Kapitel 13

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⋇⊶⊰❣⊱⊷⋇ ⋇⊶⊰❣⊱⊷⋇ 

Marina brauchte nicht bis Einbruch der Nacht am Brunnen sitzen. Am Nachmittag, als Somaris vom Bauern Eklund kam und eigentlich zur Schule gehen sollte, eilte sie am Brunnen vorbei. Kurz hielt sie an und verzog ihr Gesicht, die Mundwinkel wiesen nach unten und die Nasenflügel waren gebläht. Ihre Augen richteten sich auf das Papier. 

„So, also stimmt es, Kräuterhexe, so eine bist du. Und statt einfach zu verschwinden, setzt du dich hier in die Dorfmitte, damit es auch wirklich jeder weiß." 

Marina starrte die Fünfzehnjährige mit großen Augen an. Was sollte sie auch darauf antworten? Ihre Familie wusste genau, dass sie keine Hexe war. Nur weil sie sich ein wenig mit Kräutern auskannte, bedeutete das gar nichts. Sonst wären alle Heilerinnen ebenfalls Hexen. Und die Mutter und Daloris auch, da sie ebenfalls die wichtigsten Kräuter kannten, die sie für Tees oder schmackhafteres Essen trockneten und im Laden verkauften. 

„Kräuterhexe!" Verächtlich spuckte Somaris vor ihr aus und eilte zum Krämerladen hinüber, statt zum Schulgebäude zu gehen. 

Verwirrt blickte Marina ihr hinterher. Was wollte sie denn bei den Eltern? Die wussten doch längst, dass sie hier zur Strafe saß. Wenn sogar Somaris auf dem Bauernhof davon gehört hatte! 

Auf dem Weg zur Schule hielt Somaris erneut bei Marina an, spuckte noch einmal, dieses Mal nicht auf den Boden zu ihren Füßen, sondern auf ihre Kleidung. Danach rannte sie zum Schulgebäude. Marina blickte auf den Speichelfaden, der von ihrer Kleidung aufgesaugt wurde. Der feuchte Fleck hinterließ bei ihr ein unangenehmes Gefühl. 

Statt einfach zu verschwinden", wiederholte sie leise die Worte ihrer Schwester. „Wohin soll ich denn verschwinden, ich bin doch erst zwölf." 

Da sah sie den Vater herüberkommen. Angst machte sich in ihr breit. Der Gedanke an die kleine Kammer wurde erneut präsent. Holte er sie jetzt? 

Groß stellte er sich vor sie. Das Gesicht war undurchdringlich. War er wütend oder enttäuscht? Wenn sie doch nur etwas aus seinen Augen ablesen könnte. Sie blickte auf seine Hände, die ruhig neben seinem Körper hinunterhingen. Es wirkte so entspannt. Aber wie passte das zu Somaris, die verächtlich auf sie gespuckt hatte? 

„Steh auf und geh nach Hause. Warte in der kleinen Kammer auf mich." 

Ihre Augen weiteten sich bestürzt. Ein eisiger Schreck durchzuckte sie. Noch bevor sie die Worte vollständig verarbeitet hatte, war der Vater schon auf dem Rückweg zum Krämerladen. 

„Kleine Kammer." Sehr leise kam es aus ihrem Mund hervor. Es klang so rau und krächzend, dass sie ihre eigene Stimme nicht erkannte. Sie schmeckte Salz und merkte, dass Tränen ihre Wangen hinunterliefen und in die Mundwinkel tropften. 

Mühsam richtete sie sich auf, ergriff die Schultasche und stopfte das Blatt hinein. Kräuterhexe. Wie konnten die Dorfbewohner nur glauben, dass sie eine Hexe war? Glaubten sie denn wirklich, eine echte Hexe ließe sich so verspotten und bestrafen? Der Tränenstrom hörte gar nicht auf. Mochten sich ihre Gedanken noch so sehr um andere Themen schlingen, tief in sich drinnen wusste Marina, dass die kleine Kammer am Ende auf sie wartete. Die Woche im Wald schien alles nur schlimmer gemacht zu haben. 

Wem auch immer sie auf dem Heimweg begegnete, sie bekam nur ablehnende Blicke. Manche spuckten verächtlich vor ihr aus, andere hoben ihre Hände in Abwehrhaltung und eilten mit angstvoll geweiteten Augen davon. Es gab niemanden, der sie mitleidig betrachtete oder vielleicht ein verständnisvolles Wort für sie hatte. Sie war ja nur das fünfte Kind, noch dazu ein Mädchen. Sogar Kilian hatte ganz klar gesagt, dass ein Mädchen niemals Geschichtenerzählerin werden konnte. Und Aidens Vater sah in ihr ein dummes Kind, das zu nichts taugte. Glaubte er wirklich, dass sie eine Hexe war? Oder hatte er sie nur aus Überheblichkeit so hart bestraft? 

Das magische LandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt