16. Blitz

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-𝒅𝒓𝒆𝒊 𝑻𝒂𝒈𝒆 𝒔𝒑𝒂̈𝒕𝒆𝒓:
-𝑲𝒂𝒚𝒓𝒂𝒔 𝑺𝒊𝒄𝒉𝒕:

"Wie geht es ihm?" fragte Kinji mich, heute schon zum dritten Mal.
Ich seufzte angeschlagen und blickte aus unserer Hütte, durch den dichten Regen, zu dem Haupthaus des Herren Rikou.
Vor drei Tagen hatte Sharan plötzlich das Dorf verlassen und der Herr wollte nicht einmal Mao sagen, wieso.
Seit dem hatte es auch angefangen, erbarmungslos zu Regnen und zu gewittern.
Der Boden des Dorfes war schlammig und setzte man einen Fuß darauf, sank man sofort ein wenig in den aufgeweichten Boden ein.

Herr Rikou ging seit Sharans Verschwinden kaum noch aus dem Haus und ich glaubte, er wurde langsam krank. Er schien, Sorge zu haben und traurig zu sein. Sharans Verschwinden war anscheinend zu viel für ihn und sein Körper konnte den Stress anders nicht handhaben.

"Ich weiß es nicht... er will mir nichts sagen. Nicht einmal mit deinem Vater will er reden... er muss Sharan wirklich gemocht haben." "Glaubst du, es war nur das? Glaubst du nicht, da war mehr... zwischen ihnen?" murmelte Kinji, etwas nervös und ich horchte bei seiner Vermutung auf.
"Du denkst das also auch?" fragte ich und darauf sah er mich verwirrt an.
"Wie meinst du?" "Ach, all die jungen Frauen haben ebenfalls solche Gedanken über die beiden und man hört überall schon Geschichten. Ich dachte es auch und niemand weiß, warum Sharan so plötzlich gegangen ist..."
Mehr brauchte ich nicht dazu sagen...

Also beließen wir es beide dabei und starrten aneinander vorbei, in den Regen.
Langsam senkte sich die Sonne vom Himmel und wechselte mit dem Mond ihren Platz.
Das Licht war schwach und man konnte leichte Blitze über den Himmel zucken sehen.
Und plötzlich brach lauter Donner über uns herein.

-𝑹𝒊𝒌𝒐𝒖𝒔 𝑺𝒊𝒄𝒉𝒕:

Donner...
Normalerweise hatte ich keine Angst davor. Nicht vor dem Regen... nicht vor dem Blitz... aber heute...
Ich konnte nur an Sharan denken, der ganz alleine im Wald war und das selbe Gewitter gerade durchlebte.
Immerweider schoss mir seine Pfote durch den Kopf und wie sie sich unter meiner Hand angefühlt hatte.
Es war überhaupt nicht unangenehm... oder hart...
Seine Ballen waren weich, genau wie sein schwarz-rotes Fell.

Ich wusste schon, dass er das Biest der Legende war und auch die verschwundenen Jäger verschleppt hatte.
Anders konnte es nicht sein. Er hatte sie getötet, weil sie in seinem Territorium waren und seine Beute gestohlen hatten. Er wusste nicht, dass sie zu einem Dorf gehörten...
Ich fühlte mich elend...
Darüber, dass ich wusste, was er war und was er getan hatte... und ihn trotzdem nicht hassen konnte.
Darüber, dass ich nicht früher reagiert hatte und ihn gehen ließ...
Sein gequälter Blick ging mir nicht aus dem Kopf und erst seine goldenen Augen, vor Trauer verschleiert.

Plötzlich brach lauter Donner aus dem Himmel und ich zuckte erschrocken zusammen.
Wie sich Sharan wohl fühlen musste?... Alleine im kalten Wald.
Oder waren seine Tierfreunde bei ihm?

Noch einmal zuckte ein heller Blitz über den Himmel, jedoch folgte ein extrem lauter Knall und ich wurde für ein paar Augenblicke geblendet.
Der Bliz war in den Wald eingeschlagen.

-𝑺𝒉𝒂𝒓𝒂𝒏𝒔 𝑺𝒊𝒄𝒉𝒕:

Was war das?!
Ein lauter Knall, von dem meine Ohren dröhnten und all die Tiere sofort ins Unterholz oder die Baumkronen flüchteten.
Verwirrt sah ich mich um und spähte von dem Baum herunter, auf dem ich gerade saß.
Langsam verschwand das unangenehme Dröhnen in meinem Kopf und ich hüpfte vorsichtig und lautlos auf den feuchten Waldboden.
Der Regen prasselte von oben auf mich herab und ich wurde immer nässer, je weiter ich ging, auch wenn die Bäume das Meiste abfingen.
Und in diesem Moment stieg mir ein schwacher Geruch in die Nase.
Rauch.
Ein Blitz hatte einen Baum getroffen.

Feuer...
Der Wald brannte!
Ich musste hier weg, aber in welche Richtung sollte ich gehen? Ich wusste nicht, ob ich dem Feuer vielleicht direkt in die Arme laufen würde oder sicher davon wegkam. Und wenn der Wald abbrannte...
war Rikous Nest auch in Gefahr.

Zerrissen schüttelte ich den Kopf und konzentrierte mich.
In meinem menschlichem Körper kam ich nicht weiter. Meine wahre Form war viel nützlicher, auch wenn ich sie hasste.

Ich schloss also meine Augen und spürte sofort, wie sich mein Körper verformte. Meine Hände verformten sich zu großen Pfoten mit langen Krallen, meine Arme und Beine wurden länger und ich bekam mein schwarz-rotes Pelzkleid zurück.
Mein Körper beugte sich vorne über und ich landete auf allen Vieren, worauf sich mein Gesicht zu einer langen Schnauze verzog.
Meine Zähne wurden länger, meine Sinne schärfer und auf meinem Kopf wuchsen zwei fellige, spitze Ohren.
An meinem Steißbein bildeten sich zwei sehr lange Schuppenschwänze, mit je einem Buschen Fell und ein paar Zacken am Ende.

Und nun stand ich in meiner richtigen Gestalt mitten im Wald und wurde vom Regenwasser der Blätter abgetropft. Mein Fell war wasserdicht, weshalb ich nicht frieren müsste.
Meine feinen Ohren verrieten mir, dass die Tiere des Waldes sich längst in Sicherheit gebracht hatten und meine Nase zeigte mir die ungefähre Richtung des Brandes.
Langsam wurde die Luft stickig und ich rannte lautlos durch die Gebüsche und Farne, bis ich plötzlich noch etwas anderes roch.

Dieser Geruch...
Es roch nach Pferd und Holz... und es roch nach Rikou.
Was machte er im Wald? Er musste den Einschlag doch mitbekommen haben...

Sollte er wirklich im Wald sein, musste ich ihn hier rausbringen.
Egal, wie... aber ich konnte ihn nicht so alleine in den Tod reiten lassen.
Auch, wenn ich ihn nicht treffen wollte.

-𝑹𝒊𝒌𝒐𝒖𝒔 𝑺𝒊𝒄𝒉𝒕:

Bitte...
Ich musste ihn unversehrt finden.
Sollte ihm etwas passieren, war es meine Schuld. Allein ich war dafür verantwortlich, dass er gegangen war.

Also trabte ich mein Pferd schneller an und ignorierte die nassen Äste, die mir unbändig ins Gesicht schlugen.
Aber plötzlich hielt mein Pferd an und stellte sich auf die Hinterbeine.
Ich hielt mich erschrocken fest und als es wieder runter ging, wich es sofort zurück.
Verwirrt spähte ich durch den dunklen Wald und die Gebüsche, die mir die Sicht auf etwas versperrten.
"Was... ist das?" flüsterte ich mir selbst zu, als ich tatsächlich etwas erkennen konnte.
Aus einem Gebüsch fixierten mich zwei goldene, starre Augen.

Es waren keine Menschenaugen. Sie erinnerten an einen Tiger.
"Sharan...?" murmelte ich ungläubig und langsm trat ein Tier aus den Schatten der Bäume.
Kein normales Tier sah so aus.
Es war dreimal so groß wie ein ausgewachsener Wolf und hatte eine Zunge, lang wie eine Schlange.
Spitze Ohren, riesige Pfoten und zwei Schuppenschwänze mit je einem Fellbuschen, umringt von Zacken am Ende.
Das musste das Geräusch gegen die Schiebetür verursacht haben, in der Nacht als ich aufwachte und Sharan nicht dort war.
"Sharan? Bist du das?" fragte ich nochmal, diesmal etwas sicherer.
Nun trat das Tier ganz aus dem Gebüschen und mein Pferd wich sofort weiter zurück.
Da hob das Tier, von dem ich glaubte, es sei Sharan, den Kopf und öffnete sein Maul, worauf es seine langen und spitzen Zähne entblößte.
Sofort wirbelte mein Pferd herum und gallopierte von ihm weg.
Ich versuchte, es herumzureißen aber aus Angst blieb es nicht stehen.
Sharan wollte es vertreiben. Er wollte mich vertreiben.

Fluchend löste ich meine Füße aus dem Steigeisen und sprang vom Rücken des panischen Pferdes.
Ich landete unangenehm auf dem harten Waldboden und richtete mich sofort wieder, wenndoch keuchend auf. Ich war pitschnasss und mir war kalt, aber daran wollte ich nicht denken.

Also stand ich auf und gerade, als ich ihn rufen wollte, sprang Sharan aus dem nächsten Busch, direkt vor mir.

𝒏𝒂𝒎𝒆𝒍𝒆𝒔𝒔 𝑩𝒆𝒂𝒔𝒕 [𝐁𝐋]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt