Der Schock

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Ich konnte spüren, wie mir mein Herz in die Magengegend rutschte beimAnblick des schwach blauen Strichsfür positiv, welcher mir vom Stab auf dem Waschbeckenentgegen blickte. Ich seufzte und setzte mich auf den Rand derBadewanne, den Kopf von der Niederlage gesenkt.

Ich wusste, dass es nun keinen Ausweg mehr gab.

Diese unschuldigen Besuche in Max's Zimmer - Wann immer ich Angst hatte, Nervös oder Einsam war - hatten sich über die Wochen in etwasanderes verwandelt und nun weiß ich, dass es für mich kein Entrinnen mehr gibt. Ich kann jeden anlügen. Aber das der Tag kommen wird, an dem jeder wissen wird, dass dieses kleine schwarzhaarige Bündel - in meinen Armen - von niemanden außer ihm sein konnte, dasweiß ich.

Ich beugte mich über meine Knie und kann spüren, wie mir die Galle vor Angst in die Kehle stieg. Ich weiß, dass ich keine andere Wahl hatte als IHN um Hilfe zu bitten. Er war schon immer mein Fels in der Brandung gewesen und dies würde sich so schnell auch nicht ändern.

Nicht nach alle dem was wir gemeinsam durchgestanden haben.

Ich liebe ihn mehr als alles andere auf dieser Welt und das - nicht erstseit kurzem - auch auf eine Art und Weise, die mehr als das ist, wasman sich unter der sozialen Norm vorstellt. Ich liebe meinen Zwillingsbruder und ich fühle mich erstaunlich gut damit. Ich habe auch nicht vor, das sich irgendwas in meinem Leben ändert, denn ichbin zur Zeit glücklich mit dem wie es ist.

Doch das war nicht immer so: Noch vor weniger als einem haben Jahr hätte ich mich für meine Gedanken am liebstem selbst erschlagen. Doch jetzt? Jetzt, wo mir - durch Max seine Hilfe - alles klarer wird, und ich endlich anfange mich nicht mehr für mich selbst zu hassen? Wo wir beide endlich einen Weg gefunden haben, um mit unseren zu starken Gefühlen zu leben? Jetzt kommt dieser Unfall dazwischen ... Dieses Baby ... Ein Unfall? Ist es das? Dieses Baby, wenn auch ein Unfall, es gehört dazu.

Ein Klopfen an der Badezimmertür riss mich aus meinen Gedanken und ich weiß, es war beinahe Zeit herauszukommen und meine Eltern wissen zulassen, was wir getan haben. Vielleicht könnte ich sie etwas in dieIrre führen, ihnen sagen, dass es eine Nacht mit Cole auf seiner„Willkommen zurück" - Party und der Alkoholkonsum für Minderjährige gewesen sei. Vielleicht.

Vielleicht ...

"Phoebe, bist du in Ordnung?", erklang die Stimme meines Daddy's gedämpft durch das lackierte Holz der Badezimmertür. "Deine Mutter macht sich wirklich Sorgen um dich. Du hast dir noch nie eine DVD-Nacht entgehen lassen."

"Ja, Dad. Mir geht es gut. Nur etwas ... Äh. Übel. Uhm", ich schluckte und versuche gegen eine Welle der Übelkeit, die über mich hinwegrollt, anzukämpfen. "Ich bin in Ordnung. Nur. Äh. Frauenprobleme."

"Ohh. OH! Sag nichts mehr! Wirklich. Deine Geschwister werden den ersten Film bald starten und deine Mum und ich gehen etwas essen ... Außerhalb. Wenn du uns brauchst, lass es uns wissen. Okay, Prinzessin?"

"Okay, Dad. Danke."

Ein erleichtertes Seufzen und verklingende Schritte ließen mich wissen, dass es sicher war sich über die Toilette zu lehnen und das bisschen Pizza, welches ich während des Abendessens drin behalten hatte, zuverlieren. Ich kämpfe mit den Tränen, welche mir in die Augen zusteigen drohten, als ich mir die winzig kleine Version meines Zwillings, welcher in meinem Bauch heranwuchs, vorstellte. Was sollte ich tun?

Ich konnte weglaufen. Irgendwohin, wo es nur noch Menschen gab die wissen was es heißt, dass das Herz tut, was das Herz tun will und das du da verdammt noch mal gar nichts gegen tun kannst. Oder dagegen in wen du dich Hals über Kopf verliebst. Aber?

Aber: Wo finde ich denn einen solchen Ort?

Aber: Wie kann ich denn so einfach weglaufen?

Es tut schon viel zu weh, nur dran zu denken meine Familie und Cherry zu verlassen. Dieser Gedanke lässt mich wahrhaft erschaudern. Ich greife blind nach dem Handtuch, das beim Waschbecken hing. Ungeschickt wischte ich mir meinen Mund am Handtuch ab, warf es in das Waschbecken und rutschte nach unten um auf dem Fußboden zuliegen. Cherry!!

Cherry ... Ich hatte Cherry ganz vergessen.

Alleine der Gedanke daran sie zu verlassen, entfesselte die Tränen, die gedroht hatten mich zu überwältigen, und ich kümmerte mich nicht darum diese wegzuwischen, als meine Wangen sich damit benetzten. Cherry ist meine beste Freundin und sie würde zu 100%, egal waskommen mag, zu mir stehen. Zumindest bis sie herausfinden würde, dass sie die 'verrückte Tante' von dem Baby ihrer besten Freundin und dem Zwillingsbruder ihrer besten Freundin seien wir.

Die Fliesen unter mir waren kühl und ließen mich immer wieder einnicken, meine einzige Hoffnung war, dass - wenn ich aufwachte - dieser ganze Alptraum endlich vorbei sein würde. Das ich - wenn ich meine Augen wieder öffnete - stöhnen würde und mich noch mal umdrehen würde um den Wecker aus zu stellen. Damit ich noch weitere 5 Minuten Schlaf bekommen würde, bevor jemand hinein käme und mich aus dem Bett schubsen würde.

Aber nein! Dieses Mal nicht!

Dieseeine Sache könnte ich nicht mit einem einfachen Traum rückgängigmachen. Eine Sache, die ich nicht aus den Erinnerungen von allenlöschen könnte. Egal welche von Max Erfindungen ich dafür nehmenwürde. Eine Sache, die bei mir bleiben würde und das bis zu dem Tagan dem ich sterbe. Egal welche Entscheidung ich auch fällen würde

Alsich auf dem kühlen Badezimmerboden schlief, wurden meine Träumeheimgesucht von Visionen eines wunderschönen Kindes mit flaumigem,dunklem Haar und Max's hübschen Augen. An einem faulenSonntagmorgen - in meinen Armen zusammengerollt - in einem Bett. Indem Hause herumlaufend und mit Freunden lachend. Auf Billys Rückenreitend, als er so täte als sei er ein Pferdchen. Einen Blumenstraußaus den Pflanzen von vor der Tür hereinbringend Die Straße herunterrennend, während sie ihrer 'Tante Cherry' folgte und dabei niemalsdas bunte Kleid des Mädchens aus den Augen ließ.

Ichträume von wunderschönen Dingen. Von Dingen die niemals passierenwürden, wegen der Art dieser Geburt. Wegen der Art dieser Eltern undwegen der Art dieser dummen Blutsverwandtschaft. Dinge. Sowunderschön und vollkommen. Dinge. Die niemals funktionieren würden.Aber vielleicht könnte ich es für mein Kind doch noch funktionierenlassen. Vielleicht könnten meine Träume von einem glücklichenLeben für mein Kind sichdoch noch in die Tat umsetzen lassen. Vielleicht. Aber nurvielleicht. Mit diesem Gedanken schlief ich ein erneutes mal indieser verhängnisvollen Welt ein ...

Einweiteres Klopfen an der Tür, leiser dies Mal, beinahe schüchtern,weckte mich von dort auf, wo ich bis eben noch zusammengerollt aufdem Boden lag und schlief. Ich würde dieses Klopfen überallerkennen und wusste, dass auf der andere Seite - mit seiner Stirngegen die Tür gepresst - Max stand. Es gab kein Verstecken mehr. Ichmusste rausgehen und es ihm erzählen.

"Phoebs...?",das Wort wurde geflüstert. Geflüstert von einer leisen,verängstigten Stimme.

VomBoden aufstehend, stützte ich mich am Waschbecken ab und nahm einentiefen Atemzug. Es war keine Zeit mehr, die Zähne zu putzen odersich die Mühe zu machen die Wangen von meinem Tränen überströmtenMascara zu reinigen. Es war aber auch nicht nötig. Immerhin war esMax, mein Bruder, mein bester Freund, mein Geliebter, mein Fels inder Brandung, der hinter dieser Tür auf mich wartete.

Erhielt mich immer am Boden und hielt mich davon ab viele Dummheiten zubegehen, was andersrum meist nicht gut klappte. Max. Er ist so vielesfür mich. Wenn er nicht gewesen wäre; ich mag gar nicht darandenken. Ohne seine Worte und seiner Liebe, wären ich heutesicherlich nicht hier.

Wennes nicht seine Art wäre, wie er mich quer durch den Raum anlächelteund seine Augen aufleuchteten. Wenn es nicht die Art wäre, wie ermich hielt, wenn ich weinte. Wenn es nicht die Art wäre, wie ermeinen Namen flüsterte, wenn ich mich in seine Umarmung hineinschmiegte.

Ichnahm einen weiteren Atemzug und nahm den kleinen, weißen Stab mitder bösen, abstoßenden Wahrheit von dem Wachbecken. Ich wappnetemich auf den Ansturm von Gefühlen, die sicher kommen würden, wennich meinen kleinen, sicheren Badezimmerkokon verlassen würde. Ichlegte meine zitternde Hand auf den Türknauf, holte ein weiteres Maltief Luft und drehte den Knauf und die ganze Welt gleich mit ihm!

Ein Drama, Ein Baby, Ein Happy End? [Beendet]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt