Müde und kaputt von der Jagd stand ich unter der Dusche und wusch mir das Blut vom geschundenen Körper. „Dämliche Werwölfe", zischte ich, als das Duschgel über einen der zahlreichen Kratzer an meinem Oberarm floss und ein schmerzliches Brennen verursachte. Eines dieser Drecksviecher hatte mich mit voller Kraft gegen einen Baum gedonnert, was mir neben den ganzen Kratzern auch eine schlaflose Nacht mit Kopfschmerzen eingebracht hatte. Kraftlos lehnte ich meine Stirn gegen die kalten Fliesen und schloss für einen Moment die Augen. Ich war völlig erledigt.
Meine Beine schmerzen, meine Migräne brachte mich fast um und zu allem Überfluss lag mir Steve schon seit Wochen in den Ohren, dass ich ihn endlich auf eine Jagd mitnehmen sollte. Er hatte mich so lange genervt, dass ich es ihm irgendwann sogar versprochen hatte. Nach gerade mal einer Woche intensiven Trainings, denn ohne würde ich ihn ganz sicher nicht auf die Monsterwelt loslassen, hatte sich herausgestellt, dass er für Nahkampf sogar ein gewisses Talent besaß. Da dieser Gedanke im Hinterkopf alleine schon ausreichte, um ihn nur noch mehr anzuspornen, hatte ich ihm eine zusätzliche Aufgabe zugeteilt. Er sollte alles über das Monster herausfinden, das wir versuchten zu jagen und er tat es. Er tat es sogar schnell. Nach nicht mal zwei Tagen hatte er alles Wissenswertes über das Monster zusammengetragen und war bereit für den Aufbruch, doch ich war es nicht. Auch wenn ich es ihm versprochen hatte, wollte ich ihn nicht mit dabei haben. Scheinbar bemerkte das auch Steve, denn nun wollte dieser Arsch mich erpressen. Entweder ich würde ihn auf die nächste Jagd mitnehmen oder er würde sich alleine auf dem Weg machen. Schöne Scheiße.
Seufzend stellte ich das Wasser ab und stieg aus der Dusche. Mit flinken Fingern griff ich das große weiße Handtuch, welches ich am Waschbecken abgelegt hatte, und trocknete mich ab. Als ich damit fertig war, schlüpfte ich in meine sauberen Sachen und schmiss die dreckigen Klamotten in die nächste Ecke. Um die Sachen würde ich mich später kümmern. Vielleicht. Oder auch nicht. Mit einer hellblauen Jeans und einem weißen Top bekleidet, schloss ich die Badezimmertür auf und trat ins Zimmer. Wie ich nach bereits wenigen Sekunden feststellen musste, war ich alleine. Sam und Dean befanden ich im Nebenzimmer, aber wo war Steve?
Erschöpft wie ich war, warf ich mich auf mein Bett, legte den Arm über meine Augen und hinderte die Sonne daran mich zu blenden. Kurz bevor ich einschlafen konnte, wurde die Tür aufgestoßen. „Guten Morgen!", schrie Steve in den Raum. Ich hingegen gab nur ein lautes Stöhnen von mir und griff nach dem Kopfkissen, um es mir auf das Gesicht und die Ohren zu pressen.
„Ich sagte: Guten Morgen!", wiederholte er seinen Gruß. Angepisst zog ich das Kissen von mir und warf es nach dem Störenfried, was dieser jedoch nur mit einem leisen Lachen kommentierte. „Du bist ein Arsch", murmelte ich und richtete mich auf, als Steve mir einen Becher vor die Nase hielt. Der angenehme Duft von Kakao strömte mir entgegen und fast schon gierig riss ich ihm das Getränk aus der Hand und führte es an meine Lippen. Zu spät bemerkte ich, dass das Getränk noch immer verdammt heiß war und verbrannte mir die Zunge. „Aua!" Böse starrte ich Steve an, dieser sah nur belustigt auf mich herab. „Was? Ein heißer Kakao, wie immer", erklärte er grinsend. Beinahe schlagartig wurde er ernst, als er mir die Tageszeitung hinschmiss und auf einen bestimmten Artikel deutete.
„Mann wird von Auto überfahren, steht nach wenigen Sekunden wieder auf. Fünf Stunden später wird er zu Tode gefoltert in einem Lagerhaus gefunden. Frau spring von Hochhaus und steht kurz darauf wieder auf und läuft weg. Zehn Stunden später wird sie verstümmelt und gefoltert in einem Lagerhaus aufgefunden. Augenzeugen berichten, dass die Opfer eine starke Augenverfärbung hatten. Einige Zeugen behaupten sogar, dass die Augen vollkommen schwarz waren, nachdem die Opfer nach ihrem vermeintlichen Ableben wieder aufgestanden sind", las ich laut vor und strich mir eine feuchte Haarsträhne hinter die Ohren. „Für mich sieht das nach einem Fall aus. Was sagst du?", wollte Steve aufgeregt wissen. Mit hochgezogenen Augenbrauen sah ich ihn an. „Steve, wenn du glaubst, dass ich mit dir einen Dämon jage, bist du auf dem Holzweg!" War er komplett verrückt? Hatte er eine Schraube locker? Ich würde mit ihm beinahe alles, außer einen Dämon, jagen gehen.
„Wieso nicht?" Verärgert, fast schon wie ein bockiges Kleinkind, verschränkte er die Arme vor der Brust. „Hör zu, ich suche uns was anderes raus, okay? Den Fall lasse ich Sam und Dean machen." Damit schnappte ich mir meinen Laptop und suchte einen neuen Fall raus. Es dauerte nicht lang und ich hatte einen passenden Job gefunden. „Hier schau mal. Leute sterben an einem Schlaganfall oder einen Herzinfarkt." Skeptisch runzelte er die Stirn und sah mich an. „Das klingt für mich aber nicht wie ein Fall", gab er kleinlaut zu. „Wer von uns ist die Expertin? Du oder ich?" Mit einer hochgezogenen Augenbraue und zusammengelegten Armen blickte ich ihn an. Natürlich hatte er recht. Das war ganz bestimmt kein richtiger Fall, aber zu Übungszwecke reichte es allemal. Allerdings würde ich ihm das nicht auf die Nase binden, denn ich hatte keine Lust darauf, dass er nicht doch auf eigene Faust losstürmen und gegen Dämonen oder was auch immer kämpfen und sterben würde. „Also als Experten würde ich Sam vorschlagen", sagte er und setzte sich auf einen Stuhl gegenüber vom Bett. Ich verdrehte bei seinem lahmen Spruch lediglich die Augen. „Also schön, dann lass uns losfahren", kam es nach kurzem Schweigen über seine Lippen. Fahren? Fragend sah ich ihn an „Und mit welchem Wagen?" „Mit dem der draußen steht?", entgegnete er locker und zeigte mit dem Finger auf den schwarzen Impala, der direkt vor dem Fenster stand und somit perfekt zu sehen war. „Du machst Witze! Der Wagen gehört Dean. Er würde mich eher umbringen, als das ich ihn fahren dürfte." Steve seufzte und sah mich genervt an. „Wie wollen wir dann hier wegkommen?" Gute Frage. Ich stand auf, packte notdürftig meine Sachen in die Tasche neben dem Bett und überreichte sie Steve. „Wir treffen uns draußen. Such deine Sachen zusammen!", wies ich ihn an, klemmte mir die Zeitung unter den Arm und machte mich auf den Weg zu meinen Brüdern.
Als ich an ihrer Tür ankam, wunderte ich mich kurz, dass diese nicht verschlossen war und trat ohne Klopfzeichen ein. Zu meiner Überraschung war Sam bereits wach und spielte irgendein Handyspiel oder was auch immer auf seinem Bett. „Wieso bist du noch wach?", fiel ich direkt mit der Tür ins Haus und bemerkte die müden Augen von Sam, als er mich ansah und sein Handy neben sich auf die Bettdecke legte. „Ich konnte nicht schlafen und was ist mit dir? Du bist auch noch wach." Seufzend lehnte ich mich gegen die halbgeöffnete Tür und erzählte davon, dass ich nun erneut jagen gehen würde. Nur diesmal eben mit Steve, während er und Dean den Fall mit dem Dämon klären sollten. Wie erwartet, schien er nicht Feuer und Flamme für diesen Vorschlag zu sein. Skeptisch sah er mich an. „Bist du dir sicher? Ich meine...mit einem Anfänger jagen zu gehen, kann tödlich enden." Natürlich war mir dieses Risiko bewusst. Dämlich war ich ja nicht. Ich lächelte Sam flüchtig zu und schüttelte den Kopf. „Ach was, wird schon. Zur Not kann ich mich immer noch rauswinden." Damit spielte ich ein wenig auf meine Kräfte an. Ich benutzte sie nicht oft und auch nur sehr ungern, aber in der Not und zum Überleben waren sie doch ganz nützlich. „Cara, darüber wollte ich mit dir noch reden." Ich zog meine Augenbrauen hoch und sah ihn misstrauisch an. „Ich habe mit Castiel über dich oder eher über deine Kräfte gesprochen." „Wie bitte?" Fassungslos sah ich meinen Bruder an. „Naja Castiel sagt..." Bevor er seinen Satz zu Ende sprechen konnte, unterbrach ich ihn harsch und riss aufgebracht meine Hände nach oben. „Was fällt dir ein mit Cass über so etwas zu reden? Sam, das geht niemanden etwas an!" „Willst du nicht wissen, was es damit auf sich hat?", meckerte er mit lauter Stimme zurück und biss sich kurz darauf auf die Lippen. Ehe ich noch etwas erwidern konnte, stand er auf und drängte mich aus ihrem Zimmer. Kaum waren wir beide vor der Tür, schloss er diese leise und wollte so wohl verhindern, dass Dean durch unser Gezanke wach würde.
„Nein! Nein! Ich will es nicht wissen! Denn wenn das was raus kommt mir nicht gefällt, kann ich es nicht mehr rückgängig machen. Und wenn herauskommt, dass mich das zu einem Monster macht, zu einem Ding was wir jagen... dann hatte Dad recht und...das will ich lieber nicht wissen", fuhr ich ihn an. Am Ende meines Vortrages wurde meine Stimme immer aggressiver, doch statt meines Blickes auf Sam zu richten, starrte ich auf den dreckigen Boden vor mir. „Wir sehen uns in ein paar Tagen!", schnaubte ich und stampfte wütend davon. Die bohrenden Blicke in meinem Rücken machten mich beinahe noch wütender, als das Gespräch an sich, doch ich wagte es nicht mich nochmal umzudrehen. Als ich bei Steve ankam, lief ich einfach an ihm vorbei. „Komm mit!", schrie ich und deutete ihm mir zu folgen. „Wir leihen uns jetzt einen Wagen aus."
Nach bereits zehnminütiger Suche auf dem Parkplatz der Raststationen fand ich einen geeigneten fahrbaren Untersatz, den man leicht knacken konnte. Jackpot. „Wir klauen ein Wagen? Ist das nicht Illegal?", fragte Steve und sah mir skeptisch dabei zu, wie ich mit ein paar einfachen Werkzeugen anfing den Wagen aufzubrechen. „Wir klauen ihn nicht, wir leihen ihn uns nur ungefragt aus", klärte ich ihn über den kleinen aber feinen Unterschied auf. Als ich das Fahrzeug endlich geknackt hatte, setzte ich mich hinters Steuer und schloss den Wagen kurz. „Ich wusste nicht, dass du so kriminell bist", gestand er leise und fuhr mit der rechten Hand übers Autodach. „Das ist irgendwie heiß!" „Ich weiß", sagte ich nur und öffnete grinsend die Beifahrertür, damit auch er einsteigen und wir den Tatort verlassen konnten.
***
Es war kurz nach 15:00 Uhr als wir in Atlanta eintrudelten. „Also, was machen wir zuerst? Wie finden wir das Monster?", fragte mich Steve aufgeregt. Er klang wie ein kleines Kind, welches darauf wartete endlich etwas Süßes zu bekommen. Irgendwie war er ja ganz niedlich. „Ich mach dir erst mal ein gefälschten FBI Ausweis", erklärte ich ihm murmelnd und machte mich auf den Weg zu einem Copyshop. Kurz bevor wir unser Ziel erreichten, drückte ich meinem Partner eine Kreditkarte in die Hand und deutete auf einen Herrenausstatter im gegenüberliegenden Gebäude. Perfekt. „Du brauchst einen Anzug. Besorg dir einen passenden Fummel. Wir treffen uns in einer Stunde wieder hier." Etwas verwirrt machte Steve auf dem Absatz kehrt. Er überquerte die Straße, um meinem Befehl umgehend nachzukommen, während ich mich in den Copyshop begab.
Genau eine Stunde später verließ ich den Shop und sah mich um. Auf die Minute genau kam Steve aus dem Nobelgeschäft herausstolziert und winkte mir aufgeregt zu, als er die Straße querte und neben mir zum Stehen kam. „Ich habe alles und du?", fragte ich direkt ohne lange Begrüßungsfloskel und beäugte seine pralle Einkaufstasche. „Einen passenden Anzug, so wie es mir befohlen wurde." „Sehr schön, hier", sagte ich ruhig und überreichte ihm seinen FBI Ausweis. „Oh Mann, das ist sowas von Illegal. Und Agent Neal Diamond....wirklich?" Mit hochgezogenen Augenbrauen und geneigtem Kopf sah er mich an. „Hab dich nicht so. Es ist ein passender Name", murmelte ich und grinste ihn an. „Also, zieh dich auf der Toilette von diesem Café um. Ich hol noch was aus dem Wagen." Gesagt, getan. Steve verschwand ohne weiteres Gemecker in dem Kaffeehaus und tauschte seine Alltageskleider gegen den frischerworbenen Anzug. Währenddessen hatte ich mir aus dem Auto einen schwarzen Rock, ein weißes Hemd und eine passende schwarze Jacke geschnappt, welche ich mir ebenfalls auf der Toilette dieses Kaffeehauses überwarf. Als wir in unsere Verkleidungen geschlüpft waren, machten wir uns auf den Weg zu den Familien der Verstorbenen.
Als wir endlich ankamen, klopfte ich zögernd an. Eine Frau mit blonden Haaren öffnete die Tür und sah uns verwirrt an. Verständlich. „Guten Tag. Ich bin Agent Carter und das ist mein Partner Agent Diamond, wir sind vom FBI. Wir hätten ein paar Fragen zu Ihrem Mann", sagte ich und lächelte sie leicht an. „Über Fred? Egal was er angestellt hat, er ist tot. Also tut das alles nichts mehr zu Sache." „Das wissen wir bereits und dennoch haben wir ein paar Fragen. Seien Sie unbesorgt, Ma'am. Ihr Mann hat nichts angestellt", erklärte ich ihr mit sanfter Stimme und bat sie wortlos um Eintritt in das Haus. „In Ordnung. Kommen Sie rein", gab die Blonde schließlich nach und deutete mit einer Handbewegung nach Innen. Nickend folgten wir ihr ins Wohnzimmer und sahen uns beiläufig um. „Also, Miss Green. Ihr Mann...hatte er vorher schon einen Herzinfarkt oder so etwas Ähnliches?" „Nein nie! Er war der gesündeste Mann den ich kannte. Er bekam nicht mal einen Schnupfen", beteuerte sie und fing augenblicklich an zu schluchzen, als sie an ihren Mann dachte. Wortlos reichte Steve eine Packung Taschentücher an die weinende Frau, die er wohl in seiner Hosentasche mitgeführt hatte oder wo auch immer. Dankend ergriff sie das weiße Tuch und schniefte beherzt hinein. „Eine Frage noch, Miss Green. Ist Ihnen an Ihren Mann etwas Seltsames aufgefallen? Hat er etwas Komisches gesagt oder getan, bevor er starb?" Sie schien einen Moment zu überlegen, schüttelte dann jedoch verneinend den Kopf. „Nein nichts." „Danke Miss Green! Ich wünsche Ihnen alles Gute." Damit verließen wir das Haus und stiegen in den Wagen. „Und was hat uns das gebracht?", fragte Steve murrend und legte den Gurt an. „Es scheint mir jedenfalls kein Geist zu sein", murmelte ich und fuhr los. Die nächsten dreißig Minuten Autofahrt verliefen still. Sehr still.
Nächster Halt, nächster Stopp war das Haus des zweiten Opfers. Wieder klopften wir an und wieder öffnete eine Frau die Tür. Dieses Mal war es allerdings eine ziemlich große Frau mit schwarzen Haaren und keine Blondine. Da sie einen guten Kopf größer war als ich selbst, musste ich über den Nachnamen innerlich doch etwas schmunzeln. Innerlich verstand sich, denn schließlich war ich ein Profi und so ein Verhalten wäre mehr als unprofessionell. „Miss Klein, wir sind vom FBI. Können wir Ihnen einige Fragen stellen?", fragte ich sie freundlich und hoffte, dass auch dieses Gespräch schnell von statten gehen würde. Ohne zu zögern oder einen Blick auf unsere Dienstausweise zu werfen, ließ sie uns eintreten. „Also, was kann ich für Sie tun?" Mit wenig Emotion sah sie uns nacheinander eindringlich an. Mein Blick schweifte derweil durch das Haus. Bis auf einen, meiner Meinung nach, schlechten Geschmack konnte man der Besitzerin nichts vorwerfen. Noch nicht.
„Miss Klein, hatte Ihr Mann vorher schon Mal einen Schlaganfall?" Angesprochene legte ihre Stirn in Falten und sah mich durch kleine Augen aus an. „Er hatte schon zig Schlaganfälle. Es war nur eine Frage der Zeit bis ihn einen davon ins Grab bringt", sagte sie kurz angebunden. Jegliche Emotionen waren aus ihrer Stimme verband. Misstrauisch musterte ich die Dame vor uns und nickte schließlich verstehend. Diese Frau war mir nicht ganz koscher, doch ich ließ mir nichts anmerken. „Ist ihnen an Ihren Mann in letzter Zeit etwas Seltsames aufgefallen?", fragte Steve beinahe schon routiniert, so als würde er das jeden Tag machen. Die Antwort jedoch hörte ich nicht mehr. Mein Blick blieb an einer Vase kleben, die nicht unweit von mir auf einem kleinen Podest stand und mich förmlich anflehte sie anzufassen. Vorsichtig strich ich mit dem Finger über das schöne Muster der Verzierungen. Nach kurzer Zeit, in der ich beinahe schon zu sabbern begonnen hatte, wandte ich mich um und wollte wieder ein aktiver Part des Gespräches werden, da geschah es. Mit einem lauten Gepolter krachte die Vase auf den Boden und zersprang in unzählige Einzelteile. Erschrocken starrte ich auf das Chaos für das ich verantwortlich war und schlug mir leicht beschämt die Hand vor dem Mund. „Die war schon kaputt bevor...ähm...ich sie angefasst habe", druckste ich eine lahme Ausrede heraus und versuchte mich erfolglos aus der Affäre zu ziehen. Fassungslos, aber zum glück auch sprachlos, starrte die schwarzhaarige Frau mich an. Mein Blick glitt zu Steve, der mich ebenso schockiert musterte. „Äh, also...vielen Dank, Miss Klein für die Beantwortung unserer Fragen, aber wir müssen jetzt leider los! Entschuldigen Sie bitte die Unordnung. Schicken Sie einfach meinem Büro die Rechnung für die Vase!", plapperte ich drauf los, zog eine Visitenkarte aus meiner Jackentasche und drückte sie ihr in die Hand, ehe ich Steve packte und noch draußen schliff. „Was zur Hölle sollte das denn?", fragte er mich sichtlich erbost, als wir am Wagen ankamen und einstiegen. „Das war doch keine Absicht!", murmelte ich kleinlaut, umschloss das Lenkrad mit festem Griff und fuhr los.
***
Als wir am neuen Motel ankamen, warf ich mich direkt ins frischbezogene Bett. Nun war ich wirklich froh darüber, dass ich bevor wir aufgebrochen waren bereits unsere Sachen ausgeladen und verstaut hatte, so musste ich das jetzt nicht mehr tun. Nach einigen Sekunden merkte ich jedoch, dass etwas nicht stimmte. Die Luft um mich herum wurde immer dünner und das Atmen fiel mir folglich immer schwerer und schwerer. Was zum Teufel war hier los? Verwirrt setzte ich mich auf und sah mich um. Der Sauerstoff wurde mir praktisch aus den Lungen herausgezogen. So musste man sich wohl fühlen, wenn man einen Staubsauger verschluckt hatte. Panisch glitt meine Hand zu meinem Hals, der sich immer mehr zuzuschnüren schien. Der Sauerstoffmangel setzte mir immer mehr zu, bis ich schließlich den Halt verlor und auf den Boden sackte. Mit voller Wucht kam ich auf und ich spürte sofort den stechenden Schmerz an meinen Kniescheiben, als ich auf den Teppich prallte. Nach Luft ringend, drehte ich meinen Kopf zur Seite und sah Steve, der bewusstlos auf dem Boden lag. Kaum fünf Meter von mir entfernt lag er da und rührte sich nicht. Verzweifelt wollte ich seinen Namen rufen, doch es geschah nichts. Kein Laut verließ meine Kehle. Lediglich ein jämmerliches Krächzen war zu hören, als ich abermals nach Luft japste und verzweifelt versuchte nicht das Bewusstsein zu verlieren. Mein Kopf dröhnte so sehr, dass ich mich aus nichts konzentrieren konnte. Durch Zufall fiel mein tränennasser Blick unter das Bett und ich entdeckte einen kleinen unscheinbaren Stoffsack zwischen den Latten. „Hexenbeute", schoss es mir durch das benebelte Gehirn. Mit zitternder Hand versuchte ich danach zu greifen, doch ich schaffte es nicht. Meine Umgebung fing an sich zu drehen und je mehr Anstrengung ich aufbrachte um das Säckchen zu erreichen, desto mehr verwandelte sich das Motel in ein verdammtes Karussell. Mit einem letzten verzweifelten Atemzug wurde mir schwarz vor Augen.
***
Dunkelheit. Rund um mich war es stockdunkel, zappenduster oder wie auch immer man das sonst noch nennen konnte. Meine Augen waren geschlossen und aus irgendwelchen Gründen konnte ich sie nicht öffnen. Da mich mein Sehsinn komplett im Stich ließ, blieb mir nichts anders übrig, als mich auf meine Ohren zu verlassen. Doch auch das erwies sich als schwierig, denn es war still. Mucksmäuschenstill. Meine Orientierungssinne waren komplett am Arsch und auch mein Zeitgefühl ließ mich im Stich. Wie viel Zeit wohl verstrichen war? Zehn Minuten? Eine Stunde? Vier Stunden? Oder vielleicht doch ein ganzer Tag? Ich hatte keine Ahnung und es machte mich wahnsinnig so machtlos zu sein. Verzweifelt startete einen erneuten Versuch meine Augen zu öffnen und glücklicherweise klappte es sogar. Leider verbesserte sich meine Lage nicht wirklich, denn mich umgab noch immer eine leere, bedrückende Schwärze. Wackelig versuchte ich mich aufzurichten, versagte jedoch kläglich. Ich fiel nach vorne und meine Hände berührten einen kalten Steinboden. Er fühlte sich glatt an. Beim zweiten Anlauf schaffte ich es schließlich und taumelte etwas herum, ehe ich meinen ganzen Mut zusammenkratze, was in der momentanen Situation nicht wirklich viel war, und räusperte mich, ehe ich sprach. „Hallo? Ist da wer?" Meine stimme hallte laut an den, vermutlich ebenso steinigen, Mauern wider und verpassten mir eine unangenehme Gänsehaut am Körper. Für einige Sekunden war es still, fast schon gespenstig. Doch dann... „Das ist erbärmlich!" Erschrocken fuhr ich herum. Diese Stimme. Diese Stimme war mir so vertraut und doch konnte ich sie nicht sofort zuordnen. Schritte hallten durch den Raum. Schritte von Stiefeln, die sich gefährlich schnell näherten. Mit einem leisen Klicken begann die Deckenlampe zu flackern und der ungemütliche Raum wurde in ein grelles Licht getaucht, was ihn fast noch ungemütlicher werden ließ. Falls das überhaupt möglich war. Und es kam noch besser, oder schlechter, je nachdem wie man es ausdrücken wollte. Erschrocken sprang ich zurück, als die Person, zu der die Stimme und die Stiefelschritte augenscheinlich gehörten, in mein Sichtfeld trat. „Dad?", fragte ich ungläubig und betrachtete die Gestalt vor mir. Nein. Das war nicht möglich. Mein Blick war starr auf meinen Vater gerichtet. John Winchester stand nur wenige Meter von mir entfernt und musterte mich mit diesem, für ihn typischen, Ausdruck in den Augen zeigte jedoch sonst keinerlei Emotionen. Aber das war unmöglich! Dad war tot! Er war doch tot!
„Du bist erbärmlich, Cara!", spukte er mir förmlich entgegen. Mein Blick senkte sich augenblicklich und ich fixierte die einzelnen Steinplatten vor meinen Füßen, was nicht ungestraft blieb. „Sieh mich gefälligst an und steh gerade!" Sofort tat ich was man mir sagte und stellte mich aufrecht hin. „Du hast dich von einer einfachen Hexe fertig machen lassen? Ich habe es dir besser beigebracht, aber du warst schon immer unfähig. Deinetwegen drehe ich mich noch im Grab um." Sofort spannte ich mich an und zupfte nervös an meinem Oberteil herum. Mein toter Vater stand vor mir und machte mich fertig und ich war nicht mal in der Lage zu sprechen! Dad hatte recht. Ich war wirklich erbärmlich. „Was ist nur los mit dir? Du hast deine Familie im Stich gelassen und zugelassen, dass deine Brüder nacheinander starben! Erst Sam, dein Zwilling! Und dann Dean! Was hast du in der Zeit gemacht, als Dean in der Hölle vor sich hin schmorte, Cara? Was hast du gemacht?", schrie er mich an, während ich einfach nur dastand und...nichts tat. Was war nur los mit mir? Ich musste doch irgendetwas tun können. Irgendwas um das hier schnellstmöglich zu beenden. Ich ballte meine Hand zu einer Faust und bohrte meine Fingernägel unaufhörlich in die empfindliche Handfläche. Ich bohrte so lange und so fest, bis ich die rote Flüssigkeit an meinen Fingern entlangfließen spüren konnte.
„Das ist nicht echt. Das ist das Werk der Hexe", murmelte ich zu mir selbst und versuchte mich so zu beruhigen.
„Natürlich ist das das Werk der Hexe! Ich bin Tod und dennoch ist das hier echt", entgegnet er ernst und deutete auf den kühlen Steinraum. Verwirrt sah ich den Mann an, der zwar wie mein Vater aussah und auch so sprach, jedoch nicht mein Vater war. Zumindest nicht wirklich. „Du bist eine Schande, dabei siehst du deiner Mutter so ähnlich. Aber du bist keineswegs wie sie! Du bist ein Monster, Cara! Ein Monster! Und das weißt du auch oder?"
„Halt die Klappe!", brüllte ich verzweifelt. Etwas enttäuscht über mich selbst, da ich nach einer gefühlten Ewigkeit endlich etwas zu diesem Gespräch beitragen konnte und nur eine erbärmliche Phrase rausbringen konnte, fasste ich mir an den pochenden Kopf. „Halt endlich den Mund!", legte ich leise nach und konnte die aufkommenden Tränen bereits in den Augen spüren. „Du bist ein Monster, denn ein Mensch scheinst du nicht zu sein, jedenfalls nicht gänzlich. Du fühlst dich bei dem Teufel wohl und es macht dich Nicht mal stutzig? Du hättest nie geboren werden dürfen, Cara!"
Nun war es komplett vorbei und die Sturzbäche aus Tränen, die über meine glühenden Wangen flossen, waren nicht mehr zu stoppen. Hatte er Recht? War ich ein Monster? Wäre es besser, wenn ich nie geboren worden wäre? Schluchzend fiel ich vornüber auf die Knie und krallte meine blutigen Finger in die zerzausten Haare. Mein Blick war immer noch stur auf den Mann vor mir gerichtet, der plötzlich an mich herantrat. Einen halben Meter von mir entfernt ging er ebenfalls auf die Knie und lächelte mich an. Dieses Lächeln. Es löste etwas in mir aus. Eine Erinnerung kam mir mit einem Schlag wieder in den Sinn. Eine Erinnerung an meine Kindheit. Ich konnte nicht älter als neun Jahre gewesen sein und Dad kam von einer Jagd nachhause. Er hatte mir eine Tüte Süßigkeiten mitgebracht und ich fiel ihm dankend um den Hals. Damals hatte er mich so verdammt liebevoll angesehen. Damals wusste ich nicht, dass es das letzte Mal gewesen sein sollte.
Das belustigte Schnauben meines vermeintlichen Vaters riss mich aus den Gedanken und brachte mich zurück in diesen Albtraum von Realität. „Beende dein Leid, Cara. Tue uns und der Welt einen Gefallen und befreie die Menschheit ein letztes Mal von einem Monster." Mein Vater legte mir ein glänzendes Messer in die Hand, welches ich verwirrt ansah. Wollte er wirklich, dass ich mir umbrachte? Suizid? Hier und jetzt? „Aber das kann ich doch nicht tun. Sam, Dean...sie brauchen meine Hilfe. Und Lucifer ist auch noch auf der Erde. Wie...", hauchte ich verzweifelt und starrte auf die glänzende Schneide. Meine eigenen Augen stachen mir entgegen und ich wandte mich ab. Beinahe schon hilflos sah ich auf und unsere Blicke kreuzten sich. Ich wusste nicht was ich tun sollte. Was ich tun konnte.
„Sie kommen auch ohne dich zurecht und die Welt ist ohne dich einfach besser dran. Tue es endlich. Beende es! Dass du überhaupt auf dieser Welt bist, ist ein Irrtum und du weißt das. Eine letzte Jagd, Cara. Vernichte das Monster!" Vernichte das Monster. Diese Worte hallten in meinem Kopf wider, als ich das Messer wie in Trance packte und an meinen Hals führte. Ein einfacher Schnitt und es war vorbei. Tränen flossen aus meinen Augen und verklärten mir die Sicht, doch es störte mich nicht mehr. Ich konnte auch ohne eine klare Umgebung vor mir zu sehen töten. Das hatte ich schon oft genug getan. Doch sich selbst zu richten, war dann doch eine andere Sache. „Gut", hauchte mein Gegenüber und nickte mir zu, als ich das Messer an meine Kehle legte.
„Komm zu dir, Cara! Egal was passiert, gehe nicht drauf ein! Es ist nicht real!" Verwirrt sah ich mich um, doch außer John konnte ich niemanden sehen. Doch diese Stimme...die gehörte eindeutig zu Dean. „Tue es endlich, Cara!", drängte mich Dad. „Komm zu dir!", erklang wieder diese körperlose Stimme meines Bruders. Mit einem Mal fühlte ich einen starken Schmerz an der Wange. Hatte er ich gerade geschlagen?! „Aua! Dieser Mistkerl schlägt mich!", rief ich wütend und entsetzt zugleich. Wie vom Donner gerührt, ließ ich das Messer fallen und wich erschrocken zurück. Was wollte ich gerade tun? Wollte ich mich wirklich umbringen? Wütend blickte ich in das Gesicht meines Vaters. Ich war hier nicht das Monster, nein, das war er! Er war das Monster von uns beiden! „Kannst du nicht einmal etwas zu Ende bringen?", spie er mir entgegen und funkelte mich bedrohlich an. Wütend wollte ich ihm ins Gesicht schlagen, ihn anschreien und beschimpfen, als plötzlich wieder alles schwarz wurde.
„Komm schon, Cara! Wach endlich auf!" Panisch fuhr ich hoch und riss die Augen auf. Um mich herum wurde es mit einem Mal so hell, dass ich meine Augen wieder schmerzlich aufeinanderdrücken musste. Erst als ich mich halbwegs an das Licht gewöhnt hatte, konnte ich einen neuen Versuch starten und öffnete schließlich die Augen komplett. „Ist dein Schönheitsschlaf denn jetzt beendet Prinzessin?" „Dean? Was machst du hier?", fragte ich verwirrt und sah meinem älteren Bruder ins Gesicht. „Erklär ich dir später, aber erst mal müssen wir hier raus. Du hast Hexe Lilly ziemlich wütend gemacht", meinte er bloß, zog mich auf die wackeligen Beine und schliff mich mit sich nach draußen.
„Du und Steve wart zwei Wochen Weg. Weißt du eigentlich, wie schwer es ist dich zu finden?", kam es direkt von ihm. Seine Stimme klang vorwurfsvoll, aber auch besorgt. Geschockt blieb ich stehen und sah mich um. Wo war überhaupt Steve?
„Dean, du willst mir sagen, dass wir zwei Wochen weg waren? Und wo ist Steve?", fragte ich ihn besorgt. Hoffentlich ging es ihm gut. Sein erster Fall sollte auf keinen Fall sein Letzter sein. Das würde ich mir nie verzeihen können. „Ihm geht's soweit gut. Er hat nur was von den Toten gelabert oder was auch immer. Was hast du gesehen?" Auffordernd sah er auf mich herab und zog eine Augenbraue nach oben, als ich nicht sofort eine Antwort parat hatte. Erleichtert, dass Steve nicht verletzt war, fasste ich mir ans Herz und atmete tief durch. „Teletubbies", gab ich weniger originell als Antwort und hoffte inständig, dass er meine Lüge nicht direkt durschauen würde. Dass unser verstorbener Vater meinen Tod wollte, konnte ich Dean schlecht sagen. Genervt über meine Antwort stöhnte Dean auf und fasste sich an den Kopf. „Typisch Weiber", murmelte er und sah mich missmutig von der Seite aus an. Auch ich verdrehte die Augen und blickte stur nach vorne, als ich das altbekannte Motorengeräusch vernahm. Von weitem konnte ich einen Wagen sehen und zwei große Gestalten, die sich als Sam und Steve entpuppten. Der größere von beiden lief in einem schnellen Tempo auf uns zu und schrie mehrmals meinen Namen, bis er schließlich direkt vor mir stand und mich mit einer herzhaften Umarmung fast umrannte.
„Cara!", rief er abermals und verpasste mir damit fast einen Tinnitus, da er mir ins Ohr schrie. „Cara, ist alles in Ordnung?" Bestimmend drückte er mich von sich und scannte mich von oben bis unten ab. „Alles bestens, Sammy", versicherte ich und schenkte ihm sogar ein kleines Lächeln als Bestätigung. Mein Blick fiel auf Steve, der wenige Schritte entfernt stand und mich besorgt musterte. Immer wenn sich unsere Blicke trafen, wandte er sich ab und wirkte beinahe schon etwas beschämt. „Alles in Ordnung?", fragte ich und ließ ihn dabei nicht aus den Augen. „Ihr könnt euch später unterhalten. Los jetzt! Tempo!", regte Dean sich auf und schubste uns Richtung Wagen.
Erschöpft lehnte ich meinen Kopf gegen die kühle Schreibe und bemerkte erst nach einigen Herzschlägen, dass das nicht das Auto von Dean war. Es musste sich wohl noch immer um unser geklautes Fahrzeug handeln. Aber...wurde das nicht schon längst als gestohlen gemeldet? Ganz schön mutig von ihnen mit einem gesuchten Auto durch die Gegen zu düsen. Mutig oder dumm. Eins von beiden war es auf jeden Fall. „Oh verdammt!", fluchte Dean wütend und machte eine Vollbremsung, was uns Insassen schmerzhaft in die Gurte drückte. Geschockt sah ich nach vorne, wo uns eine scheinbar sehr wütende Hexe begrüßte. Mit schnellen Schritten lief sie auf uns zu und schrie dabei Worte auf Latein. Gerade als Sam etwas sagen wollte, wurde der Wagen herumgeschleudert und landete schließlich rumpelnd auf der Seite. Mein Kopf wurde herumgewirbelt und knallte brutal gegen den Vordersitz. Mit dröhnenden Kopfschmerzen hielt ich meine Augen geschlossen und versuchte meinen panischen Herzschlag unter Kontrolle zu bekommen. Schwerfällig öffnete ich die Augen und stieß ein schmerzendes Keuchen aus, als ich das klebrige Blut an meiner Schläfe spürte. Alles um mich herum schien sich noch immer zu drehen und die Geräusche, die an mein Ohr drangen, kamen mir unendlich weit weg vor. Fast so, als hätte jemand den Ton auf die niedrigste Stufe gestellt. Scheinbar war der Wagen ein weiters Mal gedreht worden, denn wir standen nun Kopf.
„Sam, Dean, Steve?", wollte ich rufen, doch meine Stimme versagte kläglich. Ich nahm all meine verblieben Kraft zusammen und stemmte meine Hände gegen das Dach und verlagerte mein Gewicht. Innerlich zählte ich bis drei, machte den Gurt ab und fiel auf meine Arme hinab. Durch die zersprungene Scheibe konnte ich die herannahende Hexe sehen. Sie ging langsam und schien es wohl nicht mehr ganz so eilig zu haben uns zu töten. Ich hingegen verspürte den Drang es schnellstmöglich hinter mich zu bringen und diesem Miststück den Gar auszumachen. Für meine Begleiter, die allesamt ohne Bewusstsein vor sich hinvegetierten, konnte ich ohnehin nichts tun. Suchend sah ich mich um und entdeckte bei Dean ein Messer. Bingo. Tief durchatmend griff ich danach und zog es zu mir, ehe ich mich aus dem umgekippten Auto kämpfte. Als ich es schließlich geschafft hatte, versuchte ich mich aufzurichten. Die Betonung lag auf versuchte, denn mehr als ein jämmerlicher Versuch war es nicht.
„Du warst böse, kleine Winchester!", flüsterte die Hexe bedrohlich und baute sich vor mir auf. Zögernd sah ich zu ihr hoch und als sie mir ein breites Lächeln mit ihren stinkenden Beißerchen schenkte, spürte ich plötzlich höllische Schmerzen im ganzen Gesicht. Dieses Miststück hatte mir ins Gesicht getreten! „Oh, Bitch! Dich werde ich mit Freude töten!", gab ich wütend von mir, konnte aber den zweiten Tritt nicht verhindern und fand mich sekundenspäter stöhnend auf dem Asphalt wieder. Das Messer glänzte mir höhnend aus einem Meter Entfernung entgegen, brachte mir jedoch nichts für den bevorstehenden Kampf. Es sei denn... „Du hättest hören sollen und dich töten müssen", zischte sie mir entgegen. „Böse, kleine Winchester!" „Ich werde eher dich töten! Allein schon dafür, dass du mir meinen Vater gezeigt hast!", entgegnete ich schwerfällig, robbte etwas zur Seite und schafft es das Messer zu erreichen, um es an mich zu ziehen. Ich unterdrückte einen wehleidigen Aufschrei, als die Hexe einen Schritt näher kam und ihre Hand nach vorne schnellte. Ihre fauligen Finger bohrten sich in meine Wangen und zerrten mich nach oben. Das Messer in meiner Hand schien sie wenig zu kümmern, denn sie ignorierte es vollkommen. Das sollte noch ihr Verhängnis werden! „Dein Vater hat nichts von alldem gesagt. Er hat lediglich deinen Gedanken eine Stimme verliehen", erklärte das Hexenweib grinsend und verstärkte den Griff um meine Wangen deutlich. Das war zu viel für mich. Diese Worte brachten das Fass zum Überlaufen. Wütend riss ich den Arm nach oben und stach ihr das Messer in den Brustkorb. Einmal. Zweimal. Dreimal. „Du hast keine Ahnung von meinen Gedanken!"
Geschockt über das plötzliche Handeln meinerseits, ließ sie mich los und taumelte ein paar Schritte zurück. Ihre Hände hatte sie auf die blutenden Wunden gepresst, was jedoch das Blut noch daran hinderte aus den Löchern zu quellen. Mit einem letzten kräftigen Tritt stieß ich die röchelnde Hexe von mir und ließ mich selbst nach hinten fallen. Mein Kopf drehte nach links, wo ich in der schemenhaften Spiegelung der Autoscheibe etwas erkannte. Statt einfach hindurchzusehen, oder mein eigenes Spiegelbild zu erblicken, sah ich meinen Vater. Warum? Bevor ich mir jedoch den angeschlagenen Kopf darüber zerbrechen konnte, überrollte mich die überfällige Ohnmacht und riss mich mit sich in die Dunkelheit.
***
Gedankenverloren starrte ich auf den Boden des Motels. Noch immer hatte ich Kopfschmerzen. Höllische Kopfschmerzen, um genau zu sein. Was nicht mehr oder minder daran lag, dass ich eine verdammte Gehirnerschütterung hatte. Die anderen waren zum Glück ohne große Verletzungen davongekommen, hatten jedoch etwas mit ihrem angekratzten Ego zu kämpfen. Welcher gestandene Mann ließ sich schon gerne von einer Frau retten?
Sam saß am Tisch, hatte ein Bier und einen Laptop vor sich aufgebaut und schien völlig entspannt das Internet nach irgendwelchen belanglosen Dingen zu durchsuchen. Dean schlief ein paar Meter entfernt friedlich vor sich hin und anhand seines wohligen Gesichtsausdruckes träumte er wohl von Cheeseburgern oder heißen Bräuten. Steve hingegen wollte einkaufen gehen, was an sich nicht wirklich merkwürdig war, aber...doch irgendwie schon. In den letzten Tagen war er sehr abwesend und wirkte niedergeschlagen. Womöglich lag es an die misslungene erste Jagd, aber ich wusste es nicht genau, denn er sprach nicht mit mir. Genau genommen sprach er mit niemanden wirklich in den letzten Tagen. Seufzend fuhr ich mir durch das müde Gesicht und wollte mich gerade nochmal hinlegen, als die Tür aufging und der Übeltäter schlechthin hereinsah.
„Cara? Ich muss mit dir reden", kam es tonlos von Steve und deutete mir mit einem knappen Handzeichen ihm zu folgen. Verwirrt folgte ich ihm nach draußen und schloss die Tür leise hinter mir. Irritiert sah ich Steve an, der mit einer Reisetasche bewaffnet vor mir stand. Ich biss mir auf die spröden Lippen, ehe ich traurig zu Steve hochsah. „Du gehst?", kam es überflüssigerweise von mir und ich spürte wie sich mein Herz schmerzlich zusammenzog. Ohne mich auch nur anzusehen oder etwas zu sagen, nickte er. Es war ein abgehacktes Nicken, aber ein Nicken. „Verstehe." „Hör zu, Cara. Das ist nicht mein Leben, genaugenommen ist das gar kein Leben. Für mich ist das nicht lebenswert und genau deswegen gehe ich. Ich habe eine zweite Chance bekommen und ich wäre dumm, wenn ich die Chance nicht nutzen würde." Ich lachte bei den verletzenden Worten trocken auf und schüttelte fassungslos den Kopf. Steve kam näher und hauchte mir ein Kuss auf die Stirn. „Ich werde dich immer lieben. Aber ich muss an mich denken", sagte er leise, drehte sich um und ging los. Er ging einfach weg, ohne sich ein einziges Mal dabei umzudrehen. Minutenlang starrte ich ihm nach, bis ich meinen Kopf kraftlos gegen die Wand des Motels lehnte und meine Gedanken schweifen ließ.
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Das Band der Familie
FanfictionCara Winchester ist die kleine Schwester von Dean und zugleich die Zwillingsschwester von Sam. Als sie zehn Jahre alt war, bemerkten sie und auch ihre Familie das mit ihr etwas nicht stimmte. Es hatten sich bei ihr seltsame Kräfte gebildet und keine...