Defekt (3)

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Groenwalds Wohnung war unerwartet groß - und exotisch ausgestattet.

In der Oberwelt bewohnten manche Personen alleine kompletten Wohnkomplexe. Auf dieser Etage reichte der Wohlstand dafür zwar nicht, aber von den vier Stockwerken des Komplexes füllte sein Domizil zumindest eines vollständig aus.

Echte Fenster auf der Vorderseite zeigten die Straßen, beleuchtet von einer virtuellen Sonne, die über die himmelblaue Decke der Etage ihre Bahn zog. Ein Junge schlenderte vorbei und starrte ihn vorwurfsvoll an - Er musste instinktiv bemerkt haben, dass Torochew ihn beobachtete. Zu Recht! Er sollte sich besser um seine Arbeit kümmern und nicht von dieser Illusion gefangen nehmen zu lassen. Auch wenn es aus diesem Himmel niemals regnete, die wahre Welt war die einzige, für die er lebte.

Eine Wiese aus sattem, grünen Gras bedeckte den Boden des Raumes. Ein programmierbarer Synthetik-Teppich, der je nach Laune seines Besitzers Farbe und Beschaffenheit ändern konnte. Die Halme waren ungeschnitten und wuchsen wild. Eingerahmt wurde die Wiese von knorrigen Bäumen. In Wirklichkeit Medienpanels, die mit der Darstellung eines dreidimensionalen Waldes seine Sinne einlullen wollten. Der Teppich raschelte unter seinen Schritten. Ob Groenwald es gemocht hatte, barfuß hindurchzulaufen, während das Gras seine Fußsohlen kitzelte? Sollte er seine Stiefel auszuziehen und es selber zu probieren?

Bettys energisches Räuspern erinnerte ihn nun endgültig daran, dass er nicht zum Vergnügen hier war. "Sergeant Torochew, Sie scheinen zu träumen. Darf ich Sie daran erinnern, dass wir einen Fall bearbeiten?"

"Mach dich mal locker, Betty. Stellst du dir nicht auch ab und zu mal vor, dass deine Ladestation ein klein bisschen komfortabler sein könnte?" Er hob demonstrativ seinen Arm und zeigte zwischen Daumen und Zeigefinger, wie viel bisschen ihm reichen würde.

"Ich weiß nicht, wovon Sie da sprechen, Sergeant."

Langweilte ihn Bettys Emotionslosigkeit? Manchmal vielleicht. Andererseits war sie ein gutes Zeichen. Sie würde niemals eine Roboterrebellion anzetteln, nur weil ihr die Farbe ihres Lacks nicht gefiel oder das Leuchten ihrer Scheinwerfer.

Er ließ den Arm sinken und sah sich um. Groenwalds Wohnung stand in einem krassen Kontrast zu seiner Arbeit, von der hier keine Spur zu entdecken war. Er war weder Gärtner noch Förster, wie Wiese und Wald vermuten lassen konnten. Nein, er war Administrator des internen Datennetzwerkes der Firma Niveum-Kybernetik. Natürlich hatte auch das Klischee der Hacker, die daheim im Keller der Mutter sitzen und vor sich hin werkelten, die Eiszeit nicht überlebt. Aber hier gab es keinen einzigen Hinweis, womit er seinen Lebensunterhalt verdiente.

Aber ... sah man denn seinem eigenen Zuhause an, welchem Beruf er nachging? Er hatte keinen geheimen Raum, dessen Wände er mit Bildern und Hinweisen gepflastert hatte. Auch keine Bindfäden, die den Zusammenhang zwischen den Verbrechen in der Zitadelle anzeigten. Nein, das gab es nur noch in den alten Filmen. Torochew verwendete dafür ein wandfüllendes Medienpanel, das in ihrem Esszimmer hing. Mit einer Handbewegung konnte er die Informationen verstecken, damit sie ihn nicht, wie eine der Filmfiguren, in den Wahnsinn trieben.

Außerdem konnte Katharina das Medienpanel so auch dazu verwenden, um ihre Nahrungszusammensetzung zu dokumentieren.

Katharina. Jetzt wusste er wieder, warum er sich wirklich so schlecht auf seine Arbeit konzentrieren konnte und seine Gedanken in die unterschiedlichsten Richtungen flüchteten. In der nächsten Pause würde er versuchen, sie auf dem ComNet zu erreichen. Damit beruhigte er sein nagendes Gewissen und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf den Tatort.

"Hmmm", brummte er. So wie er die Arbeit verschwinden lassen konnte, die er mit nach Hause nahm, tat das vielleicht auch Groenwald. Hier gab es alles Mögliche, nur kein Platz, der sich für ein bequemes Arbeiten eignete.

Fall Omega [Pausiert]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt