Kapitel 4
Lenny
Es war die finsterste Nacht seit ewigen Zeiten. Schlaf kam nicht zu mir, er war ein flüchtiger Schatten, der sich vor meinem Griff verbarg. Meine Gedanken waren bei Isabella. Ihre Lippen, die süße Erinnerung an ihren weichen Körper unter mir. Es war ein Gefühl von betörender Schönheit. Doch es dürfte nie wieder geschehen. Ich hatte mir fest versprochen, nie wieder eine Frau in mein Herz zu lassen. Doch Isabella... bei ihr fühlte sich alles anders an. Anders als bei all den Frauen, die in mein Leben gekreuzt hatten. Als ich aufstand, lehnte sie sich an die Wand, ihr Blick haftete an mir. Ich ging ins Badezimmer und duschte mich, versuchte die sinnlichen Bilder abzuspülen, die mein Verstand pflegte. Als ich fertig war und das Bad verließ, saß sie immer noch da. Stumm. Nachdenklich. Ich zog mich an, spürte ihren Blick auf meinem Rücken, der die Bilder meiner Tattoos studierte. Es gefiel ihr, was sie sah. Steh auf, befahl ich ihr, mehr Befehl als Bitte. Sie stand schnell auf. Komm mit. Wir gingen in die Küche, wo die anderen schon frühstückten. "Darf ich ins Bad?", fragte sie. "Geh voran, rechts ist die Toilette." "Danke", ihr Lächeln war kaum mehr als ein Hauch. Sie entschwand aus meinem Blick, und ich setzte mich. Erzähle, was hat sie gesagt?, Deans Stimme schnitt durch meine Gedanken. Nichts, lass mich in Ruhe. Kümmert euch um euren Kram ohne mich." Die Traurigkeit kroch in mich hinein, verankerte sich tief in meinem Herzen. Isabella...sie war anders. Aber ich durfte sie nicht in mein Herz lassen. Ich durfte nicht.". "Sie soll verschwinden. Auf welche Weise ihr das erreicht, ist mir gleichgültig. Aber tut etwas, sonst erledige ich es selbst," forderte ich mit einer kühlen Bestimmtheit in meiner Stimme. Rayn blickte mich verwirrt an. "Was willst du tun, sie umbringen? Was schlägst du uns vor?" Ich konnte die Verzweiflung in seiner Stimme hören. "Sie hat hier keinen Platz. Entscheidet, was mit ihr geschehen soll. Wenn es nötig ist, werde ich sie töten." Dean lachte auf, ein schadenfrohes Leuchten in seinen Augen. "Hat da etwa jemand letzte Nacht etwas zu viel Körper kontakt?" Ich warf ihm einen harten Blick zu. "Halte den Mund, Dean. Nichts ist passiert. Sie ist eine lästige Hexe, wir hätten Aleks nie gehen lassen sollen. Aleks sollte alles wieder grade biegen, was er angestellt hatte. Nicht die dumme Schlampe." Als ich mich umdrehte, sah ich Isabella, die in der Küchentür stand. Ihr Gesicht war ein Bild von Frustration und Entsetzen. Wie viel von unserem Gespräch hatte sie gehört? "Das könnt ihr doch nicht machen. Wenn ihr nicht wisst, was ihr mit mir tun sollt, lasst mich gehen und Aleks soll nur abbezahlen. Nur nicht umbringen. Bitte", flehte sie mit bitteren Tränen in den Augen. Sie sah jeden von uns an, als ob sie Hilfe suchen würde. Rayn trat vor und legte beruhigend eine Hand auf ihre Schulter. "Du bleibst hier, niemand wird dich umbringen oder sonst jemanden. Noch niemand." Seine Worte hatten einen bedrohlichen Unterton. Sie sah uns alle fassungslos an. "Setzt dich," sagte Jayden und stand auf, um ihr einen Kaffee zu machen. Sie nahm widerwillig Platz, und unsere Blicke trafen sich wieder und wieder. Ich wünschte, ich könnte wissen, was in ihrem Kopf vorging, wenn sie mich ansah. Nach dem Frühstück standen wir alle auf und gingen ins Wohnzimmer, um den Tag zu planen und zu klären, wer welche Aufgaben übernehmen sollte. Isabella folgte uns schweigend und setzte sich auf den Stuhl am Fenster, der Blick verloren und traurig. Die meiste Zeit schaute sie hinaus. Wir entschieden uns, sie zu ignorieren. Das schien das Beste zu sein. Wir wollten warten, bis wir genau wussten, wie wir vorgehen wollten. Isabella beobachtete uns mit einer Intensität, die beinahe unheimlich war. Es war fast so, als würde, sie sich auf eine besonders knifflige Prüfung vorbereiten würde. Und ich? Ich konnte nicht umhin, immer wieder zu lächeln. Es war einfach zu komisch, ihre Reaktionen zu beobachten, wenn wir über Waffen, Mord und Drogen sprachen. Sie hatte offensichtlich noch nicht begriffen, wer wir eigentlich waren. Wir waren die Delons, die Nachfolger von Luke Delon. Und wer war Luke Delon? Nun, er war niemand geringerer als der Mann, der die letzten Jahre die halbe Stadt unter Kontrolle hatte, bis er von den Morans erschossen wurde. Die Morans, die andere Hälfte der Stadt beherrschten und mit denen wir jahrelang einen Friedensvertrag hatten. Sie hielten sich aus unseren Angelegenheiten heraus, wir hielten uns aus ihren heraus. Ein perfektes Beispiel für das Prinzip der gegenseitigen Nicht-Einmischung. Bis zu dem Tag, an dem alles schiefging. An dem Tag, an dem der Vertrag gebrochen wurde und die Hälfte unserer Familie bei einer Explosion im Restaurant ums Leben kam. Luke Delon war an diesem Tag nicht dabei. Er feierte mit seiner Frau Alena ihren 15. Hochzeitstag. Er hatte sie nie geliebt da er sie immer und immer wieder betrogen hatte, aber diesen Tag hat er immer mit ihr gefeiert. Seitdem lebten Jayden, Dean und ich bei Luke und Alena. Rayn, ihr leiblicher Sohn, wurde natürlich mehr geliebt und respektiert als wir, aber Rayn hat uns immer fair behandelt und uns oft aus Konflikten mit Luke herausgeholfen. Und dann sprach Isabella. "Ich kann doch für euch nützlich sein", sagte sie. Wie sie uns nützlich sein könnte? Nun, für uns schien sie nur eine leicht zu manipulierende Frau zu sein. "Ja, du kannst unsere Schwänze lutschen", schlug Jayden vor, was uns alle in schallendes Gelächter ausbrechen ließ. Isabellas Blick verdunkelte sich und sie setzte ein aufgesetztes Lächeln auf. "Ich mein Kochen und Putzen oder so", murmelte sie. Da wir seit Gabriellas Abgang nur noch ungenießbares Essen zu uns nehmen mussten, fanden wir die Idee gar nicht so schlecht. "Ja, sie soll kochen!", stimmte Dean zu. So wurde es beschlossen. "Heute fängst du an zu kochen und machst dich irgendwie nützlich im Haus. Wir bezahlen dir dein Gehalt mit du die ein Teil der schulden abbezahlst.", sagte Rayn und akzeptierte ihren Vorschlag. "Jayden, du fährst mit mir. Rayn und Dean kommen später nach, wenn wir euch brauchen." Und mit einem Lächeln auf den Lippen machten wir uns auf den Weg, gespannt, was der Tag uns bringen wird.