Fünfundsechzig

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Gleich am nächsten Tag nach der Arbeit ging ich den Apfelsaft kaufen. Sobald ich die vertraute Flasche im Regal sah, erinnerte mich an damals, wo Jisung mir die Flasche in der Cafeteria in der Schule gebracht hatte. Ich musste kurz lächeln. Zuhause stellte ich die Flasche auf den Küchentisch und rief nach Jisung, der immer eine Stunde früher Feierabend hatte als ich. „Was gibt's?", fragte er im Gehen und kam dann in die Küche, wo er den Apfelsaft anschaute. „Erinnerst du dich?", fragte ich ihn grinsend. Mein Freund nahm die Flasche in die Hände und betrachtete sie. „Natürlich! Ich hab den dir damals geschenkt. Du wolltest ihn nicht mal probieren." Ich holte zwei Gläser aus den Schrank und schenkte uns Apfelsaft ein. „Jetzt schon. Sungie? Ich hab mir etwas überlegt. Was wenn ich solche Verlustängste habe, weil ich dich in der ersten Schwangerschaft so schlecht behandelt hab? Ich will das irgendwie gut machen, deswegen fange ich mit den Apfelsaft an."

Jisung stellte das Glas ab und nahm mich in den Arm. „Oh Minho. Das musst du doch nicht. Ich habe dir doch längst verzeiht. Es war keine leichte Zeit für dich." Er streichelte meine Wange und sah mich nur traurig an. „Und doch muss ich das wieder gut machen. Was hältst du davon, wenn wir einen kleinen Ausflug nach Damyang mit unseren Töchtern machen, wenn sie Ferien haben? Ich will euch etwas zeigen." Damit meinte ich den wunderschönen Bambusgarten, den ich damals alleine erkundigt hatte. „Ein Ausflug klingt gut!"

Bis die Mädchen Ferien haben, vergingen noch ein paar Wochen. Jisung war jetzt mittlerweile in der 27ten Schwangerschaftswoche. Wir bekamen einen kleinen Jungen. Jisung und ich haben bereits einen Namen für ihn: Iseul. Ich liebte es, wenn er in Jisung kickte, da fühlte ich mich ihm so nah. Auch unsere Töchter waren hin und weg wegen ihrem kleinen Bruder. Sie malten die ganze Zeit Bilder für ihn. Eine Woche vor den Schulferien reservierte ich uns ein Hotelzimmer und plante mit Jisung die Reise.

Dann war es so weit. Wir würden heute nach Damyang gehen. Jaemi und Yoona freuten sich auf ihren ersten richtigen Ausflug. Wir hatten bisher nur kleinere Ausflüge mit den beiden Mädchen gemacht. Wir würden mit einem Zug fahren. Die Mädchen waren wirklich aufgeregt und konnten nicht über irgendwas anderes reden. Auch Iseul war richtig aktiv in Jisungs Bauch. „Der Kleine freut sich", meinte mein Freund und tätschelte seinen Bauch, während wir im Zugabteil saßen. Yoona und Jaemi hatten sich ans Fenster gesetzt und schauten nach draußen. Der Zug fuhr los und die kleinen Mädchen lachten fröhlich. Es war ihre erste Zugfahrt. Ich saß neben Jisung, schmiegte mich an ihn und schaute unseren Töchtern zu, wie sie sich freuten. 

Als wir Damyang erreichten, fühlte es sich fast schon vertraut an. Ich konnte mich noch gut an alles hier erinnern, obwohl schon ein paar Jahre vergangen waren. Unsere Töchter wollten alles schon erkunden und spielten Fangen. Ich seufzte. Die beiden haben immer so viel Energie. „Ich muss sie bald anleinen", meinte ich, worauf Jisung kicherte. „Sie würden sich losreißen. Ich bin übrigens sehr gespannt, was das für ein Ort ist, den du uns zeigen willst." Ich hab Jisung noch nichts vom Bambuswald erzählt, weil ich ihn damit überraschen will.

Um an unser Hotel zu gelangen, mussten wir an die Jugendherberge vorbei. Sofort trafen mich Erinnerungen wie Blitze. Hier hab ich Jisung geküsst und war die Nacht über bei ihm, als er mich gebraucht hat. Auch bei meinem Freund wurden Erinnerungen wach, den er nahm seine Hand in meine. „Erinnerst du dich an unseren Kuss?" An den Kuss musste ich mich noch lang erinnern, denn es war einer der Schönsten überhaupt. Auch wenn ich ihm da die Hoffnung zerstört hab. Mein Herz schmerzte etwas und ich tat das Einzige, was mir gerade in den Sinn kam: Ich blieb stehen und küsste Jisung liebevoll, während ich meine Hände sanft auf seinen Babybauch legte. Damit wollte ich vor allem die schlechten Erinnerungen durch Schöne ersetzen. Beim ersten Besuch war ich ein einsamer Außenseiter, jetzt war ich ein glücklicher Familienvater, der Menschen um sich herum hat, die ihn vom Herzen lieben. Jisung löste sich von meinen Lippen und schenkte mir ein wunderschönes Lächeln.

„Jaemi, komm schon! Du hast mich noch nicht gefangen!", rief Yoona lachend zu ihrer Schwester. „Du bist viel zu schnell für mich!", erwiderte sie. Jisung sah zu seinen Töchtern, die vor uns herumrannten und schnappte sich meine Hand. „Wir müssen noch zum Hotel", meinte er. „Gut, weil ich sehen will, wie lange die Prinzessinnen noch so viel Energie haben." Wir erreichten das Hotel, wo wir uns eincheckten und unser Hotelzimmer suchten. „Könnt ihr Dad helfen? Wir haben die Zimmernummmer 8." Yoona und Jaemi flitzten davon. Wenig später rief Yoona nach uns. „Hab es gefunden!" Unser Hotelzimmer bestand aus zwei Doppelbetten. Unsere Töchter hatten nichts dagegen in einem Bett zu schlafen. Sie sprangen auf das große Bett und kicherten. Jisung setzte sich erstmal aufs Bett, weil er eine Pause brauchte. „Dad? Können wir Essen gehen? Ich hab Hunger", fragte Yoona uns. Auch Jaemi stimmte mit ein. „In einer Stunde, okay? Appa muss sich erstmal ausruhen. Das war schon ein Stück zu Fuß. Wenn du wieder kannst, dann sag's mir, okay?", meinte ich zu Jisung. Er zog sich die Schuhe aus und legte sich dann auf das Bett. Er seufzte auf und schloss die Augen. „Das Bett ist so weich."

Between reality and dream (Minsung FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt