Null

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Manche Menschen in meinem Alter kommen nach der Schule nach Hause, sie werden an der Tür empfangen, gefragt, wie ihr Tag war, sie betreten ein Haus, in dem es nach Essen duftet. Einige werden am Vorabend gefragt, was sie sich morgen zum Mittagessen wünschen. Andere werden mit ihrem Lieblingsessen überrascht. Sie setzen sich gemeinsam an den Tisch und reden von ihrem Tag, sie erzählen und man hört ihnen zu und es gibt jemanden, der ihnen etwas erzählt.
Vielleicht bringen sie Freunde mit nach Hause und vielleicht hören die vorbeigehenden Menschen durch das Fenster fröhliches Lachen.
Manche leben dieses Leben mit zwei glücklich verheirateten Elternteilen, manche nur mit einem. Sie werden geliebt. Sie erhalten Hilfe. Jemand sieht ihre Sorgen und bietet Halt nach dem anstrengenden Schultag, vor einer wichtigen Klausur, bei einem Streit mit Freunden.

Wenn ich die Augen schließe und mich in ein anderes, besseres Universum denke, in dem man es mit mir gut gemeint hat, dann habe ich mindestens einen richtigen Elternteil.

Doch die Haustür knallt hinter mir zu und ich bin ganz allein.

Wie gern hätte ich einen Elternteil hier, der sich um mich sorgt, obwohl ich schon volljährig bin. Stattdessen habe ich zwei halbe. In diesem Fall ergibt 0,5+0,5 nicht 1. Meine Eltern kann man nicht addieren, man muss sie subtrahieren, denn sie passen nicht ineinander. So geht die Rechnung auf, denn 0,5-0,5 ist 0.
0.
0.
0.

Hier ist niemand für mich.

Es gibt nur mich in dieser Welt. In 0-Komma-nichts bin ich am Boden. Ich habe 0,0 Ressourcen. Absolut niemanden.

-13.05.23

ZeugWo Geschichten leben. Entdecke jetzt