Kapitel 11
Ashton
Sereny schwieg während der gesamten Fahrt zum Shootingort und Ashton versuchte mit seinem Blick zwanghaft zu erfahren, was hinter dieser hübschen Stirn vor sich ging. Er müsste ein Idiot gewesen sein, um nicht zu bemerkten, dass etwas nicht stimmte.
Sereny hatte Angst vor dieser auferlegten Untersuchung beim Arzt und er wollte unbedingt wissen, wieso.
Was versteckte sie? Was war mit ihr geschehen und warum, zum Teufel, verlor er angesichts der Tatsache, dass sie ein Geheimnis hütete, so sehr die Geduld?
Ashton war nie so impulsiv wie Wesley gewesen und hatte stets bewiesen, dass er allem mit einer gewissen Ruhe und Geduld nachgehen konnte. Doch im Moment spürte er nichts dergleichen. Dabei war Sereny ihm nicht wichtiger als Wesley. Eigentlich musste er sogar zugeben, dass er kaum Bezugspunkte zu Sereny als Schwester hatte, während er mit Wesley bereits seit Jahren zu tun hatte. Sein jüngerer Bruder hatte ihm während seiner Zeit als Model und vor allem danach immer mehr gebraucht als Sereny, die von Fera bis dahin eher ignoriert worden war. Vielleicht war genau das Problem: Niemand hatte sich wirklich um sie gekümmert. Nie.
Sie war definitiv vernachlässigt worden und wenn sie mal die Aufmerksamkeit ihrer Mutter geraten war, dann war das alles andere als positiv verlaufen. Kritik war alles, was Sereny je zu hören bekommen hatte - auch von ihm und Wesley.
Für einen Moment ballte Ashton die Fäuste, als er daran dachte, welchen Druck er und Wesley damals auf sie ausgeübt hatten, als sie versuchten, ihr Sorgerecht zu bekommen. Es war ihre Pflicht gewesen, es zumindest zu versuchen und Wesley hatte quasi darauf bestanden, alles zu versuchen, um auch Sereny von Fera wegzubekommen, aber für Ashton selber war es ehrlich gesagt nur ein Mittel gewesen, um ihrer Mutter endlich das Handwerk zu legen. Zu behaupten er wäre ein guter Bruder gewesen, wäre also eine Lüge.
Das tat ihm leid, denn er hatte das Gefühl selbst mitschuld an ihrer Situation zu sein, die scheinbar so schlimm war, dass Sereny sich vor einer ärztlichen Untersuchung fürchtete.
Am liebsten hätte er den Kurs dieser Gondel geändert und sie sofort zu einem Arzt gefahren.
Zum Teufel, warum redete sie nicht mit ihm?
Er presste den Kiefer aufeinander bis er begann zu Schmerzen und war ehrlich bemüht, nichts zu sagen, aber immer wenn Serenys Blick etwas weiter in die Ferne rückte, sah sie unfassbar traurig aus. Traurig und müde. Ausgelaugt, erschöpft. Das hatte ihre Mutter zu verantworten, weil Wesley und auch er selbst versagt hatten. Wäre ihr Verhältnis damals besser gewesen, hätte sich Sereny wohl niemals von Fera manipulieren lassen. Er konnte sich nur ausmalen, was sie die Jahre über hatte durchstehen müssen, Wesley war an diesem Buisness fast vollständig kaputt gegangen.
Auch bei Sereny hatte es Spuren hinterlassen. Und dennoch saß sie hier, hatte die Disziplin bewiesen aufzustehen und ihrer Arbeit nachzugehen. Eine bewundernswerte Eigenschaft, die er ihr positiv angekreidet hätte, würde es sich dabei nicht um einen Job handeln, der so unfassbar oberflächlich und toxisch war.
Ashton hatte dabei zugesehen, wie diese Welt aus Mode, Schönheit und Show Charaktere verdarb, Leben zerstörte und nur das Schlimmste in den Menschen hervorbrachte, wenn diese nicht irgendwie daran zerbrachen.
Sereny war zu gut für diese Welt und hätte wahrscheinlich nicht lange in dieser Umgebung überlebt, wenn Fera nicht eine Art Käseglocke über Sereny gestülpt hätte, um sie vor dem Schlimmsten zu bewahren. Den Ausnutzen durfte ihre Tochter nur sie selbst.
Als die Gondel hielt, zögerte Sereny aber nicht und stieg aus, wobei sie den Bordstein so schnell überschritt, dass Ashton ihr verwundert hinterher hetzen musste. Der Gang einer Frau, die wusste, dass Zeit Geld war. War sie jemals nur ein Mädchen gewesen? Hätte sie es sein können, wenn Ashton sich nur ein wenig mehr angestrengt hätte?
"Guten Morgen, Miss Sinclair", begrüßte ein Mann mit einem mobilen Bildschirm sie beide und klebte sich an Serenys Seite, ohne diese ihren Schritt verlangsamen musste.
"Die Maske ist bereit, der Designer kommt jeden Moment, das Shooting beginnt in drei Stunden", sagte er kurz und Sereny nickte, während Ashton verwundert eine Augenbraue hob.
Das sollte ihn nicht wundern. Die Maske dauerte in der Regel immer länger als das Shooting an sich, aber drei Stunden waren ein wirkliches Kaliber. Kein Wunder, dass Sereny mitten in der Nacht auf der Matte stehen musste.
"Drei Stunden sind ziemlich lang", kommentierte er und Sereny blieb mit dem Mann, der alles hier zu organisieren schien, vor einer kleinen Tür stehen.
"Miss Sinclair wird das Kleid auf den Körper genäht, im wahrsten Sinne des Wortes und Sie sind?", fragte der Mann und weil Ashton nicht wusste, als was Sereny ihn vorstellen wollte überließ er ihr das Antworten. Er wollte sie nicht bloßstellen.
"Mein Bruder. Er muss einige Organisatorische Dinge für mich klären, was die Bezahlung angeht, warum bringen Sie ihn nicht zur Verwaltung?" fragte Sereny und Ashton beschloss, dass dies wohl die beste Strategie war.
Sereny wollte diesen Job machen und er verspürte bereits bei der Vorstellung, ihr auch noch dabei zuschauen zu müssen, wie ihm die Laune in den Keller rutschte. Er war nicht hilfreich wenn er es ihr schwerer als nötig machte. Zudem hatte er ja tatsächlich eine Mission hier. Er musste dafür sorgen, dass Sereny für diesen Job auch bezahlt werden würde.
"Äm natürlich. Folgen Sie mir einfach Mr Sinclair", meinte der Mann nur und nickte Sereny noch einmal kurz zu, was wohl jede 'Viel Glück' Floskel ersetzen sollte.
Dafür, dass diese Branche sich der Schönheit verschrieben hatte, gingen hier alle ziemlich kalt, um nicht zu sagen, hässlich miteinander um. Vielleicht war Ashton aber auch einfach empfindlich, was das anging.
"Ich komme zu dir, sobald ich alles geregelt habe. Lass dich nicht zu sehr quälen", übernahm Ashton daraufhin die aufmunternden Worte, die ihr hier niemand sonst zukommen ließ. Das schien sie zu überraschen, denn Sereny sah kurz blinzelnd zu ihm hinauf, bevor sie dann nickte und hinter der Tür verschwand.
Der Organisator betrachtete ihn eingehend, verkniff sich aber ein Kommentar bevor er sich wortlos umdrehte und wohl erwartete das Ashton ihm zu einem provisorischen Büro folgte an dem zwei Männer standen und in einem Gespräch vertieft waren, als sie den Raum betraten.
"Ich kann Sie nicht ihrer Werbewirkung entsprechend bezahlen. Das Budget des Konzerns ist nicht so groß. Wenn Sie tatsächlich für den Ausfall einspringen möchten, wäre es uns eine Ehre, aber es bleibt bei der Vergütung", meinte der etwas ältere Mann, der in seinem Anzug wohl der Vertreter der Firma war, die diese Werbekampagne in Auftrag gegeben hatte. Und der Mann mit dem unfassbar strahlenden Lächeln, den perfekt sitzenden Haaren und der stolzen Haltung wirkte alles andere als wütend deswegen.
"Ich weiß. Unter der Vorraussetzung, dass ich mit Sereny Sinclair zusammenarbeiten kann tue ich das gerne", meinte ausgerechnet Zack fucking Dorm. Dieser scheinheiliger Schönling, der schon einmal versucht hatte sich Sereny zu nähern und auch wenn Ashtons Schwester immer beteuert hatte, dass da zwischen ihr und Zack nie etwas gewesen wäre, ließ dieser Mistkerl es definitiv so klingen.
"Nun sie sollte mittlerweile eingetroffen sein, ich danke ihnen Mr Dorm", meinte der Vertreter sichtlich davon überzeugt, dass es sich dabei um eine Glücksgriff handelte. Kein Wunder. Zack Dorm spielte normalerweise in einer höheren Liga. Dass er hier war, lag an Sereny und egal wie sehr sich Ashton auch vorgenommen hatte, sich da herauszuhalten. Er mochte diesen viel zu glatten Schönling nicht.
"Was wollen Sie von meiner Schwester?", rutschte es Ashton offen aggressiv heraus und die beiden Männer drehten ihr Gesicht zu ihm und schienen verwirrt.
Kein Problem. Ashton würde es ihnen schon verdeutlichen. Ihnen allen. Vielleicht hatte er in der Vergangenheit Fehler gemacht, aber das bedeute nicht, dass Ashton diese wiederholen würde. Diese Männer sollten die Finger von seiner Schwester lassen!
DU LIEST GERADE
Sereny - A Woman's World Tale - Leseprobe
RomanceIn einer Welt von genetischer Perfektion und der Vorherrschaft der Frau lebt die junge Sereny Sinclaire ein eigentlich perfektes Leben. Zusammen mit ihrer Mutter treibt sie ihre Model-Karriere an und versucht, alles um diese Stolz zu machen. Bis zu...