Kapitel 5

16 4 1
                                    

Alles ging so schnell, dass ich nicht mal schreien konnte. Noch während ich fiel, passierten zwei Dinge gleichzeitig. Rhome tötete den zweiten Mann endgültig und mein Bruder stürzte auf mich zu. Ein Ruck ging durch meinen linken Arm als Noàr ihn zu fassen bekam. Pash griff nach meinem zweiten Arm und die beiden zogen mich hoch und legten mich auf den Boden. Ich setzte mich auf, da ich mich nicht traute aufzustehen. Der Schattenprinz musterte mich besorgt. „Es sieht schlimmer aus als es ist" murmelte ich. Noàr schnaubte gereizt „Ich denke es ist eher schlimmer als es aussieht." Zwei starke arme schoben sich unter meinen Rücken und meine Beine, dann wurde ich hochgehoben. Ich protestierte nicht. Mir ging es tatsächlich nicht so gut. Noàr hatte recht, wie immer. Aber das würde ich niemals sagen, gegenüber den anderen würde ich meine Schwäche niemals zugeben. Mein Bruder wusste das. Mein Kopf sank gegen Noàrs warme Brust. Mir war in meinem zerrissenen Kleid eiskalt. „Sobald wir im Palast sind, will ich wieder selbst laufen" flüsterte ich leise. Er nickte nur. Dann flogen wir auf Nox Richtung Teeravad.

Noàr setzte mich vor dem Palast ab, ich schwankte kurz bevor ich mein Gleichgewicht wieder fand. Ich lächelte Noàr kurz zu. Dann versteinerte sich meine Miene. Das Tor zum Palast ging auf und der Waldfürst gefolgt von seiner Gemahlin eilten auf uns zu. Mit einer wütenden Geste brachte ich die beiden zum Schweigen. Mit langen schritten lief ich auf den Palast zu und an den Höflingen, die mir klugerweise schnell aus dem Weg gingen, vorbei. Ich steuerte auf die Treppe zu, als ich hinter mir ein Verächtliches schnauben hörte. „Prinzessin Kiara, ihr seht wütend aus. Liegt das daran, dass die Waldkrieger euch nicht ausreichend geschützt haben, oder weil ihr unfähig wart euch zu verteidigen", höhnte der Wolkenprinz. Ich drehte mich um, Ifar stand am rechten Ende des Saales. Neben ihm seine Schwester Amethia, die gar nicht glücklich über die Bemerkung ihres Bruders zu sein schien. „Eher daran, dass überhaupt Faheen herkommen konnten", fauchte ich gereizt. „Hat das Schattenreich nicht eigentlich den Ruf, neben der Wolkenfeste die besten Krieger zu haben? Ihr seht nicht so aus, als ob ihr euch gut verteidigen könntet." Stichelte Ifar weiter. „Ich denke mal, dass ich im Moment nicht so aussehe, als ob ich diese Konversation weiterführen wollen würde" zischte ich. Damit drehte ich mich um und verließ den Raum. In meinen Gemächern warteten bereits zwei Zofen, die mir beim Umziehen und Baden halfen.

Die nächsten Stunden, hatte ich mit entspannen verbracht, als es an der Zimmertür klopfte. „Herein!" rief ich. Als die Tür auf ging und ich das schmale weißblonde Mädchen erblickte verfinsterte sich meine Miene. Ich hatte gehofft, dass es Noàr sein würde, der mir mitteilte, dass wir wieder nachhause fliegen würden. „Prinzessin Kiara" lächelte die Wolkenprinzessin leicht. „Schön zu sehen, dass es euch offensichtlich besser geht." „Ja, ich bin wohlauf. Was führt euch in meine Gemächer?" murmelte ich genervt. „Wollt ihr die Unterhaltung eures Bruders wieder aufnehmen?" Jetzt senkte Amethia ihren Kopf. „Was mein Bruder gesagt hat, war nicht fair. Ihr müsst euch vor mir nicht rechtfertigen." Flüsterte sie. Ihre Stimme hatte einen Entschuldigenden Klang. „Aber ich bin eigentlich hier, um euch etwas Gesellschaft zu leisten. Es ist doch bestimmt langweilig allein." Ich fand sie nett, und irgendwas in mir, wollte dass sie blieb. Also lächelte ich und machte ihr auf dem Bett Platz. Anfangs unterhielten wir uns nur über unverfängliche Dinge, wie den Schattenhof und die Silberfeste. Dann fragte sie mich, was ich all die Jahre gemacht hatte. Ich erzählte ihr vom Schattenberg und meinem Shendai, und sie mir von ihrer Wyver. Wir lachten tatsächlich etwas. Mittlerweile mussten Stunden vergangen sein, als sich Amethia verabschiedete. „Vielleicht sollten wir das hier lieber vor unseren Brüdern geheim halten?" fragte ich. „Wäre vielleicht besser" stimmte sie mir zu „Ifar würde ausrasten, wenn er davon erfährt" grinste sie, als ob ihr die Vorstellung gefallen würde. „Noàr auch" lächelte ich. Amethia war gerade weg, da vermisste ich sie auch schon wieder. Ich hatte wenige Freundinnen. Mit Keeza war ich gut befreundet und auch mit Zima verstand ich mich gut, auch wenn Noàrs Freunde mit das verübelten. Mit meinem Bruder redete ich nicht über sie. Aber ansonsten kannte ich auch niemanden, nur ein paar flüchtige Begegnungen. Bei dem Gespräch mit der Wolkenprinzessin hatte es sich ein bisschen so angefühlt wie mit einer Freundin. Es war spät, als Noàr in mein Zimmer kam. „Wie geht es dir, kleine Schwester?" fragte er leicht besorgt. „Gut, ich habe meine Wunden geheilt. Hast du mit Vater gesprochen?" Noàr sah mich mitfühlend an. „Kiara, Vater hat gesagt, dass wir bleiben sollen." „WAS?!" fauchte ich ungläubig. „Ich bin fast gestorben und er will das ich hierbleibe?!" jetzt war ich richtig wütend. „Kleines, ich kann es nicht ändern, er ist unser Fürst und noch dazu unser Vater. Wir können uns seiner Anweisung nicht wieder setzten, wir dürfen es nicht. Du solltest jetzt schlafen." Er nahm mich kurz in den Arm und ich wusste das er recht hat. Mein Bruder verließ das Zimmer und ich zog mich um. Dann ging ich ins Bett und schlief fast sofort ein.   

Cassardim - Die Prinzessin der SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt