Kapitel 6

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Es klopfte an der Tür. „Gleich!" rief ich gestresst. Meine Zofen waren in der Früh nicht aufgetaucht und ich hatte verschlafen. Schnell zog ich ein dunkel rotes Kleid an. Es würde gleich in der Früh ein Bankette geben. Dieses Mal hatte das Kleid einen tiefen Ausschnitt und schöne Musterungen. Ich kämmte kurz meine Haare und steckte sie dann hoch. Die Frisur war nicht perfekt, aber es konnte sich sehen lassen. Ich schminkte mich dezent und trat vor die Tür. „Guten Morgen, eure Hoheit" grinste Rhome. Ich nickte nur kurz. „Du hast lange gebraucht, Kiara. Alles in Ordnung?" „Jaja, meine Zofen waren nicht da um mich zu wecken" antwortete ich schulterzuckend. Er blieb stehen. „Noár wollte nicht, dass sie bei dir bleiben. Er hat meiner Schwester Bescheid gesagt. Sie wird in wenigen Stunden da sein und in deinem Zimmer auf dich warten." fragend sah ich ihn an, ich musste die Frage nicht laut aussprechen. „Er meinte, dass die Zofen ein Risiko sind. Er meinte, dass sie den Faheen vielleicht gesagt haben wo du bist. Anders konnte sich das keiner erklären." Ich nickte nur. Es erschien mir durchaus möglich, aber nicht besonders wahrscheinlich. Mehr Zeit darüber nachzudenken hatte ich nicht. Wir betraten den großen Saal, sofort richteten sich fast alle Blicke auf mich. Rhome zog sich an den Rand des Saales zurück und ich ging elegant zu meinem Platz. Noàr war noch nicht da, das war ungewöhnlich. Auch Ifars Platz war leer. Amethia lächelte mir unauffällig zu und ich erwiderte es ohne, dass jemand es bemerkte. Wir begannen nach einem Trinkspruch von der Waldfürstin zu essen. Ich unterhielt mich mit unterschiedlichen Leuten neben und gegenüber von mir. Ab und an trafen sich Amethias un meine Blicke. Noár und Ifar tauchten erst eine halbe Stunde später auf. Mein Bruder setzte sich neben mich und wir tauschten ein paar bedeutungsvoll Blicke aus. „Wo warst du?" flüsterte ich „Nicht hier. Nicht jetzt." lautete die knappe Antwort. Ich hatte den Verdacht, dass Ifars Kommentar gestern der Auslöser für die Verspätung der beiden war.

Als das Bankett vorbei war, machte ich mich auf den Weg, zurück in mein Zimmer. Auf halben Weg kam holte mich die Wolkenprinzessin ein. „Hey, wie geht es dir?" flüsterte sie. Dabei schenkte sie mir ein Lächeln, bei dem ich sofort zurück lächelte. „Gut." Ich überlegte kurz, dann meinte ich: „Wollen wir uns in einer halben Stunde am Waldrand treffen? Ich würde hier gern mal wieder raus." Sie sah mich verwundert an, hatte ich etwas falsches gesagt? Dann lächelte sie und nickte. „Bis dann" flüsterte sie und verschwand in den neben Gang.
Tatsächlich wartete Keeza schon auf mich, Rhomes Halbschwester hatte es sich in einem Sessel gemütlich gemacht. „Guten Morgen, Kiara. Noár war gerade hier, du sollst dich umziehen und in die Eingangshalle kommen." Ich verdrehte die Augen, natürlich gab mir mein Bruder mal wieder Anweisungen. Noár hatte recht, wir mussten reden. Keeza amüsierte sich über meinen Unmut, endlich war sie mit meiner Frisur fertig, ich hatte ein schwarzes Kleid an, mit dem ich auch auf meinem Shendai reiten konnte. Mein Sattel war extra dafür gemacht, dass ich auch mit einem Kleid drauf sitzen konnte. Ich hatte Keeza nicht sagen können, das ich Hunter später brauchen würde, um in den Wald zu fliegen und die Wolkenprinzessin zu treffen.
Noár wartete bereits auf mich, als ich endlich eintraf. „Komm, gehen wir ein Stück. Ich will ungern hier reden" mein Bruder sah mich eindringlich an. Es schien ihm wichtig zu sein. Aber viel Zeit hatte ich nicht. Als wir endlich weit genug vom Palast weg waren, begann ich das Gespräch. „Du bist wegen Ifar zu spät gekommen, oder? Was ist passiert?" „Nichts, was für dich von Bedeutung wäre" brummte er. „Hey, Noár. Rede mit mir, ich will wissen auf was ich mich vorbereiten muss." „Wie gesagt, es ist nicht wichtig! Wir haben dass geklärt" fauchte Noár jetzt deutlich gereizter. Auch ich verlor langsam die Geduld „Ich kann mich selbst verteidigen. Ifar ist nervig, aber ich komm schon mit ihm klar! Du musst mich nicht immer beschützen." „Doch, dass muss ich." „Habt ihr euch geprügelt?" „Auch" „Hat er dich provoziert, indem er mich als Schwach bezeichnet?" „Ja" „Hat er gesagt, dass du..." „Kiara, es reicht! Es geht dich nichts an!" Damit erklärte er das Gespräch für beendet und ging einfach. Ich sah ihm verletzt nach. Das Gespräch ging nicht mal fünf Minuten. Wie immer. Noár bevormundete mich. Mal wieder. Er war doch derjenige, der mit mir reden wollte. Warum drehte er es jetzt so, dass ich die Schuldige bin? Ich drehte mich um, und rannte zu Hunter. Dann sattelte ich den Shendai und flog Richtung Waldrand. Dort sah ich schon Amythia und ihre Wyver auf einer großen Lichtung. Als ich landete fauchten sich unsere Reittiere an. Fast gleichzeitig wiesen wir sie zurecht. „Hey! Ich dachte schon du kommst garnicht mehr" lachte sie. „Ein Treffen mit meinem Bruder" „ Oh, hast du deshalb so schlechte Laune? Dein Bruder ist ja nicht gerade nett." Erstaunt sah ich sie an. „Oh...also ich....naja, ich...wollte dir nicht zu nahe treten. Also ich wollte dich nicht beleidigen" stammelte sie jetzt. „Schon ok, mein Bruder ist schwierig, aber ich komm schon klar. Was ist mit deinem Bruder?" stellte ich die Gegenfrage. „ Ifar...naja, er bevormundet mich immer und sagt mir, was ich zu tun und zu lassen habe" schnaubte sie. „Das kenne ich nur zu gut" murmelte ich leise. Daraufhin lachten wir beide. „Hat deine Wyver einen Namen?" „Aja. Und dein Shendai?" „Er heißt Hunter" lächelnd sah ich zu der schwarzen Raubkatze. „Sie scheinen sich ganz gut zu verstehen, was meinst du? Ist doch eher ungewöhnlich." Ich stimmte Amythia zu. Unsere geflügelten Gefährten beschnuppert sich gerade, Hunter maunzte sogar leise. „Wir verstehen uns ja auch gut, warum sollten unsere Tiere das nicht auch tun?" ich lächelte die Wolkenprinzessin an. Wir unterhielten uns noch eine ganze Weile, immer wieder fanden wir Gemeinsamkeiten und Unterschiede, bis plötzlich ein metallisches Kreischen gefolgt von einem Brüllen ertönte. Unsere Reittiere antworteten leider. „Ich glaube wir wurden entdeckt" zischte mir meine neue Freundin zu. Nur wenige Augenblicke später landeten ein Shendai und eine Wyver vor uns und unsere Brüder sprangen von ihren Rücken. Beide sahen sehr wütend aus. Was hatten wir uns da nur eingebrockt?

Cassardim - Die Prinzessin der SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt