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Die kalte, frische Nachtluft füllt meine Lunge und ich fühle mich, als hätte ich schon viel zu lange nicht mehr richtig durchgeatmet. Ich halte kurz inne und mache ein paar tiefe Atemzüge.

Noan wartet auf mich, legt mir dann einen Arm um die Schulter und sieht mir tief in die Augen. "Ich weiß, Versprechen soll man nicht brechen und das war eine einzigartige Erfahrung, die ich nicht missen will, aber bitte lass uns nie wieder dahin" seufzt Noan.

Ich lache und necke ihn spielerisch. "Oh, du hattest es aber auch wirklich schwer, dich vor den ganzen Verehrerinnen zu retten", lasse ich die letzte Stunde Revue passieren.

"Ich habe mich wie ein Tier im Zoo gefühlt", gesteht er zähneknirschend. "Ich glaube, so oft wurde ich noch nie an einem Abend angemacht. Immerhin hat das ein bisschen mein Selbstbewusstsein gekittet, was du mir in tausend Teile zerlegt hast", zieht er mich auf.

Lachend schüttele ich den Kopf, dann werde ich ernster. "Wieso hast du denn nichts gesagt? Dann wären wir schon eher abgehauen", tadele ich ihn.

"Ach nein. Das war das notwendige Übel, das ich ertragen habe. Die Belohnung dafür war, dir zuzuschauen, wie sehr du es genossen hast."

Mein Bauch kribbelt und ich erwidere kurz seinen Blick, bevor ich mich abwende. Zu groß ist das Risiko mich im Honigbraun seiner Augen zu verlieren.

Wortlos laufen wir nebeneinander her. Ich hänge meinen Gedanken nach und ich sehe Noan an, dass es ihm genauso geht. An einem Kiosk kauft Noan zwei Dosen eisgekühlte Cola und eine bunte Tüte.

In Sichtweite des Rheins lassen wir uns auf einer Bank nieder, gucken auf das rhythmisch fließende Wasser und genießen seine beruhigende Wirkung.

Bei all dem Spaß, den ich eben im Star-Treff hatte, habe ich nicht vergessen, was kurz davor passiert ist.

Noan scheint zu bemerken, dass mich etwas bedrückt. "Was ist los?", fragt er feinfühlig.

Ich lege den Kopf in den Nacken und schaue in den sternenklaren Nachthimmel. "Ich musste nochmal an vorhin denken. Ich hatte echt Angst um dich", gestehe ich.

"Tut mir leid. Ich wollte eigentlich heute nur gute Momente mit dir haben", antwortet er mir einer Spur von Reue im Blick.

Ich hebe den Kopf wieder und schaue ihm in seine Augen, die in der Dunkelheit mystisch funkeln. "So scheiße die Situation war, sie hat mir viel über dich verraten."

Noan legt den Kopf schief und fährt sich durch den dichten Bart. "Ach ja? Was denn zum Beispiel?"

"Dass du entweder keine Angst hast oder einfach nicht besonders an deinem Leben hängst", grinse ich und bringe auch Noan zum Schmunzeln.

Dann werde ich wieder ernster. "Es hat mir gezeigt, dass egal wie lieb du bist, du dich auch nicht davor scheust, für deine Überzeugungen einzustehen. Das gefällt mir. Ich mag keine Duckmäuser oder Ja-Sager. Trotzdem hatte ich echt Angst um dich in der Situation. In einer stockdunklen Gasse alleine auf zwei oder drei pöbelnde Männer zuzugehen, ohne zu wissen, ob die vielleicht sogar bewaffnet sind, ist ziemlich leichtsinnig. Hattest du denn gar keine Angst?"

"Doch, natürlich hatte ich Angst, ich weiß schließlich genau, was schlimmstenfalls alles passieren kann. Aber frag dich mal, was für eine Angst Coco dann erst gehabt haben muss."

Seine Aussage geht mir durch Mark und Bein. Er hat völlig recht. Auch wenn sie äußerlich relativ cool reagiert hat, wird der Schreck nicht spurlos an ihr vorübergegangen sein.

"Du darfst nicht vergessen, dass ich schon seit Jahren an der Tür arbeite. Ich habe also ein bisschen mehr Erfahrung mit sowas als der Otto-Normalo. Keine Ahnung, in wie viele Schlägereien ich schon verwickelt war. Ich habe irgendwann aufgehört zu zählen", erzählt er freimütig, öffnet eine der Coladosen, die laut zischt und reicht sie mir, bevor er sich selbst eine öffnet.

ONE NIGHT TILL SUNRISEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt