Rückkehr

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Teil 7


Ziemlich außer Atem, weil sie den ganzen Weg gerannt war, fand sich Ria schließlich in ihrer Wohnung wieder.
Schnell griff sie sich den Key und die Urkunde, die sie ganz unten in einer Schublade verstaut hatte und wollte gerade wieder aus der Türe stürzen als ihr siedend heiß einfiel, dass sie sich den Weg zum Palast nicht gemerkt hatte.
Wie auch. Auf der Hinfahrt hatte sie wegen der Dunkelheit nichts sehen können und als sie sich auf dem Heimweg befand, hatte sie nicht wirklich etwas wahr genommen.
"Mist, Mist, Mist! Was mach ich jetzt? Mir ein Taxi rufen? Wird ja wohl das Beste sein."
Entschlossen schnappte sie sich den Hörer ihres Telefons und wollte die Nummer der Taxizentrale wählen als ihr auffiel, dass kein Freizeichen kam. Die Leitung war tot.
"Oh nein," stöhnte Ria verzweifelt. "Nicht jetzt!" Schnell kontrollierte sie die Anschlussdose des Telefons, konnte aber keinen Fehler feststellen. Auch die Rechnungen hatte sie immer pünktlich bezahlt. Daran konnte es also auch nicht liegen.
Es war wirklich zum Haare raufen und genau das tat sie dann auch... sie raufte sich so kräftig durch die Haare, dass die wirr in alle Himmelsrichtungen abstanden.

Also gut! Sie wäre nicht Davaria, sagte sie sich, wenn sie so schnell aufgeben würde. Und da gab's ja noch die Telefonzelle an der Ecke. Würde sie halt von da aus anrufen.
Sorgfältig verstaute Ria den Key und die Urkunde in ihren Rucksack, schloss ab und lief die Treppen hinunter.
Schwungvoll die Türe aufreißend, stürmte sie im Laufschritt auf die Straße und knallte mit voller Wucht in eine andere Person.
Unsanft und erschrocken, landeten beide auf ihrem Allerwertesten.
Ria sprang sofort wieder auf die Beine und stammelte Entschuldigungen. Dann erst sah sie zu der Person hinunter und blieb wie festgewachsen stehen. Der Mann in den sie hineingerannt war, war doch tatsächlich derjenige, der ihr den Key gegeben und dann zum Palast gefahren hatte.

"Was machen Sie denn hier?" Fragte sie ein wenig außer Atmen und half ihm auf.

"Meine Güte, kannst Du nicht aufpassen, Mädel?!"Der Mann klopfte sich umständlich die Hose ab und wandte sich ihr zu.
"Dich abholen natürlich. Du willst zum Palast und ich bringe Dich hin," dabei deutete er auf den bereitstehenden Leichenwagen.
"Moment mal, woher wissen Sie das?" Davaria war mehr als verblüfft. "Ich weiß vieles, junge Dame und jetzt lass uns fahren!"


Nach der knapp einstündigen Fahrt, war Rias Fahrer kurz vor dem Kollaps.
Sein Fahrgast war fürchterlich nervös, hampelte ohne Unterlass auf dem Sitz herum und redete ohne Unterbrechung.
In kürzester Zeit hatte er die komplette Lebensgeschichte von Davaria erfahren und noch die der Eltern und Freunde dazu. Um so erleichterter war der Chauffeur, als sie vor dem Palast hielten. War er doch schon kurz davor einen Mord zu begehen. Doch als Davaria ihn anlächelte und ihm mit den Worten: "Danke fürs zuhören. Sie sind echt nett, wissen Sie das?!", die Hand reichte, waren alle bösen Gedanken vergessen und er grinste ein wenig schief und verlegen zurück.

Mit einem Satz sprang Ria aus dem Auto und rannte mit großen Sprüngen die breiten Stufen herauf, bis sie an der Eingangstüre ankam und ungeduldig den Klopfer betätigte.
Kaum das die Türe offen war, schlüpfte sie hindurch und hastete an dem verblüfften Butler vorbei.

"Ich kenne den Weg", schrie sie ihm zu, eilte auch schon  die Treppe hinauf und verschwand um eine Biegung.

Der Butler unterdessen, schüttelte nur missbilligend den Kopf, blieb stehen und wartete ab.

Nach 10 Minuten kam eine japsende Davaria die Stufen wieder herunter gerannt und blieb verlegen vor dem Buckligen stehen.

"Ich kenne den Weg doch nicht...", keuchte sie außer Atem und warf ihrem Gegenüber einen entschuldigenden Blick zu.
Quasimodo schüttelte immer noch den Kopf und brummte unfreundlich so etwas wie: "Die Jugend von heute!". Doch er winkte ihr ungeduldig zu, ihm zu folgen und schlurfte langsam voran.

Davaria hatte bei ihrem ersten Besuch den Weg schon sehr weit gefunden. Doch nun, wo sie so ungeduldig war und es kaum erwarten konnte Halloween wieder zu sehen, kam es ihr noch länger vor.
Nach einer gefühlten Ewigkeit waren sie endlich vor Halloweens Türe und ihr Begleiter verabschiedete sich.

Alleingelassen und so kurz vor ihrem Ziel, wurde sie nun doch ein wenig mutlos. Was wenn Halloween sie sofort und ohne viel Theater, im hohen Bogen rausschmeißen würde?
Sie seufzte und starrte verzagt auf den Boden. Dabei fiel ihr auf, dass irgend etwas anders war als zuvor, wo sie das erste Mal hier gestanden hatte.
Die Kerzen in den Kürbissen brannten nicht und auch die Lichterkette war aus.
Nun ja, Halloween war ja auch schon vorbei, aber sie glaubte nicht das es daran lag und leise Sorge regte sich in ihr.
Nervös kramte sie den Schlüssel hervor, schaffte es aber erst nach drei Anläufen die Türe aufzuschließen, die knarrend und quietschend dagegen protestierte.

Vorsichtig trat sie ein und starrte gebannt auf das Chaos, das sich ihr präsentierte. Ein süßlich-fauliger Geruch und eisige Kälte schlugen ihr entgegen.
"Hal?" Flüsterte sie, die Stimme nicht mehr als ein Hauch und sah sich in dem fahlen Licht des Mondes um, der das Zimmer matt erhellte.

Ein Schatten materealisierte sich vor ihr, kläglich miauend und strich um ihre Beine.
"Melly, na mein Kätzchen? Wo ist Dein Herrchen, hm?" Ria hob die Katze hoch und streichelte sie. Dabei sah sie sich weiter um und erspähte den Gesuchten endlich ganz in der Ecke, in seinem Schaukelstuhl.

"Hal, ich bin wieder da." Sie wartete vergeblich auf eine Reaktion und trat zögernd näher. Eine wütende Antwort blieb aus. Statt dessen lies sie ein trockener Husten zusammenfahren.
Jetzt gab es für Ria kein Halten mehr. Sie setzte Melly auf den Boden ab und ging neben dem Schaukelstuhl in die Hocke, ergriff Hals Hand.

"Du bist ja eiskalt. Was machst Du denn für Sachen? Warum machst Du kein Feuer?" Halloween gab nicht zu erkennen das er verstanden hatte was sie sagte. Er starrte nur blicklos vor sich hin und reagierte nicht.


Besorgt fühlte Davaria seine Stirn und zog erschrocken ihre Hand zurück. Die Hände waren zwar fürchterlich kalt, aber die Stirn des Mannes glühte förmlich.
"Verdammt Hal! Du hast Fieber, Du gehörst ins Bett!" Mühsam zog sie Halloween hoch und schaffte es, ihn irgendwie ins klamme, kalte Bett zu packen.
Feste wickelte sie ihn in die Decken, steckte sie um die schlanke Gestalt und schimpfte dabei besorgt vor sich hin.
"Du bist echt unvernünftig! Sitzt hier ohne den Kamin anzumachen. Ich mach jetzt jedenfalls ein schönes Feuer und dann werde ich zusehen, dass ich Dich bald wieder auf die Beine bekomme. Du wirst schon sehen, mit mir als Krankenschwester geht's Dir in Null Komma nichts besser."

Fünf Minuten später prasselte ein schönes großes Feuerchen im Kamin, die Kerzen und Lichterketten waren entzündet und spendeten ihr gemütliches Licht.

Dann machte sich Ria auf der Suche nach geeigneten Medikamenten, um das Fieber und den Husten zu bekämpfen, fand aber nichts. Sie erinnerte sich an einen altmodischen Klingelzug in dem Gang vor Halloweens Türe, eilte hinaus und zog mehrmals so feste an dem Ding, bis sie es schließlich in der Hand hielt.
Schlurfende Schritte näherten sich langsam und schließlich bog Quasimodo um die Ecke.
"Sie wünschen?" Seine Stimme klang ungehalten und erbost sah er auf den kaputten Klingelzug.

"Ähm...tut mir echt leid wegen dem Teil hier!" Schuldbewusst reichte Davaria das Ding an den Butler weiter und rieb sich verlegen den Hinterkopf.
"Also, ich brauche ein paar Medikamente. Hal ist krank. Etwas gegen Husten, Fieber, Thymian und Salbei, eine Wärmflasche vielleicht, oh und Honig."

"Sonst noch etwas?"

Ria stutzte. Meinte sie das nur, oder hatte die Stimme des Butlers einen genervten Unterton? Sie runzelte irritiert die Stirn. Macht der sich etwa keine Sorgen um Hal?
"Nein Danke. Das war's glaube ich, fürs Erste. Oder doch! Lebensmittel bräuchten wir noch, ich weiß nicht was Hal noch da hat. Zutaten für eine Hühnersuppe wären klasse."
"Ich werde alles veranlassen!"
Und schon wackelte er wieder von dannen.

Im Zimmer war es schon angenehm warm, als Ria wieder eintrat und noch einmal nach Halloween sah. Der hatte die Augen jetzt geschlossen und schien zu schlafen. Fürsorglich strich sie die langen Haare aus dem bleichen Gesicht, mit den Resten der Schminke.

Kurzentschlossen eilte sie ins Bad, befeuchtete einen Lappen mit lauwarmen Wasser und ein wenig Seife, kehrte zum Bett zurück und machte sich daran Halloweens Gesicht zu säubern.

Halloween KeyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt