7. Störend

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"Mein Herr, es tut mir leid, aber ich weiß nicht, warum er weint." murmelte die kniende Frau vor mir, welche ihr weinendes Baby in den Armen hielt.

Ich war jetzt schon eine Weile wach und außer Haus.
In der Zwischenzeit hatte ich eine auszubildende Heilerin zu Sharan geschickt, um ihn im Haus zu behalten und da es heute warm war, standen die Schiebetüren des Raumes weit offen.

Jedoch befand ich mich in einem anderen Teil des Dorfes.
"Gib ihn her." meinte ich und nahm ihr den Säugling aus den Armen.
"A-aber mein Herr, Eure Kleidung..." "Ach, egal. Ich habe anderes zum Anziehen." entgegnete ich und legte das Baby vorsichtig in meine Arme.
Ich formte eine Schale und strich vorsichtig über den Kopf des Kleinen, als er langsam aufhörte, zu weinen.

"Komm, steh auf und nimm ihn wieder."
Darauf stand die Frau sofort auf und nahm mir ihren Sohn aus den Armen.
"Du hast ihn nur falsch gehalten. Es ist dein erstes Baby, also vergebe ich dir solche Fehler. Hol dir Ratschläge bei den anderen Müttern." erklärte ich ihr, bevor ich sie wegschickte und sie schleunigst ging.

Langsan bekam ich bereits Hunger. Aber da fiel mir ein, dass Sharan vielleicht auch Hunger hatte.
Er sollte gut essen, besonders in seinem aktuellen Zustand.
Vielleicht schmeckte ihm ja... Wildfuchs?

.
"Sharan?" fragte ich in den Raum, als ich durch die offenen Schiebetüren kam und sah mich in dem großen, leeren Raum um.
Er saß etwas benommen an einer Wand, neben der Fackel, die ich gestern geholt hatte.
Und da fiel mir auf, dass er alleine war.

Geschockt rannte ich zu ihm und schnipste neben seinem Ohr, worauf er seinen Kopf wegdrehte.
Er zitterte und fror, trotz der angenehmen Wärme der Luft.
"Sharan, warum bist du alleine? Wo ist die Heilerin, die auf dich aufpassen soll?!" fragte ich ihn genervt, aber er lehnte sich einfach abwesend zu mir.
In diesem Moment war ich so wütend...

Da hörte ich leise Schritte und plötzlich stand die Frau vor mir, die ich damit beauftragt hatte, bei Sharan zu bleiben.
Als ihr Blick auf meinen traf, blieb sie in der Bewegung stehen und ich sah, dass sie einen angebissenen Apfel in der Hand hatte.
Sie ließ ihn sofort los und fiel vor mir auf die Knie.
Sie senkte den Kopf und legte ihre Stirn auf den Holzboden, bevor sie anfing, zu reden.
"E-es tut mir leid, mein Herr! Ich wollte nur-..." "Still, Weib! Ich hab dir gesagt, was ich von dir erwarte und was hast du gemacht?!" unterbrach ich sie und kam wütend zu ihr.
Sie hob den Kopf und wollte wiedersprechen, da holte ich aus und verpasste ihr eine Schelle.
"Du wagst es, mir zu wiedersprechen?" zischte ich und sie starrte mit Tränen in den Augen zu mir hinauf.
"N-nein, mein Herr..." murmelte sie und rieb sich über ihre Wange.
"Steh auf und geh mir aus den Augen. Um dich werde ich mich später kümmern."

Sofort stand sie auf und nahm den angebissenen Apfel vom Boden, den sie fallengelassen hatte.
Ohne mich noch einmal anzusehen, rannte sie aus dem Raum und ließ nur die nassen Spuren ihrer Tränen auf dem Boden zurück.
Ich atmete tief durch und wandte mich Sharan zu.
"Hey. Sharan. Langsam... leg dich wieder hin." flüsterte ich ihm zu und er rutschte etwas taumelnd von der Wand weg und setzte sich auf die Futondecke, unter der er... oder wir, geschlafen hatten.
"Ich werd uns etwas zu essen bringen lassen, ok? Warte hier, ich sage jemandem bescheid."

.
"Ich will heute den Wildfuchs von der letzten Jagd zubereiten lassen." erklärte ich dem Koch, der vor mir stand und dessen Sohn mit mir auf der Jagd war.
"Natürlich, mein Herr." "Und mach zwei Portionen daraus."
Als ich das sagte, sah er mich verdutzt an und ich hielt ebenfalls inne.
"Wag es ja ni-..." "Uhlala~ Sie haben jemanden gefunden?" grinste der alte Koch und ich verdrehte seufzend die Augen.
"Mao, ich teile nur mit Kranken." "So kenn ich Sie garnicht, mein Herr." entgegnete er und neigte schmunzelnd den Kopf.
"Ich werde es sofort zubereiten."

Und da ging er schon in sein Haus zurück, in dem die erlegte Beute der letzten Jagd aufbewahrt wurde.
Mao und ich waren ziemlich gut miteinander. Man könnte uns sogar als Freunde bezeichnen.
Er war einer der Älteren des Dorfes und mit ihnen hatte ich nie wirklich Schwierigkeiten. Die alten Leute hielten sich aus den meisten Angelegenheiten raus und befolgen einfach meine Befehle. Sonst lebten sie ein ruhiges, ungestörtes Leben, hier im Dorf.

Bald darauf war ich wieder in meinem Haus und bei Sharan, der gerade von Kayra einen neuen Verband bekam.
"Hey, wie geht es ihm?" fragte ich die Heilerin und sie senkte respektvoll den Kopf, bevor sie mir Sharans Zustand erklärte.
"Sein Fieber ist schlimm, aber seine Wunde heilt langsam. Das Fleisch wächst bereits zusammen und es gibt keine Infektion."
Als ich das hörte, wusste ich nicht, ob ich erleichtert oder besorgt sein sollte.

Seufzend setzte ich mich neben Sharan auf den Boden und er griff sofort nach meiner Hand.
"Was ist los?" fragte ich verwirrt und er sah mich aus seinen verschleierten, goldenen Augen an.
"Du bist warm..." flüsterte er und musterte meine Hand, die ruhig auf seiner lag.
In diesem Zustand stand er ja völlig neben der Spur.

Da hörte ich, wie Kayra sich räusperte und als ich ihr Gesicht sah, wurde mir klar, dass sie kicherte.
"Kayra?" "Tut mir leid, mein Herr. Ich finde nur, Sie würden gut zusammenpassen." lächelte sie und deutete auf Sharan, der im nächsten Moment seinen Kopf an meinen lehnte.

Mit einem triumphierenden Blick nickte Kayra mir zu und ich schwieg einfach still.
Ich wollte ihr gerne wiedersprechen, aber...

Ich wollte Sharan nicht stören.

𝒏𝒂𝒎𝒆𝒍𝒆𝒔𝒔 𝑩𝒆𝒂𝒔𝒕 [𝐁𝐋]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt