06 - Gryffindors Quidditch-Kapitän

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Anschließend sprachen Ominis und Carol nicht mehr über viele Themen. Die losgelöste Stimmung kam gemeinsam mit Sebastians vorschnellem Verschwinden abhanden, sodass sie lediglich über ihre Unterrichtsfächer sprachen, bis sie selbst zu ihrer ersten Stunde aufbrechen mussten. Dabei ließ Ominis verlauten, dass er sich auf Pflege magischer Geschöpfe freute, auch wenn Poppy wegen des Diricawls derzeit nicht sonderlich gut auf ihn zu sprechen war.

Eilig jedoch gewissenhaft verstauten sie die Decken, Kissen und Naschereien wieder in den Truhen und begaben sich auf den Weg zum Unterrichtsraum für Geschichte der Zauberei.

In dem mit antiken Utensilien vollgestellten Klassenraum stellte Carol fest, dass nicht einmal mehr ein Dutzend Schüler den weiterführenden UTZ-Kurs belegten. Ein Umstand, der leider auch darin begründet lag, wie Professor Binns seinen Unterricht abhielt.

Professor Binns war der einzige Geist, der an der Hogwarts-Schule für Hexerei und Zauberei unterrichtete. Gerüchten zufolge sei er eines Abends vor dem Kamin in seinem Büro eingeschlafen und dort verstorben. Am nächsten Morgen, erwachte unerwartet sein Geist, um seinen Geschichtsunterricht in vollendetem Pflichtgefühl pünktlich zu beginnen. Erst die erschreckten und zu Tode geängstigten Schüler wiesen ihn auf die Tatsache hin, dass er gestorben war.

Persönlich fand Carol die Geschichte der Zauberei sehr interessant, weshalb sie es insgeheim bedauerte, dass das Fach allgemein als unbeliebt galt. Als muggelstämmige lernte sie die vielen historischen Hintergründe und Ereignisse der Zaubererwelt kennen, die verrückterweise für sie verborgen, jedoch parallel zu den eigentlichen Geschehnissen der Weltgeschichte stattfanden. Inzwischen war es Carol sogar ein wahres Rätsel, wie es das internationale Statut zur Geheimhaltung der Magie bislang überhaupt geschafft hat, völlig unentdeckt zu bleiben.

Doch oblag es einer unumstrittenen Tatsache, dass aufgrund des ausschweifenden und monotonen Geschwafels des Lehrers die Erzählungen eine einschläfernde Wirkung hatten.

Von dieser Tatsache ungerührt schwebte Professor Binns gelassen durch die Bankreihen, während er seinen ellenlangen Monolog über Mungo Bonham, mitsamt der vollständigen Gründungsgeschichte, dem Aufbau und Fortbestehen des St.-Mungo-Hospitals für magische Haushaltskrankheiten und Gebrechen, vom 15. Jahrhundert bis heute monoton herunterleierte und dabei ähnlich klang wie eine kaputte Spieluhr. Dabei verlor er sich zunehmend in seinen langatmigen Bericht und den unzähligen Ereignissen – und seine gesamte Klasse gleich mit dazu. Nahezu kaum noch jemand hörte ihm seit bestimmt zehn Minuten mehr wirklich aufmerksam zu.

Carol rieb sich schläfrig die Augen, um nicht wie Everett Clopton zwei Tische weiter, den Kopf lautstark gegen die Tischplatte fallen zu lassen, da der Sekundenschlaf zu stark und sein Wille zu schwach gewesen war. Immerhin hat sie Professor Garlick versprochen, ihr Bestes zu geben und zu versuchen, sich in Geschichte der Zauberei zu verbessern.

Unmotiviert ruhte Carols Aufmerksamkeit nur kurz auf den stichpunktartigen Notizen, die sie sich bisher gemacht hat. Auf der Suche nach einem neuen Reiz, der sie hoffentlich wachhielt, glitt ihr Blick über die gekachelten und mit Holz verkleideten Wände des Klassenzimmers, bis sie schließlich auf dem Seitenprofil von Ominis genau neben sich stoppte.

Ominis hielt seine nebligen, stahlblauen Augen nur noch zur Hälfte geöffnet, während sein Kinn faul in seiner Handfläche gestützt ruhte. Über seinen aschblonden, perfekt zurechtgekämmten Haaren schwebten Staubpartikel träge durch die Luft. Sonnenlicht flutete das Klassenzimmer durch die großen Glasfenster und ließen den Staub wie Goldpartikel glänzen. Mit stoischer, unnahbarer Miene ließ Ominis Professor Binns Vortrag schicksalsergeben über sich ergehen.

Carol musterte die auffallenden Muttermale auf seiner linken Schläfe und Wange, sowie die markanten Konturen seines Kiefers und des Kinns. Sein heller Hautton ließ ihn blass, jedoch keinesfalls krank erscheinen. Stattdessen umgab ihn stets eine kühle, fast schon arrogante Aura, als wäre er über den Geschehnissen und Dingen seiner Umgebung erhaben. Hinter ihm schien die Sonne durch das große Fenster, sodass Carol der Gedanke kam, dass ein lebendig gewordenes Portrait neben ihr sitzen musste, dessen Gestalt von tanzenden Goldpartikeln, die träge durch die Luft glitten, umwogen wurde.

Serpent's Lullaby - die Geschichte von Carol RoswellWo Geschichten leben. Entdecke jetzt