9. Besuch

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-𝑹𝒊𝒌𝒐𝒖𝒔 𝑺𝒊𝒄𝒉𝒕:

Und da stand ich nun...
Vor dem Zimmer meines Vaters... regungslos und still.
"Kommen Sie herein, sobald Sie bereit sind, aber bitte brauchen Sie nicht zu lange." lächelte mir ein älterer Mann zu und entfernte sich mit gesenktem Kopf von mir.
Im Raum vor mir lag mein kranker Vater, umringt von seinen Schlampen, Dienerinnen und Ärztinnen.
Der Raum war dunkel und klein... fast kein Licht kam herein und es war wenig Platz.
Ich roch die Krankheit bis hierher und rümpfte angeekelt die Nase.
An meinem Vater war alles verdorrt. Sowohl sein Körper, als auch sein Verstand.
Er war kein guter Mensch.

"Rikou."
kaum verständlich drang seine Stimme aus dem Zimmer und ich schreckte in die Realität zurück.
"Komm her..." meinte er, gerade so laut, dass er keinen Hustenanfall bekam.
Langsam atmete ich aus, bevor ich den ersten Schritt in den Raum vor mir machte.
Sofort hüllte mich die Dunkelheit des Raumes ein und der faule Geruch wurde stärker.
Die ganzen Frauen um sein Bett herum nahmen langsam Abstand und ließen mich nach und nach mit ihm alleine.

"Was willst du von mir, Vater?" fragte ich ihn, gerade heraus und sah ihm zu, wie er sich kläglich ächzend aufsetzte.
"Sei doch nicht so unfreundlich zu deinem kranken Vater." "Sag mir, warum ich hier her reiten musste und du es mir nicht einfach überbringen hättest lassen können." meinte ich noch einmal, dieses Mal mit etwas mehr Nachdruck.
Seufzend schüttelte mein Vater den Kopf und ich sah ihm seine Enttäuschung an. "Du hast dich kein Stück verändert." flüsterte er und ich hatte Mühe, ihm nicht doch ein Loch in den Schädel zu schlagen.
"Du weißt, ich sterbe bald. Und du bist mein einziger Sohn. Meine Töchter sind bereits verheiratet und du... du hälst noch an deinem erbärmlichen, kleinen Dorf fest." begann er, zu reden und ich kniff verärgert die Augen zusammen.
Er hasste mein Dorf und den Fakt, dass es nicht unglaublich groß war.
Es war eine Gemeinschaft, kein halbes Königreich, wie mein Vater es früher gehabt hatte und wo meine Schwestern eingeheiratet hatten.
Aber ich mochte mein Dorf. Und ich würde es nicht wegen ihm aufgeben.

"Du solltest dir endlich eine reiche Frau suchen und dieses kleine Häufchen Elend vergessen. Heirate ein. Und mach-..." "Damit dein Reichtum größer wird?!" unterbrach ich ihn, von seinem Versuch umso wütender.
Er hatte sich genug von meinem Leben zu eigen gemacht und es reichte mir.
"Nein. Ich will nur das Beste für meinen einzigen Sohn." meinte mein Vater und die Ruhe in seiner Stimme trieb mich in den Wahnsinn.
Aber ich sollte mich zusammenreißen. Bald war er sowieso tot und ich war der Repräsentant der Familie Tamako. Eine mächtige Familie... mit der ich nichts zu tun haben wollte.

"Rikou... du musst-" *RATSCH*
Mein Vater und ich schracken beide zusammen und vergaßen unsere Streitigkeiten für einen Moment.
Der Krach kam von draußen.
Gerade, als ich aufstehen und nachsehen wollte, platzte einer der Jäger meines Vaters in den Raum und berichtete von einem... Angriff?
"Mein Meister, junger Herr... es gibt einen Eindringling im Dorf. Wir haben ihn nicht bemerkt, bis er vor dem Haupttor des Hauses stand. Wir kümmern uns natürlich sofort darum." meinte der aufgebrachte Mann und verschwand im nächsten Moment.
Ich stand sofort auf und folgte ihm, das gequälte Gejammer meines Vaters ignorierend.

Der Jäger lief durch das Haus, auf einen freien Platz und ein halb geöffnetes Tor zu, das es vom Rest des Dorfes abtrennte.
Als ich mich durch den Spalt zwischen den Türflügeln gezwängt hatte und die Lage im Überblick hatte, blieb ich sofort in der Bewegung stehen.
Dort stand ein großer, mit einem schwarzen Mantel verhüllter Mann, umzingelt von ein paar Jägern mit scharfen Messern und gespannten Bögen.
Eine Kaputze verdeckte mir die Sicht auf sein Gesicht und sein Mantel versteckte seinen Körper, aber eines konnte ich bemerken.
Er war barfuß hier...
Seine Füße waren aufgeschunden und wund... und seine Haut war dunkel.

"Lasst mich durch!" rief ich geschockt und drängte mich grob durch die verteidigenden Jäger, als mich einer von ihnen aufhielt.
"Bitte, junger Herr, das ist gefährlich!" meinte er und drückte mich zurück. Und im selben Moment fiel mir auf, dass der verdeckte Mann vor uns anfing, zu taumeln.
Kurz bevor er also noch umkippte, stieß ich den Jäger zur Seite, der mich zurückhielt und rannte nach vorne.
Im selben Moment merkte ich, dass er nach mir griff und nach vorne taumelte. Ich fing ihn sofort auf und ging, überrascht von seinem Gewicht, mit ihm auf die Knie.

Langsam zog ich ihm die Kaputze vom Kopf und mein Verdacht bestätigte sich. Es war tatsächlich Sharan.
"Sharan?" flüsterte ich leise und rüttelte ihn ein wenig. Jedoch keine Chance. Er hing bewusstlos an mir und ich hielt seinen Kopf auf meiner Schulter, sodass er sich nicht verletzte.
Sein ganzes Gewicht lehnte auf mir und ich musterte seine wunden Füße.
Er war mir durch den Wald gefolgt... barfuß...
wieso?

"Mein junger Herr... kennen Sie ihn?" ertönte die Stimme des Jägers, der mich zurückgehalten hatte, und ich seufzte laut.
"Ja. Und er hat hohes Fieber und ist verletzt. Ich hätte nie hier her kommen sollen, dann wäre er mir nicht gefolgt..." antwortete ich, wobei der letzte Satz etwas leise rüberkam.
"Wir verstehen... sollen wir ihn aufnehmen?"
Ich wusste es nicht... sollten sie? Ich wollte nicht riskieren, noch länger hier zu bleiben, aber andererseits war sein Zustand nicht gut...

"Ich will-..." "Mein Sohn, was tust du da?!"
Vater?
Verwirrt drehte ich meinen Kopf und spähte über meine Schulter.
Tatsächlich... er stand mit einer Krücke, einer Decke und von zwei Männern gestützt, hinter mir.
Etwas erbärmlich...
"Wieso fasst du diesen dreckigen, niederen Menschen an!?" fuhr er mich an, wobei er fast seinen stabilen Stand verlor.
"Nimm deine Hände von ihm und wasch dich! Dann vergebe ich dir!" "Er ist nicht dreckig und auch nicht so elend, wie du denkst! Er ist nur krank und verletzt!" rief ich zurück und strichelte derweil sanft über Sharans Kopf.
Innsgeheim hoffte ich, dass er meinen Vater nicht hören konnte.

"Du enttäuscht mich, Sohn. Ich will dich heute nichtmehr sehen! Nimm dein Pferd und deinen dreckigen Diener und verschwinde!"

Er warf mich raus... Nichts neues.
Aber... was war mit Sharan...?

𝒏𝒂𝒎𝒆𝒍𝒆𝒔𝒔 𝑩𝒆𝒂𝒔𝒕 [𝐁𝐋]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt