Kapitel 8

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⋇⊶⊰❣⊱⊷⋇ ⋇⊶⊰❣⊱⊷⋇ 

Wie erwartet wurde Marina zu Hause nicht sehr wohlwollend empfangen. Während Tabina ihr hämisch entgegengrinste, blickte der Vater sie mit zusammengepressten Lippen und blitzenden Augen an. Das sah gar nicht gut aus. Er schien sehr wütend zu sein, auch wenn er sich wie immer perfekt kontrollierte. Nie zeigte er das ganze Ausmaß seiner Gefühle, sodass sich keines der Kinder je sicher sein konnte, wie hoch das Strafmaß für ein Vergehen ausfiel. 

„Ich habe erfahren, dass du sieben Schultage die Frösche beim Teich an der Waldlichtung beobachten sollst." 

Oh wie kalt klang seine Stimme. Ein Schauder durchfuhr Marina und sie machte sich automatisch ein wenig kleiner. Mühsam unterdrückte sie den Impuls, sich über die Arme zu reiben. Kurz blickte sie hoch und senkte dann hastig den Kopf. Hoffentlich besänftigte es ihn, wenn sie still und unterwürfig vor ihm stand. 

„Hier zu Hause spielst du das zartbesaitete, tierliebende Mädchen. Und dann fängst du einen Frosch, tötest ihn und behauptest vor dem Gelehrten Atticus, irgendwelche fleißigen, lernwilligen Kinder hätten ihn in deine Tasche gesteckt." Die Stimme von ihrem Vater war scharf und verächtlich. Marina ahnte, dass sie sich niemals klein genug machen konnte. Jetzt halfen weder Demut noch Unterwürfigkeit. „Zur Strafe gibt es heute Abend kein Essen für dich. Und morgen wirst du für alle das Frühstück zubereiten, ohne selbst etwas zu bekommen. Du kannst dir dann im Wald ein Tier erjagen und über dem Feuer braten. Froschschenkel sollen sehr schmackhaft sein." Marina zuckte zusammen. Kein Essen. Aber damit käme sie zurecht. Sollte das tatsächlich die ganze Strafe sein? „Und da der Gelehrte Atticus dir Schulverbot erteilt hat, weite ich das gnädigerweise aus. Du wirst die nächsten Tage im Wald zubringen. Wenn du es wagst, das Dorf zu betreten, gehen wir in die kleine Kammer." 

Jetzt duckte sich Marina so tief, dass ihr Kopf fast an ihre Knie anstieß. Die Kammer! Oh nein, dort wollte sie nicht hinein. Dieser Raum diente nur zu zwei Zwecken. Ein Zweck war, auf eine festgelegte Zeitspanne eingesperrt zu sein. Das war unschön, aber durchaus zu ertragen. Der zweite Zweck war viel, viel schlimmer. Denn hier wurde jedes Kind nach einem Vergehen gezüchtigt. Das konnte von leichten Schlägen auf die Handflächen bis zu richtigen Hieben mit einem Stock auf die Fußsohlen oder auch einem Auspeitschen mit der Gerte auf Rücken und Po reichen. Das wusste man nie so genau. Aber eines wusste Marina: Sie wollte keine erneute Bekanntschaft mit dem Raum machen. Nachdem sie alle harmloseren Züchtigungen bereits durchlitten hatte, kämen jetzt die wirklich schmerzhaften Gertenhiebe dran. Bislang hatte nur ihr Bruder Torlund die Gerte kennengelernt. Danach hatte er jedes Mal zu den Heilkundigen gehen müssen, damit sie ihm Salbe auf den Rücken auftrugen. Zweimal hatte er das erduldet, seitdem beherrschte er sich und tat alles, was die Eltern ihm auftrugen. Marina hatte unglaubliche Angst, dass sie das an eigenem Körper erleben musste. Hoffentlich beruhigte sich der Vater rasch! 

„Geh zu deinem Schlafplatz. Wir wollen dich weder sehen noch hören." 

Marina nickte, drehte sich hastig um und eilte in den Raum, den sie sich mit Tabina und Somaris teilte. Sie stellte die Schultasche beiseite, zog sich hastig um und legte sich auf die Matte am Boden. Von der Küche drang das Klappern von Besteck und Tellern, ansonsten war es eigentümlich still. Immer wenn der Vater so zornig war, schwiegen alle. Niemand wollte riskieren, diesen Zorn auf sich zu lenken. Nicht einmal die Mutter wagte es dann, ihren Ehemann anzusprechen. 

Vielleicht habe ich es hier besser, dachte Marina. Ich liege hier und brauche keine Angst haben. Und die nächsten Tage auch nicht, weil ich gar nicht heimkommen darf. 

Auch wenn sie so dachte, wusste sie genau, dass sie es nicht so leicht nahm. Der Wald war nicht geeignet, um dort mehrere Tage und sogar die Nächte zu verbringen. Sie war nicht dumm und wusste, dass es gefährliche, wilde Tiere gab, denen man besser nicht begegnete. Vor allem in der Nacht schlichen sich Raubtiere mit scharfen Zähnen herum. Deshalb ließen die Bauern ihre Tiere nicht mehr bei Einbruch der Dunkelheit draußen auf den Weiden. Wölfe, Bären, vielleicht auch die kleineren Füchse suchten im Schutz der hereinbrechenden Dunkelheit nach leichter Beute. 

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