"Noelle, aufpassen!", ermahnte mich Frau Mayr.
Aber ich konnte mich einfach auf keine Zahlen konzentrieren. Immer wieder drifteten meine Gedanken ab.
Ich hatte vergessen den Müll rauszubringen. Als mein Vater heute Morgen die leere Käsepackung wegwerfen wollte und den überquollenden Müll gesehen hatte, war er völlig ausgerastet.
"Du nichts-nützende Göre", hatte er geschrien.
Dann hatte er sein Glas genommen und nach mir geworfen. Es zerbrach nur wenige Zentimeter neben meinem Kopf. Anschließend hatte er mich am Arm gepackt und zum Mülleimer geschleift.
"NOELLE!"
Erschrocken erwachte ich aus meiner Trance.
"Was?", fragte ich.
Ganz offensichtlich hatte Frau Mayr meinen Namen durch die Klasse gebrüllt.
"In meinem Unterricht wird nicht geschlafen! Pass auf! Das kommt nächste Woche in der Klausur dran", polterte sie.
"Ich schreib eh 'ne 1", entgegnete ich ihr.
"Ist das so?", fragte sie mit zusammengekniffenen Augenbrauen. Ich wusste, dass sie solche Kommentare hasste. Aber genau deshalb machten sie mir an diesem Morgen so viel Spaß.
"Ja", erwiderte ich und schaute ihr dabei provozierend in die Augen.
"Dann kannst du ja an die Tafel kommen und den Rest der Aufgabe lösen", sagte sie und streckte mir die Kreide entgegen.
"Nichts lieber als das", sagte ich. Ich stand auf, nahm die Kreide und begann zu rechnen. Frau Mayr lehnte an der Tafel und beobachtete mich.
Als ich fertig war, hielt ich ihr triumphierend die Kreide hin. "Wenn Sie mal wieder meine Hilfe brauchen, sagen Sie Bescheid", sagte ich. Ich hörte, wie Einige meiner Mitschüler leise kicherten.
"Der Hochmut kommt vor dem Fall, was?", fragte sie. Sie grinste mich spöttisch an.
"Was?", fragte ich irritiert.
"Die Aufgabe ist falsch", sagte sie.
"Was?", fragte ich. Schockiert sah ich sie an.
"Das Ergebnis ist nicht x=5. Das hier ist nicht die Wurzel", sagte sie.
Entsetzt sah ich zwischen der Tafel und ihr hin und her. Wie konnte das passieren? Ich hatte mich noch nie verrechnet.
"Du kannst dich wieder setzen. Beim nächsten Mal lehnst du dich nicht so weit aus dem Fenster", sagte sie.
Zerknirscht ging ich zurück zu meinem Platz. Die Runde ging an sie.
"Wer kann die Aufgabe jetzt richtig lösen?", fragte sie, während sie meine Lösung von der Tafel wusch. Und offensichtlich ging auch die zweite Runde an sie.
"Noelle!"
Erschrocken zuckte ich zusammen. Ich hatte schon wieder nicht zugehört.
"Passt du jetzt endlich mal auf?", fragte mich Frau Mayr.
"Was juckt es Sie?", antwortete ich patzig.
"Ich wiederhole mich nur ungern. In meinem Unterricht wird nicht geschlafen", sagte sie.
"Haben Sie keine anderen Hobbys? Sind Sie untervögelt oder warum haben Sie so schlechte Laune?", fragte ich.
"Spinnst du?", zischte Lilli mir zu.
Doch Frau Mayr grinste mich an. "Mein Sexleben scheint dich ja brennend zu interessieren. Aber ich bezweifle, dass du da mitreden kannst", entgegnete sie mir.
Autsch. Der hatte gesessen. Damit machte sie den Hateick voll. 3:0 für sie. Ich gab auf.
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Geheimnisse einer Lehrerin
Ficção AdolescenteNoelle wechselt an eine neue Schule. Dort lernt sie Frau Mayr kennen. Ihre neue Klassenlehrerin. Immer wieder geraten die beiden aneinander. Doch dann werden sie von ihrer Vergangenheit eingeholt. Was verbindet die beiden?