Was die Menschen nicht wissen

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Halli, hallo.
Ich habe mich an ein neues Pair gewagt, hatte zwar zu der Trennung von Johannes und Ina auch Ideen bei SMS, wollte aber dann doch mal etwas neues.
Ich finde es sehr schade und wünsche den beiden, dass sie ihr Glück finden.

**

Wincent

Mit aufgeregt klopfendem Herzen tigere ich in meiner Garderobe herum und singe noch einmal ein paar Songs vor mich hin. Vor allem die des neuen Albums, die auf der Bühne manchmal noch ein bisschen hapern. Heute ist bereits das dritte Konzert der Tour, die ich endlich spielen darf. Ich muss zugeben, es gab Phasen, in denen ich nicht mehr daran geglaubt habe, dass die Tour überhaupt noch stattfinden wird. Aber jetzt stehe ich hier, in den Katakomben der Barclays-Arena. Ich atme einmal tief durch, fahre mir mit einer Hand durch die Haare und lege beide Hände in den Nacken. In Hamburg zu spielen ist immer etwas Besonderes, nach den vielen Umzügen der letzten Jahre fühlt sich diese Stadt am ehesten wie Heimat an. Das liegt natürlich auch an einem besonderen Typen, wegen dem ich immer wieder hier bin.
Kurz schaue ich auf mein Handy, aber Johannes hat noch nicht geschrieben. Er hat bei unserem letzten Telefonat vor dem Start der Tour schon angedeutet, dass er nicht weiß ob er kommen kann, dabei würde ich mich so sehr freuen. Wir haben uns seit mehr als vier Wochen nicht mehr gesehen, Johannes war auf seiner eigenen Tour, dann in Südafrika für die Jubiläumsstaffel von Sing meinen Song, jetzt bin ich auf Tour. Ich vermisse ihn, vermisse die Gespräche mit ihm. Kurz reibe ich mir über die Brust, die sich zusammen zieht, weil ich ihn nicht so vermissen sollte.

Plötzlich piept mein Handy und ich stürze augenblicklich hin. Es ist nur eine Nachricht meines engen Freundes Alvaro, die aber hat es in sich. »Ey, hast du’s schon gelesen? Wünsch dir viel Spaß heut in Hamburg. Freu mich schon riesig auf meine Open Airs.«
Er schickt mir noch einen Link und beim Lesen fühle ich mich so erstarrt, dass ich mich auf die Couch, die in meiner Garderobe steht, setzen muss. Überraschendes Liebes-Aus: nach 13 Jahren Beziehung haben sich Ina Müller und Johannes Oerding getrennt.
Wow. Ina und Johannes getrennt? Das sitzt. Vor allem aber die Tatsache, dass ich von allem keine Ahnung hatte.
Inas und Johannes’ Managements haben die Trennung bereits bestätigt und ich kann nur den Kopf schütteln. Verdammt noch mal, warum hat er mir nichts davon gesagt? Das habe ich nie gewollt, es war absolut nicht notwendig und auch nicht abgesprochen. Aber es ändert einfach alles.
»Nein, hab ich nicht gewusst, wie krass ist das denn?«, antworte ich Alvaro, als es an der Tür klopft. Natürlich steckt Johannes den Kopf in die Garderobe und ich kann nicht verhindern, dass mein Herz vor Freude, ihn endlich zu sehen, schneller klopft.

»Hi«, sagt er, und traut sich dann doch reinzukommen. Er trägt bereits sein schwarzes Shirt, das weiß-schwarze Hemd und den schwarzen Hut. Diese Kombi trug er auch auf seiner Tour und es steht ihm unfassbar gut. »Sorry, ähm… ich wusste bis zuletzt echt nicht, ob ich Zeit hab. Aber hier in der Barclays-Arena kann ich dich ja kaum alleine spielen lassen.« Er zwinkert, was normalerweise eine kribbelige Gänsehaut auf meinem Körper auslöst, mich jetzt aber nur die Augenbrauen hochziehen lasst.
»Zuviel Zeit damit verbracht, das hier zu erklären?«, frage ich, ein bisschen zu distanziert. Prompt ernte ich einen verdutzten Blick, der aber rasch in einen entschuldigenden wechselt, als ich ihm das Handy vor die Nase halte.
»Sorry«, versucht er sich zu erklären. »Ich… wollt’s dir nicht am Telefon sagen oder schreiben oder so. Ina... hat’s rausgefunden. Sie hat ne Nachricht von dir gelesen, ich hab nicht aufgepasst. War natürlich scheiße, sie war ziemlich fertig. Verdammt, Wince, ich wollte das alles ganz anders regeln. Ich hab ihr richtig wehgetan, das wollte ich niemals.«
»Scheiße«, seufze ich. »Das wollte ich auch nicht.«
Johannes zieht sich den Hut noch mal vom Kopf und fährt sich durch die Haare. Es sind genau diese verdammt sexy Gesten, in die ich mich vor zwei Jahren in unserem Urlaub verliebt habe. Natürlich habe ich mich danach lange nicht getraut, Johnny meine Gefühle zu gestehen, dachte ich doch zuerst, es sei nur mein verwirrtes Herz, das zu lange alleine war. Ich wollte unsere Freundschaft nicht aufs Spiel setzen, seine Beziehung zu Ina nicht torpedieren.

Aber irgendwann konnte ich meine Gefühle nicht mehr leugnen und bei einem Treffen letztes Jahr im Sommer musste ich ihn küssen. Vielleicht lag es daran, dass unsere Rückkehr aus dem Urlaub an diesem Abend damals, als wir uns mit Kumpels zum Grillen getroffen hatten, genau ein Jahr her war und ich eh in einer ziemlich melancholischen Stimmung, weil Konzerte zwar endlich wieder möglich waren, aber nur mit großen  Einschränkungen. Weil ich diese gemeinsame Zeit so sehr vermisste, weil ich Johannes und unsere Gespräche am Lagerfeuer vermisste. Ich erinnere mich so genau daran, wie er seinen Arm lachend um mich legte, weil irgendjemand einen dämlichen Witz gerissen hatte, weil ich plötzlich nur ihn sah, meinen besten Kumpel, weil die Gefühle wieder so überdeutlich da waren, dass ich nicht anders konnte. Diese Momente hatte es im Urlaub so oft gegeben. Verstohlene, tiefe Blicke, die ich damals noch nicht richtig zuordnen konnte, Umarmungen, die länger dauerten als es für beste Freunde normal gewesen wäre. Ganz besonders die letzte Umarmung zum Abschied ist immer noch so präsent in meinem Kopf. Ich werde Johnnys wehmütigen Blick nie vergessen, ebenso wie die verräterische Wärme in meiner Brust, die ich auch noch lange danach verdrängt hatte.

Als wir nach dem Grillen abends allein waren, Ina steckte mitten in den Vorbereitungen für die neue Staffel von Inas Nacht, fasste ich mir ein Herz und küsste ihn, in seiner Küche. Johnny hatte mir angeboten, bei ihm zu pennen, und obwohl ich wusste, dass das nicht gutgehen konnte, fiel mir nichts besseres ein, denn viele Hotels waren noch geschlossen, weil es sich nicht lohnte, zu den aktuellen Bestimmungen nach der Pandemie zu öffnen.
Er zuckte nicht einmal zurück, was mich doch ziemlich überraschte, aber ich wusste schon lange, dass er vor Ina auch schon Beziehungen mit Männern gehabt hatte. Er erwiderte den Kuss, alle Gefühle überschlugen sich in meiner Brust, alles, was ich hatte verdrängen wollen. Aber ich konnte es nicht beenden, Johannes wohl ebenso wenig, dafür fühlte es sich viel zu gut an. Dem Kuss folgte eine leidenschaftliche Nacht und als ich Johannes vorsichtig fragte, was das nun war zwischen uns, konnte ich ihm den Wunsch nach ein bisschen Zeit, in der er sich klar werden müsse, nicht verwehren. Ja, er hat lange gebraucht, ja, unsere Freundschaft stand auch immer noch auf dem Spiel, aber mir war schnell klar, dass ich warten würde. Weil ich ihn liebe. Und weil ich wusste, wie schwer es Johannes fiel, sich zu entscheiden, drängte ich ihn nie. Aber dass es so endet, wollte ich nie. »Ich auch nicht.«
Johannes müht sich ein Lächeln ab. »Ich war ein feiger Arsch«, gibt er dann leise zu. »Ich hab Ina und dich, Wince, hingehalten, und das… war nicht fair. Euch beiden gegenüber nicht. Aber ich… das war nicht leicht für mich, ich wollte irgendwie euch beide nicht verlieren. Und dabei hab ich’s komplett verbockt.«
Ich kann nicht anders als zu schmunzeln. »Hast du nicht.«
Johannes aber hört mich gar nicht. »Ich kann total verstehen, wenn du keinen Bock mehr hast, ich hab dich so lange warten lassen«, seufzt er. »Ich wollte einfach nicht die beiden wichtigsten Menschen in meinem Leben verlieren, aber jetzt… ist es noch schlimmer als es sein könnte.«
Ich schüttele sanft den Kopf, aber weil er mich immer noch nicht wirklich wahrnimmt, muss ich einfach meine Hand in Johannes’ Nacken legen, mich vorbeugen und ihn küssen. Und allein seine Reaktion, das vorsichtige Seufzen in den Kuss, seine kratzigen Lippen, die meine berühren, lässt meine Gefühle aufkochen. Wie gerne würde ich sofort hier und jetzt… aber Johannes löst sich nochmal von mir.
»Ich weiß, dass ich kein Recht hab, dich darum zu bitten, Wincent«, sagt er und ich kann mir denken, was jetzt kommt. »Aber das mit Ina jetzt, das ist noch so… nah. Ich... brauch noch n bisschen Zeit.«

Ich kann nur nicken, bin selbst überrascht von mir. Immerhin brennt in meiner Brust die Sehnsucht nach ihm, aber ich weiß auch, dass es jetzt das aller Falscheste wäre, ihn zu drängen. »Klar«, sage ich seufzend, doch ein wenig enttäuscht, was ich nicht verbergen kann.
»Ich will dich, okay?«, sagt Johannes und sieht mir dabei so tief in die Augen, das ich ihm nur glauben kann. »Es wird auch nicht so lange dauern wie diesmal. Ich muss nur n bisschen… klar kommen mit mir.«
Ich nicke, kann ich das doch nur zu gut verstehen. »Ist okay.« sage ich.
Das Klopfen an meiner Garderobentür erinnert mich wieder daran, dass ich noch ein Konzert zu spielen habe. »Singst du mit mir Die guten Zeiten?«, frage ich, während Benni den Kopf reinsteckt und Johannes grinsend umarmt. Wir fühlen uns gerade alle wie die Könige der Welt, und ich wünsche mir, dass dieses Gefühl die ganze Tour über anhält.
»Klar. Kann dich doch hier nicht alleine spielen lassen«, zwinkert Johannes.
Benni geht zurück zu den Jungs, Johannes schließt nochmal die Tür und ich blinzle überrascht, als er mich küsst. »Danke«, raunt er und eine Gänsehaut kribbelt über meinen Körper. »Ich hab dein Verständnis nicht verdient, aber… ich meld mich bald, ich schwör’s.«
Ich kann nur nicken und aus tiefstem Herzen hoffen, dass er sich wirklich bald meldet.

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