Prolog

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Freiheit.

Ein Wort, so viele Bedeutungen. Man ist frei von Gewalt. Frei von Hass. Frei vom Leben. Und doch ist man von etwas befreit, hat aber dennoch keine Hand am Steuer.

Y'vrani hatte in ihrem Leben noch nie Kontrolle. Sie war umgeben von Hass und Gewalt. War nie glücklich im Leben, und wenn sie einmal Glück oder Freude verspürt hat, dann war es im gleichen Moment wieder vorbei.

Sie wurde nie geliebt. Wie denn auch? Sie war eine Weise, lebte auf der Straße New Yorks. Sie hasste es, kannte aber nichts anderes. Sie wusste nicht, wer dort draußen, von den acht Milliarden Menschen, ihre Eltern sei. Ihr war es recht. Sie musste nicht alles wissen.

Nachts ging sie hungrig ins Bett, morgens musste sie schauen, ob ihr Hab und Gut noch da ist. Diebe gab es auch unter den Obdachlosen. Viele mögen Mitgefühl mit einer 15-Jährigen haben, aber viele nutzen sie aus.

Als sie 10 Jahre alt war, wurde ihr befohlen Dinge zu stehlen. Geld, Münzen, Essen. Alles was man zum Überleben brauchte. Kleine Hände, kleiner Körper, diese Eigenschaften halfen beim Stehlen.

Jetzt aber, versucht das Mädchen so gut es geht die Wintermonate zu überstehen. Ihr war kalt. Feuer konnte sie keines machen. Zu wenig Materialien die brannten oder gar etwas zum Feuer machen.

Sie dachte oft darüber nach sich selbst umzubringen. Aber sie war zu feige. Oft war sie kurz davor, aber immer zog sie den Kürzeren. Ob mit einem rostigen Messer oder gar von einer Brücke zu springen. Tränen flossen immer.

Aber man gewöhnt sich daran. Zumindest redete Y'vrani sich das ein. Ein schmerzender Rücken und von der kälte zerstörte Lunge war das einzige an das man sich nach einer Zeit gewöhnt. Aber das Leben auf der Straße, auch wenn man dort aufgewachsen ist, ist etwas an das man sich nie richten kann.

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Gelächter und schmerzen im Unterleib weckte das Mädchen auf. Eine Gruppe von Jugendlichen die Y'vrani dauernd auslachten und schlugen, stand vor ihr.

Es war eine Befreiung, auch nur für kurze Zeit, aber diesen Schmerz zu fühlen, zeigte ihr, wie lebendig sie doch ist. Auch wenn sie sich oft nicht so fühlt.

„Hey! Verschwindet!" schrie ein Mann, er war einer der vielen die hier in der Stadt Obdachlos war. Viele hielten zusammen, manche machten Gruppen, plündern andere Obdachlosen oder gar Supermärkte.

Y'vrani aber blieb liegen, auch wenn Robert, so hieß der Mann der wie so oft die Jungs verscheucht, vor ihr stand und ihr aufhelfen wollte.

„Du musst etwas unternehmen. Sie kommen immer öfter und in unregelmäßigen Abständen." Robert seufzte, als er keine Antwort von dem Mädchen bekam.

Dem aschblonden Mädchen war es aber egal. Sollen sie noch einmal kommen. Sollen sie sie noch einmal schlagen. Sollen sie kommen und sie töten. Ihr war alles egal.

Ihr war kalt. Nicht weil es schneit und die Schneeflocken vor ihren Augen herumtanzten, sondern weil sie wieder merkte, wie kalt ihr Herz doch von Tag zu Tag wird.

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„Komm iss etwas." Der ältere Mann hielt ihr eine Schüssel mit Suppe vor die Nase. Ohne seiner Hilfe wäre Y'vrani schon längst verhungert. „Danke." Bekam er als Antwort. „Sie kann also doch sprechen." Im Augenwinkel sah sie, wie er lächelte, aber das Lächeln war schon im nächsten Moment aus seinem Gesicht verschwunden, als er wie jeden Tag stark zu Husten anfing.

Beide wussten, dass er diesen Winter ohne Medikamente nicht überleben wird. Er hatte kein Geld, und sie wollte keine besorgen. Er gab ihr nicht die Schuld, er wusste, dass sie unter Depressionen litt, und somit keinen Sinn im Leben hat. Aber er muss den Winter überstehen, denn wenn Robert stirbt, stirbt auch Y'vrani. Das Mädchen was er wie seine Tochter in seinem Herzen hält. Natürlich weiß sie davon nichts, ihr wäre es auch egal, was er fühlt und macht.

Zumindest glaubt er und auch sie das, denn in der hintersten Ecke ihres Herzens war doch noch ein weicher, liebevoller und glücklicher Teil von ihr. Nur weiß sie nicht, wie sie diesen Teil erwecken kann.

Und doch wird der Teil ihres Herzes in nächster Zeit weich, und voller liebe sein. Hindernisse werden folgen, Komplikationen ihr Leben schwer machen, schwerer als es jetzt schon ist. Aber auch ihre Krankheit wird geheilt. Depression. 

In der Zeit zurück - Taffnuss FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt