Kapitel 4

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Ich lehnte mich entspannt im Beifahrersitz zurück und betrachtete Paul, wie er das Lenkrad festhielt. Als er merkte, dass ich ihn ansah, stahl sich ein Grinsen auf seine Lippen und ich wurde rot. Schnell sah ich aus dem Fenster, an dem die Straßenlaternen vorbeizogen und die Umgebung in ein warmes, sanftes Licht hülten. Als wir Port Angeles verließen, wurde es um das Auto dunkel, nur die Scheinwerfer des Autos tanzten über die Straße. Der Himmel war wolkenverhangen und schirmte so die Erde vor dem Licht der Sterne ab. Es war ein perfekter Abend gewesen - unser erstes Date.
„Also auf der Themen Liste für erste Dates sind noch einige Punkte offen." sagte ich schließlich, als ich die Stille nicht mehr aushielt. Generell konnte ich Stille schlecht ertragen.
Paul lachte leicht, doch bevor er antworten konnte, ruckelte das Auto und mit einem leisen Knall blieb es stehen. Paul fluchte und ich konnte sehen, wie Wut in ihm Aufstieg. In mir hingegen kam automatisch Angst und Nervosität auf, doch natürlich passierte nichts. Paul murmelte nur irgendwas und stieg aus. Ich hasste diese panische Seite, die immer auftauchte, wenn jemand wütend wurde oder ich angst bekam. Kurz atmete ich durch, dann nach kurzem Zögern stieg ich ebenfalls aus.
Paul stand vor dem Auto und leuchtete mit einer Lampe in den Motor. Ich sah Ungeduld auf seinem Gesicht. Es war ihm sicher unangenehm, dass er mit mir stehen geblieben war.
"Keine Sorge, Paul. Das wird schon wieder", sagte ich und legte meine Hand auf seine Schulter, nahm sie jedoch weg, als mir die Geste bewusste wurde.
„Willst du, dass ich so tue, als hätte ich Ahnung davon und ich gebe dir ein paar unhilfreiche Tipps?" ein Lächeln stahl sich auf Pauls Lippen und in meinem Bauch, begannen die Schmetterlinge zu tanzten.
„Was hast du denn für Ratschläge?" ich lächelte.
„Ich weiß nicht, wie wäre es mit: „Hast du das Wischwasser kontrolliert? Ich hab gehört, da gibt es immer wieder Probleme." oder „Ich wette, das ist die Elektrik, damals konnte man sich noch auf sowas verlassen."" Ich lächelte und Paul prustete los.
„Ja, ich glaube, du hast recht, daran wird es liegen." Die Ungeduld und auch die Wut war aus seinem Gesicht verschwunden und ich freute mich, dass er meintet wegen wieder Lächelte.
Während Paul unter der Haube herumfummelte und Dinge tat, von denen ich nichts verstand, schaute ich ihm zu.
„Machst du das öfter?" er seufzte.
„Ja, leider, das Auto ist immer wieder hinüber, doch neue Autos kosten."
„Wem sagst du das, mein Auto steht seit Ewigkeiten in der Garage und es startet nicht." ich lehnte mich gegen das Auto und sah zu ihm. „Nur hab ich leider nicht deine Fähigkeiten, sodass ich es wahrscheinlich mehr kaputt mache, wenn ich es versuche zu reparieren."
„Ich kann es mir ansehen, wenn du magst." Ich wurde rot.
„Nein, so meinte ich das nicht. Du musst das nicht machen." Paul stützte sich auf dem Auto ab. Seine Hände waren schwarz vom Öl und irgendwie fand ich, das machte ihn noch attraktiver.
„Mach dir keine Sorgen, das mache ich gerne." Ich lächelte schließlich und nickte. Ein Auto zu haben, würde alles so viel leichter machen.
„Danke." Paul begann weiter zu arbeiten.
„Sag danke, wenn ich es reparieren kann." ich kicherte.
„Dann werde ich mehr als danke sagen. Du rettest mich, wenn du es reparieren kannst."
„Dann sollte ich mir wohl Mühe geben.", es fühlte sich gut an, dass Paul an mir gefallen gefunden hatte und trotzdem war da diese kleine Stimme, die an meinen eigentlichen Plan erinnerte: Ihn vergessen.
Nach ein paar Minuten hörte ich plötzlich ein erleichtertes Aufatmen von Paul.
„Kannst du dich ins Auto setzte und versuchen, ob es angeht?" ich nickte.
Tatsächlich sprang das Auto wieder an und ich war fast etwas traurig. „Es tut mir leid, die Panne war scheiße." ich wank ab. „Woran sollen wir uns in 20 Jahren erinnern, wenn alles perfekt gelaufen wäre?" War das zu viel gewesen? Röte schoss erneut in meine Wangen.
„Da hast du wohl recht. Aber du warst eine große Hilfe, ohne deine Tipps hätte ich die Panne bestimmt nicht beseitigt bekommen." Ich kicherte.
„Ich habe Tipps für alle Lebenslagen, frag nur immer gerne."
Während der restlichen Fahrt nach Hause alberten wir herum. Ich betrachtete Paul, wie er auf die Straße blickte, und spürte, wie mein Herz schneller schlug. Es war ein Gefühl, das ich nicht beschreiben konnte, aber es fühlte sich richtig an, für diesen Moment zumindest.
Erst als wir vor meinem Haus hielten, setzte die Schwere ein und ich bereute fast Spaß gehabt zu haben. Paul schaltete den Motor aus, während ich schon ausstieg. Alle Fenster von unserem Haus waren schwarz und schauten mich wie leere Augen an. Stimmt ja, es war Mittwoch, der einzige Abend der angenehm war und der einzige Tag in der Woche, in dem mein Vater das Haus verließ. Er traf sich mit meiner Mutter zusammen mit alten Arbeitskollegen in einer Bar, in der sie tranken und Spaß hatten. Sie waren meistens bis weit nach Mitternacht weg. Ich hasste alle von ihnen. Nicht weil sie unfreundlich waren, sondern weil ich mich mehreren von ihnen anvertraut hatte und sie hatten nichts getan. Im Gegenteil, sie hatten meinen Vater darauf angesprochen.
Ich schob die Gedanken beiseite, lächelte Paul an, der neben mir stand.

Die Garage war ein stiller und einsamer Ort. Weder meine Eltern noch ich waren oft hier und die Dinge hier drin erinnerten an vergessene und vergangene Tage. Sie erzählten schöne und durch die Zeit traurig gewordene Geschichten und Mittelpunkt war das alte Auto von meinen Eltern, das seit es nicht mehr funktionierte in meinen Besitz übergegangen war und durch ein neues für meine Eltern ersetzt worden war.
„Ich hole kurz die Schlüssel." Paul nickte und er sah sich in der Garage um. Irgendwie war mir das unangenehm, denn ich hatte das Gefühl, dass er die Geschichten sehen könnte, was natürlich albern war. Der Baseball Handschuh war nur ein Ding und genau das sah er, nicht wie ich, die sonnigen Tage und die lachenden Gesichter meiner Familie.
Mit den Schlüsseln in der Hand kam ich zurück und schaute Paul dabei zu, wie er versuchte, das Auto zu starten. Es gab keinen Ton von sich, wahrscheinlich war auch die Batterie im Eimer, denn das Licht am Wagen blieb aus und flackerte nicht einmal.
„Wie lang steht es?" ich überlegte.
„Ich weiß es nicht zwei Jahre vielleicht?" ich stellte es eher als Frage, obwohl Paul es natürlich nicht wissen konnte.
„Du meine Güte.", er seufzte resigniert. Ich kicherte.
„Du meinst, dass das nicht gut für ein Auto ist?" er lächelte über meine ironische Frage.
Er stieg aus und öffnete, wie vorhin, auch bei diesem Auto die Motorhaube.
„Es ist nicht der originale Motor."
„Ja, das wusste ich natürlich." Paul zog die Augenbrauen hoch und schmunzelte.
„Ich kann versuchen, dein Auto zu retten, aber dann wirst du mir zu schauen und helfen. Dich kann man ja nicht auf die Menschheit loslassen."
„Was soll das denn heißen?", fragte ich gespielt entsetzt.
„Aber danke, wenn das für dich in Ordnung wäre, würde ich dein Angebot annehmen. Du musst das nicht machen, wenn du nicht möchtest."
„Ich mache es gerne. Sollen wir es hier-" ich schüttelte zu schnell den Kopf.
„Nein, ich meine, wir können das nicht hier machen. Mein Vater würde das stören." in Pauls Augen tauchte ein Schatten auf, der jedoch wieder verschwand, als er lächelte.
„Okay, ich kann dein Auto abholen und wir reparieren es bei mir." ich nickte.
Wir verabredeten, dass er das Auto am nächsten Samstagmorgen abholen würde. Da würde mein Vater noch schlafen und er bekäme so nichts davon mit.

Zum Abschied drehte sich Paul nochmal zu mir.
„Danke, Alina", sagte er leise und lächelte mich an. „Für diesen Abend und dafür, dass du so geduldig mit mir warst."
Ich lächelte zurück und spürte, wie sich mein Herz vor Glück zusammenzog. „Es war mein Vergnügen, Paul. Und ich sollte mich wohl eher bei dir bedanken. Ich habe jede Sekunde mit dir genossen, die Panne genauso wie den Film."
„Dann soll ich das nächste Mal eine neue Panne arrangieren?", ich lachte
Ich wusste, wie dumm es war, mich auf Paul einzulassen, doch es war als könnte ich mich nicht dagegen wehren, wen ich bei ihm war. Alles an ihm wirkte so anziehend. Sein Aussehen. Die breiten Schultern, das Grinsen, die muskulösen Arme, seine dunklen Augen, die mich so aufmerksam mustertet und mich an geschmolzene Schokolade erinnerten. Sein Charakter, wie wir zusammen scherzten und auch die Gefühle, die er in mir weckte, alles mochte ich und ich wusste, dass ich ihm wiedersehen musste. Es war als gäbe es keinen alternative.
„Bis zum nächsten Mal, Paul."
Er lächelte und nickte. „Bis zum nächsten Mal, Alina."
Das erste Mal seit einer langen Zeit betrat ich mit einem warmen Gefühl im Herzen mein Zuhause.

Savior // Paul LahoteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt