Kapitel 7

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⋇⊶⊰❣⊱⊷⋇ ⋇⊶⊰❣⊱⊷⋇

Als Marina sich durch den Spalt zwischen den zwei Bäumen quetschte, fing ihr Herz wieder an zu rasen. Vielleicht war es doch keine so gute Idee, unterirdisch nach einem Rückzugsort zu suchen. Sicherlich gab es leichter zugängliche Verstecke. 

„Marina, stell dich nicht so an", schimpfte sie mit sich selbst. „Wäre es ein leicht zugänglicher Bau, fände ihn jeder. Außerdem ist es dort unten geräumig und hell." 

Irgendwie halfen ihr diese Worte nicht wirklich. Ihr Herz schlug noch immer viel zu schnell in ihrer Brust. Zusätzlich schien die Luft hier viel dünner zu sein als im restlichen Wald. Sie starrte auf die Blätter am Boden. Waren sie nicht trockener als beim letzten Mal? Bestimmt kam hier kein frischer Luftzug hin. Sie musste nicht einmal den Weg freiräumen von herbeigewirbeltem Laub. Die Treppenstufen glitzerten ihr schon entgegen, als ob sie nur auf sie warteten. Es kam ihr so vor, als hätte jemand eine riesengroße Käseglocke über diese Vor-Höhle gestülpt, sodass kein Lüftchen auch nur ein Blatt in diesen schmalen Raum wehen konnte. In diesem Moment erschien ihr das gar nicht gut zu sein. Sie hätte lieber den Wind gefühlt, sein Säuseln gehört. Hier hörte sie nicht einmal singende Vögel oder im Laub raschelnde Mäuschen. Es war unheimlich still. 

„Du schaffst das", murmelte sie und machte einen Schritt auf die Stufen zu. Jetzt fehlten ihr Kilian und Aiden. Sie dachte an den Gelehrtensohn, der beim letzten Mal vorangelaufen war. Dann dachte sie an Kilian, der sie in dem Tunnel gerettet hatte, als sie glaubte, sie würde da drinnen von den Wurzeln zerquetscht. 

„Du schaffst das", sagte sie noch einmal, dieses Mal etwas lauter. Und dann ging sie los, ohne weiter zu überlegen. Sie verdrängte ihre Angst und überhaupt jeden Gedanken und setzte Schritt um Schritt die Stufen hinunter. Sie durfte sich nicht von ihren Ängsten beherrschen lassen. Je schneller sie machte, umso rascher hatte sie diese bedrückende Last hinter sich. Immer tiefer schritt sie die Stufen ins Erdreich hinunter. Sonderbarerweise gelangte sie dieses Mal ohne Erstickungsfantasien in den Tunnel. Eine fiebrige Unruhe breitete sich in ihrem Magen aus. Wann tauchten die ersten Leuchtsteine auf? Mit wild klopfendem Herzen ging sie weiter, setzte einen Fuß vor den anderen und blinzelte angestrengt mit den Augen. Doch die Panik blieb weiterhin aus. Irgendetwas tief in ihr schien sich sogar darauf zu freuen, gleich in der geheimen Kammer zu sein. 

Endlich, da war er, der erste Leuchtstein. Sie atmete erleichtert auf und lächelte sogar ein wenig. Jetzt war es nicht mehr weit. Viel entspannter schritt sie weiter. Nur noch wenige Schritte trennten sie von ihrem Ziel. Und nun wurde ihr bewusst, dass sie etwas hörte. Nicht ihren Atem oder ihr wild klopfendes Herz in der Brust, da war ein anderes Geräusch. Mit der linken Hand griff sie an den Riemen der Schultasche, umklammerte sie fester und runzelte die Stirn. Hatte sie sich geirrt, als sie gedacht hatte, dieser Hohlraum unter den Bäumen wäre unbewohnt? Lebte doch noch jemand in diesem Geheimversteck? Oder ... Ihr stockte der Atem und sie verharrte ängstlich. War der Geist des ursprünglichen Bewohners zurückgekehrt und verteidigte nun sein Versteck? Schließlich wusste niemand, wohin die Toten gingen. Es konnte ja sein, dass sie in unterirdischen Höhlen lebten und dort nur auf irgendein Opfer warteten, von dem sie Besitz ergreifen konnten. 

Marina war so gefangen in ihrer Angst, dass ihr gar nicht in den Sinn kam, dass dieser Gedanke keinen Sinn machte. Ein Geist würde sich eher in einem Dorf mit vielen Menschen ein Opfer aussuchen, wenn das die Art war, um zurück ins Leben zu gelangen. Da war eine unterirdische Höhle absolut unpassend. Doch ihrem heftig schlagenden Herzen war das egal. Angespannt ging sie zurück, bis sie mit dem Rücken gegen die Wand stieß. Die Baumwurzel, die diese Wand bildete, verströmte eine eigentümliche Wärme, die Marina einhüllte und ein wenig beruhigte. War da nicht sogar eine Stimme, die ihr zuflüsterte, dass sie keine Angst zu haben brauchte? Ach nein, das gaukelte ihr nur die leichte Panikattacke vor. Weder Bäume noch Wurzeln konnten sprechen. Sie schüttelte den Kopf, atmete tief durch und schritt wieder voran. Ob Geist oder nicht, wenn sie nicht nachsehen ging, würde diese unbestimmte Angst sie für den restlichen Tag verfolgen. 

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