegenzublicken.

Es war ihm sichtlich unangenehm gewesen und Sereny hatte keine Ahnung, warum sie das so traurig machte. Sie war seine Schwester, natürlich wollte er sie nicht halb nackt sehen und bei all ihren Problemzonen....

"Hast du?", fragte er erneut und Sereny schüttelte den Kopf. Es war nie notwendig gewesen, so etwas wie eine Barauszahlung zu verlangen, aber sie wusste, dass es möglich war.

"Ich komme mit. Als dein Vormund will ich das vorher verhandeln. Du wirst nicht arbeiten, wenn auch nur die geringste Chance besteht, dass diese Frau dir das Geld dafür streitig macht!", meinte Ashton ernst und Sereny öffnete die Lippen, um ihn zu widersprechen, bevor sie ihren Mund schnell wieder schloss.

Das war weitsichtig von ihm, auch wenn es ihr Bauchschmerzen bereitete, dass die Leute beim Shooting durch seine Anwesenheit davon erfahren würden, dass Sereny nun einen Vormund hatte. Einen anderen als ihre Mutter.

Wie würde das denn aussehen, gerade jetzt, wo sie volljährig war? Doch was sollte sie schon dagegen tun?

Als sie sich an die Familienbehörde gewandt hatte, war klar, dass eine andere Person sich ab jetzt um ihre Angelegenheiten würde kümmern müssen und Ashton hatte dafür sogar gebürgt. Theoretisch konnte er ihr dieses Shooting sogar verbieten, das musste er zwar aufwändig begründen, besonders wenn Sereny dagegen protestierte, aber letztendlich könnte er es.

Sie mochte zwar eine selbstständige Frau sein, aber ab jetzt musste sie jede Entscheidung mit Ashton besprechen und wenn sie unterschiedlicher Ansichten war, würden sie zu der Familienbehörde müssen und vermitteln lassen. Solange bis die Vormundschaft auslief oder die Auflagen erfüllt wurden...wobei ...

"War die Vormundschaft an Bedingungen geknüpft?", fragte Sereny, denn gestern Abend hatte sich Sereny nicht für die Papiere interessiert, die Ashton unterschrieben oder die, die Familienbehörde ihr selbst vorgesetzt hatten. Sie war viel zu erstarrt gewesen, von dem, was sie hatte erfahren müssen. Diese Pillen...

"Hm? Nein. Sie läuft in vierzehn Tagen aus, es sei denn bei dem Gesundheitscheck wird etwas festgestellt", meinte Ashton lapidar und war schon dabei, seinen Computer wegzupacken und seine Jacke anzuziehen, um sie zu begleiten, wie er es angekündigt hatte.

Gesundheitscheck.

Er sagte das so ganz nebenbei, aber als ihr Bruder Serenys Gesichtsausdruck bemerkte, wurde er wieder misstrauisch. Konnte man ihm nicht verdenken. Sie war so erschrocken, dass selbst sie merkte, wie ihr das Blut aus dem Gesicht wich.

"Wieso? Was könnte den herauskommen, Sereny? Ist dir etwas passiert, hat dich irgendwer..."

"Nein!", fuhr sie ihm dazwischen, bevor er noch weitere Verdächtigungen ansprechen konnte. Sie war noch nicht bereit darüber zu sprechen, konnte nicht einmal darüber nachdenken. Natürlich hatte sie gewusst, dass sie sich früher oder später durchchecken lassen müssen, aber ... sie hatte Angst vor den Ergebnissen. Also zwang sie sich dazu nicht so panisch dreinschauen wie sie sich fühlte,

"Natürlich nicht. Ich hab mich nur gewundert. Die Frau von der Behörde meinte, ich bekäme nur eine Auflage zum Arzt zu gehen, wenn ich ins Frauenhaus müsste", sagte sie so neutral wie möglich und Ashton verengte die Augen, als würde er merken, dass etwas nicht stimmte. Aber wenn er tatsächlich glaubte, sie würde lügen, sagte er nichts. Vorerst.

"Keine Auflage, dann wäre der Check Grundvoraussetzung gewesen. Quasi sofort. Als ich kam, haben sie es mir zur Auflage gemacht, mit dir in den nächsten achtundvierzig Stunden einen Arzt aufzusuchen. Wir sollten das übrigens gleich nach deinem Shooting erledigen", meinte er und Sereny war sich ziemlich sicher, dass er die medizinische Untersuchung nur deshalb direkt an ihr Shooting hing, weil er ihr misstraute.

Verübeln konnte sie es ihm nicht, schließlich verheimlichte sie ja tatsächlich etwas.

Sereny - A Woman's World Tale - LeseprobeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt