ONE

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Mein Ich ist zerbrochen. Meine Seele ist entzweit. Meine Gedanken fliegen durch die Luft, bilden keinen Zusammenhang mehr. Ich kann nicht mehr denken, weiß nur eines. Doch ich möchte es nicht wissen, es nicht wahrhaben. Nicht jetzt und nicht in hundert Jahren. Es zerstört mein Leben. Es, das einzige, was ich weiß. Ich bin haltlos. Es hat alle Anker mit sich gerissen. Es ist wie eine Flut, ein Sturm, eine unaufhaltbare Katastrophe. Und ich stehe mittendrin, kann mich nicht rühren. Ich bin gefangen. Gefangen in meinem eigenen Ich, meiner Seele, meiner verzweifelten Seele.
Sie ist fort. Nichts hat sie gesagt. Ich weiß nicht, wo sie ist. Aber sie ist weg, sie ist nicht da. Bittere Verzweiflung in mir, tief in meinem Herzen. Ich weiß nicht, wohin mit mir. Ich sitze zusammengekauert auf dem Boden, in einer Ecke. Mein Kopf liegt in meinem Schoß. Ich will nichts sehen. Ich will nichts hören. Ich will nichts, nur sie. Aber sie ist weg, sie kommt nicht zurück. Sie hat mich allein gelassen. Das darf einfach nicht wahr sein.
Tränen laufen über meine Wange. Tränen aus Blut. Sie rinnen, unaufhaltsam. Ich kann sie nicht stoppen. Doch ich will es auch nicht. Sie befreien. Und befreien mich doch nicht von meinem eigenen Ich, meiner Seele. Schluchzer verlassen meine Lippen. Meine Haut, nass und rot von meinen Tränen aus Blut. Sie nehmen kein Ende. Aber mein Körper schreit nach Erlösung. Nach Erlösung, die so fern ist. Sie ist genauso fern wie sie es ist. Kommt sie, kommt die Erlösung. Doch sie kommt nicht, befreit mich nicht. Niemand kann mich befreien, nur sie.
Ich sehe auf, höre Schritte. Dann ist es still. Ich bin wieder allein. Mein Kopf sinkt zurück, zurück in meinem Schoß. Erneute Schritte, vor meiner Haustür. Sie sind egal, sie ist es ja doch nicht. Sie kommt nicht zurück. Sie ist fort. Meine Augen tun weh. Sie weinen und weinen. Mein Ich, meine Seele, mein gesamtes Sein steht vor dem Abgrund. Ich will schon loslassen. Den letzten Halt aufgeben, der doch keiner war. Da höre ich es.
Die Ebbe kommt, der Sturm lichtet sich, die Katastrophe wendet sich ab. Der Abgrund schließt sich. Und ich stehe direkt davor. Meine Beine zittern, meine Arme krampfen und meine Augen kämpfen gegen die Tränen. Sie ist gekommen. Sie hat mich nicht allein, im Stich gelassen. Ich wusste es, mein Herz wusste es ganz genau. Selbst wenn es zerbrochen ist, das Blut heraus pocht. Mein Herz wusste es. Sie liebt mich.
Ich stehe auf, mein Körper rot und nass von den Tränen aus Blut. Ich strecke meine Hand aus, meine Finger berühren zitternd ihre weiche Haut. Ich streiche über ihre Wange. Ich bin zuhause, bin nicht mehr allein. Sie ist bei mir. Mein Herz schließt sich, der Abgrund ist wieder Erde. Die Flut ist vorbei, der Sturm ist vorbei, die Katastrophe gebannt.
Die Tränen des Blutes gehen. Die Tränen der Hoffnung, sie kommen. "Ich liebe dich", verlassen alles umschreibende Worte meine zitternden Lippen. Beruhigende Worte dringen an mein Ohr. Ihre Stimme. Ich bin da. Meine Seele ist wieder ganz, der fehlende Teil ist zurück. Und doch wird alles zu viel. Sie hält mich. Aber ich breche zusammen. Sie bleibt bei mir. Und ich kann endlich mein Herz wieder spüren. Es war wie tot. Meine Gedanken sind zurück, sie hat sie mir zurück gebracht.
Ich kann nicht ohne sie. Ich werde verrückt ohne sie. Ich zerbreche ohne sie.
Wenn sie da ist, bin ich ganz. Wenn sie da ist, lebt mein Herz. Wenn sie da ist, lebt meine Seele.

Demut und DominanzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt